Am Morgen ist es ein bisschen verhangen, macht aber nach und nach auf. Ich beschliesse, einen Spaziergang zu machen, so lange es trocken ist.
Zuerst wandere ich nach Puzzatsch und von da auf einem kleinen Weg auf die andere Talseite und ganz hinunter, wo sich zwei wilde, reissende Bäche vereinen. Ich gehe über die Steinbrücke und staune über das leuchtend blaue Becken und die gestreiften Felsen. Ein wunderschöner, magischer Ort!
Da ich den ganzen Tag Zeit habe und das Wetter überraschend schön ist, klettere ich hinunter und bleibe lange hier.
Am Nachmittag faulenze ich, bald fängt es zu regnen an.
Von Morissen geht es zuerst aufwärts und ich laufe weit oben am Hang. Es ist wieder brütend heiss und viel Asphaltstrecke, was die Hitze natürlich noch verstärkt. Über den ganzen Hang sind Ställe und Häuschen verstreut.
Der Blick über das Tal und die gegenüberliegenden Gipfel ist wunderschön, die Wiesen saftig grün.
Es gibt nur sehr wenig Schatten, dementsprechend schwitze und leide ich. In Vrin bin ich ko, muss aber nochmals eine dreiviertel Stunde auf der Strasse weiterwandern bis zu meinem Ziel, San Giusep.
Morgen soll es regnen, deshalb bleibe ich zwei Nächte. Es wäre schade, bei Regen über die Greina zu wandern. Die Pause wird mir grad gut tun.
Von Versam aus gehe ich, wieder abweichend von der Route 6, auf einem wunderschönen Waldweg ins Tal hinunter, um auch heute nochmals am Rhein zu wandern. Erstens liebe ich es, am Wasser zu wandern und zweitens ist es hier schattig und kühl. Heute wird es so richtig heiss werden.
Auf dieser Strecke begegne ich vielen Leuten, ganz ungewohnt. Wieder mache ich eine Pause auf einer Kiesbank. Unterhalb meines Platzes gibt es Stromschnellen und es macht Spass, die Boote zu beobachten. Es sind nicht viele, aber ab und zu kommen wieder zwei/drei.
In den Strassen von Ilanz röste ich vor mich hin. Ich muss noch ein bisschen Proviant besorgen und nehme dann das Postauto bis Luven, von wo ich dann den Weg nach Morissen unter die Füsse nehme. So muss ich nicht in der grössten Mittagshitze den steilen Weg erklimmen. Auch so wandere ich ca 6 Stunden, was mir bei diesen Temperaturen reicht, v.a. da der grösste Teil der Strecke auf Asphalt signalisiert ist. Ich finde das unmöglich. Wie im Schanfigg werden die Täler mit Asphaltstrassen zugekleistert und, wohl der Einfachheit halber, die Wanderwege darauf geführt. So spart man natürlich den Unterhalt der Wanderwege. Ob das allerdings für den Tourismus förderlich ist, ist fraglich….
Der Blick zurück ins Rheintal ist faszinierend. Von hier sieht man fast nur die Dörfer auf den Geländeterassen oberhalb des Rheins. Den Fluss selber muss man fast suchen, weil er sich so eingegraben hat.
In Morissen komme ich wieder in einem BnB unter, in einem uralten Haus, das von einem Künstler renoviert wurde, wunderschön!
Die vorgeschlagene Etappe ginge von Tamins nach Ilanz und dauert 8 Stunden. Das ist mir aber zu weit, vorallem für den Anfang. Ich entscheide mich, nur bis Versam zu Wandern. Ausserdem ändere ich die Route: Statt über Bonaduz wandere ich am Ufer des Vorderrheins und gehe dann bei der Bahnstation Trin über die Hängebrücke und hinauf auf die Versamerstrasse, weil man von da einen fantastischen Blick in die Rheinschlucht hat.
Da ich nur 4 Stunden vor mir habe, kann ich es gemütlich nehmen und starte eher spät. Auf einem kleinen Wiesenweg geht’s hinunter zum Vorderrhein und dann auf einen schönen Weg zwischen Ufer und Bahnlinie.
Am Anfang ist das Tal noch weit und der Fluss breit und von Büschen gesäumt.
Dann wird das Tal enger und felsiger. Bei einer Biegung ist auf der anderen Seite an der Felswand eine Tafel befestigt, auf der man den Wasserstand der Hochwasser von 1927 und 1987 sehen kann. Das sind einige Meter über dem jetzigen Wasserspiegel. Schon extrem eindrücklich, wenn man versucht, sich das vorzustellen. Das muss unglaublich wild und kraftvoll gewesen sein.
Bald sehe ich Leute in Kajaks und in den grossen Schlauchbooten mit denen hier Riverrafting gemacht wird und es kommt mir wieder in den Sinn, dass ich das in jungen Jahren auch einmal gemacht habe. Es hat Spass gemacht, das könnte ich wieder einmal machen….
Auf einer grossen Kiesbank mache ich Rast. Auf der anderen Seite stehen zwei grosse Felssäulen mit Bäumen oben drauf.
Dann komme ich zur Station Trin, das übliche Holzhäuschen mit roten Fensterläden. Hier kreuzen gerade zwei Züge.
Auf einer modernen Hängebrücke überquere ich den Rhein und wandere langsam durch den Wald nach oben zur Versamerstrasse, die sich am Felsen entlang windet. Immer wieder habe ich einen atemberaubenden Ausblick auf die Schlucht.
Meine Gastgeberin in Tamins hat mir einen Tipp gegeben, wo es einen super Aussichtspunkt gibt. Ich mache den kleinen Abstecher und es lohnt sich. Der Platz ist soger befestigt und es gibt ein Bänklein unter einem schönen Baum. Hier esse ich meinen Lunch und geniesse die wundervolle Sicht. Weit unter mir rauscht das Wasser vorbei und ab und zu sehe ich Boote über die Wellen schaukeln.
Unterhalb von Versam geht’s über die Brücke und nachher durch Wiesen und Wald hinauf ins Dorf, wo ich auch wieder in einem BnB übernachte. Das ist eine schöne Sache, weil man so, im Gegensatz zu einem Hotel, mit Leuten in Kontakt kommt und manchmal auch gute Tipps bekommt.
2. Sept. 2020 Chur – Tamins
Endlich kann ich zur diesjährigen Fernwanderung starten. Ich habe mich für den Alpenpässeweg, Route 6 entschieden. Die erste Etappe ist sehr kurz und flach, nur ca 3 Stunden, was ich zum Anfangen perfekt finde.
Vom Bahnhof Chur südwärts geht man nicht gerade durch die schönsten Stadtteile und es ist sehr heiss.
Bis Felsberg wandere ich mehr oder weniger an der Autobahn, die trotz Lärmschutzwänden extrem laut ist. Dann überquere ich den Rhein und wandere an dessen Ufer. Es ist ein sehr schöner Weg, aber leider ist der Verkehr nicht zu überhören. Es dünkt mich viel lauter als bei uns an der Autobahn, vermutlich ist die Lage in einem Tal mit Felswänden nicht gerade hilfreich.
Später verlässt der Weg das Ufer und führt höher am Hang entlang.
In Tamins komme ich in einem netten BnB unter.
Nach der Dusche mache ich das Dorf unsicher und gehe auf den Kirchhügel, der das Dorf von der Autobahn abschirmt. Von hier aus geht der Blick über die Häuser und hinauf zum Kunkelspass.
Tamins gefällt mir, es gibt noch viele alte Häuser..
Ich wollte eigentlich wieder mit dem Zug zurück nach Riva fahren und dann weiterwandern, aber der Wetterbericht ist nicht gut. Nächste Woche regnet es mehr oder weniger jeden Tag und dazu ist es auch noch kalt.
Ich habe jetzt entschieden, für dieses Jahr aufzuhören und mit dem Auto nach Cupramontana zu fahren. Es ist zwar schade, aber das ist mir zu ungemütlich. Wenn es nass und kalt ist, kann ich keine vernünftigen Pausen machen.
Da mein Bus erst um 13.30 fährt, gehe ich noch ins Museum. Es beinhaltet eine Bildergalerie, eine archäologische Abteilung, je eine kleine Ausstellung zu den beiden Weltkriegen und eine Wechselausstellung. Die aktuelle ist über die Geschichte des Sportes in Riva, die natürlich sehr stark vom Segelsport geprägt ist. Hier gibt es oft starke Winde, weshalb schon die Römer am Gardasee eine Nautikschule unterhielten.
Die Ausstellungen sind gut und abwechslungsreich gestaltet. Es gefällt mir und ich bleibe länger als beabsichtigt. Ich steige auch noch auf den Turm, um den Blick über die Stadt zu geniessen. Am Ende muss ich mich beeilen, dass ich den Bus erwische.
Der Monte Baldo hat sich, wie schon gestern, in Wolken gehüllt, aber das, was ich davon sehe, macht mir Eindruck, steil und felsig, das mache ich nur, wenn meine Füsse und ich fit sind 😉
Die kleinen Städtchen und Dörfer, drängen sich zwischen dem steilen Berghang und dem See. So viel ich sehen kann, sind die alten Dorfkerne sehr schön und es reizt mich, hier einmal Ferien zu machen.
Nach Garda allerdings, wo ich umsteigen muss, gefällt es mir nicht mehr. Da wird es flacher und alles zerfleddert. Die Orte breiten sich unkontrolliert aus, es gibt Vergnügungsparks und die ganze Tourismusgeschichte wirkt sich sehr negativ aus. Jetzt sind die meisten Häuser geschlossen und es herrscht diese Stimmung von ausgestorbenen feriemdörfern.
In Peschiera habe ich etwa anderthalb Stunden Aufenthalt und will noch ein paar Früchte kaufen. Ich frage eine Frau nach einem Geschäft. Sie zeigt mir eines und sagt, da gebe es auch deutsche Sachen, ich sei doch sicher Deutsche? Als ich antworte, ich sei aus der Schweiz, sagt sie: Was, aus der Schweiz! Dort ist es so schön mit all den Bergen, was ich denn hier, an diesem hässlichen Ort mache…..
Na ja, ich bin ja zum Glück nur auf der Durchreise. Bald fährt mein Zug.
Ich melde mich in ein paar Tagen zurück, wenn ich weiss, wie ich weitermache 🙂
Heute ist es grau und die Berge verhangen. Ich hatte vor, eine Schifffahrt zu machen, damit meine Füsse auch wirklich eine Pause haben, aber erstens ist es nicht das richtige Wetter dafür und zweitens muss ich nach Winterthur fahren, das heisst als erstes muss ich herausfinden, wie ich von Riva am besten dahin komme.
Ich spaziere zur zentralen Busstation und es ist wie immer. Der Mann am Schalter ist nur zuständig für Busbillette, also hat er keine Ahnung von nichts. Es gibt jedoch ein Reisebüro im gleichen Haus.
Ich muss mit dem Bus entweder nach Brescia oder Peschiera, in beide Richtungen muss ich noch einmal den Bus wechseln, dann den Zug nach Mailand und von da nach Zürich nehmen. Einmal am Tag gibt es sogar einen direkten Zug. In Mailand nicht umsteigen zu müssen, ist Gold wert, deshalb entscheide ich mich dafür, auch wenn ich erst kurz vor 22 Uhr in Zürich ankomme.
Auch wenn ich schnellstmöglich wieder hierher komme, bin ich zu spät für den Monte Baldo. Der Aufstieg dauert etwa 6 Stunden und man überwindet ca 1700 Höhenmeter, die Tage sind schon zu kurz um zu Fuss wieder hinunter zu gehen und es wäre mir auch zu viel. Schlafen kann man da oben nicht, das heisst, ich würde mit der Seilbahn wieder hinunterfahren, da übernachten und am nächsten morgen wieder hinauffahren, um weiterzumachen. Leider macht nun die Seilbahn dicht für den Winter und am Wochenende soll das Wetter sowieso schlecht sein, Wolken und Regen. Ich muss nicht da hochwandern, nur um es gemacht zu haben, wenn schon, möchte ich auch etwas von der grandiosen Aussicht haben.
Eine Sehne oberhalb des linken Knöchels ist geschwollen, ich merke es sogar beim Spazieren, deshalb brauche ich sowieso eine Pause. Ich denke, es geht schnell vorbei, wenn ich vorsichtig bin.
Ich werde meine Wehwehchen und das Wetter beobachten und dann entscheiden, wie ich weitermache. Es gibt mehrere Möglichkeiten:
1. Ich ändere die Route beim Monte Baldo und ziehe es bis Cupra durch. Ich vermute, dass ich dann kurz vor Weihnachten dort sein würde, ist mir eigentlich zu spät.
2. Ich wandere noch bis Padua und nehme dann den Zug. Die Poebene reizt mich sowieso nicht so.
3. Ich nehme gleich das Auto und fahre nach Cupra. Der Vorteil: ich bin länger dort und habe ein Auto zur Verfügung.
Noch ein schönes Elektrizitätswerk
Riva ist ein wirklich schönes Städtchen, natürlich sehr touristisch, aber immer noch erträglich. Es gibt viiiiele Bars, Restaurants und Geschäfte und der Vorteil ist, dass es überhaupt kein Problem war, eine Unterkunft zu finden. Im Sommer ist es sicher richtig voll, es gibt jedoch keine so richtig geschmacklosen Geschäfte. Es gefällt mir. Es hat auch richtig südliches Flair mit Palmen und Olivenbäumen, kulturell und gastronomisch spürt man aber doch auch den tiroler Einfluss.
Nach dem Mittag gehe ich ins Hotel zurück und ruhe mich aus, ich kann es brauchen. Am Abend esse ich draussen. Überall sitzen die Leute draussen, obwohl die Temperaturen grenzwertig sind. Allerdings haben viele Restaurants diese Gaspilze draussen zum heizen. Es ist schön, draussen zu sitzen, aber eigentlich verrückt…
Heute ist trübes Wetter und meine Füsse könnten eigentlich eine Pause vertragen, aber ich möchte gerne noch bis Riva, denn morgen soll es regnen. Dann kann ich mir Riva ein bisschen anschauen.
Ausserdem muss ich wahrscheinlich nochmals kurz nach Hause und das ist auch von Riva aus noch kompliziert genug….
Zuerst muss ich wieder 2km zurück auf meine Route, das heisst die ohnehin schon 7-stündige Tour wird noch eine halbe Stunde länger. Soviel zur Pause meiner Füsse 😉 ich werde sie vertrösten müssen.
Zurück auf der Route, wandere ich in ein Seitental hinein und dann geht’s steil bergauf, alles im Wald. Ab und zu gibt es hohe Tritte, weil die Erde unterhalb der Baumwurzeln ausgewaschen ist, manchmal mehr als Kniehoch.
Es gibt nicht soviel zu sehen heute, die Bäume geben die Sicht nicht frei und auch am Boden gibt es nicnt viel Interessantes. Es hat kaum Unterholz, nur eine dicke Laubschicht. Ich brauche drei Stunden bis zum Pass Bocca di Trat und ich schwitze wie verrückt, es ist steil, die Luftfeuchtigkeit hoch und ich bin in einem engen Taleinschnitt, wo sich kein Lüftchen regt. Die Fussgelenke tun mir ein bisschen weh, morgen ist definitiv eine Pause angesagt!
Erst oben auf dem Pass gibt es freie Sicht, aber es ist windig hier und ich bin nassgeschwitzt, drum bleibe ich nicht lange. Meine kleine Pause verschiebe ich und tauche auf der anderen Seite gleich wieder in den Wald ein.
Es geht steil und steinig hinunter. Manchmal bin ich nicht sicher, ob einfach die Gegend so steinig ist, oder ob das alte gepflasterte Wege waren, denen Wind und Wetter zugesetzt haben. Alles ist voller loser Steine in allen Grössen.
So geht es lange hinunter bis zu einer grossen Lichtung, die auf einer Geländeterasse liegt. Von da aus folgt meine Route der Strasse, während der markierte Wanderweg in einem Taleinschnitt hinunter geht. Ich entscheide mich, dem markierten Wanderweg zu folgen, der leider immer noch steil und steinig ist. Das Strässchen wäre einfacher gewesen und, was ich erst kapiert habe, als ich schon fast in Campi unten war, es hat einen Grund, dass ich die Route auf der Strasse geplant habe. Man kommt da nämlich an einer archäologischen Ausgrabungsstätte vorbei.
Also gehe ich nun wieder ein Stück aufwärts und mache so einen Umweg, statt eine Abkürzung und noch ein paar Höhenmeter dazu (und natürlich nicht nur aufwärts….)
Der Ausgrabungsort Monte San Martino liegt auf einer Geländenase mit schöner Aussicht auf die Rivaebene und ins Albolatal.Man vermutet, dass dieser Ort im späten Eisenzeitalter eine rituelle Stätte war. Die Römer bauten dann da ein grosses Heiligtum, das hier vom 1. Jahrhundert vor bis zum 3. Jahrhundert nach Christus bestand.
Vom 4. – 6.Jahrhundert war es wahrscheinlich eine milItärische Anlage und viel später wurde dann auch mal noch eine Kirche gebaut, die bis etwa 1750 erwähnt ist.
Ein interessanter und etwas mystischer Ort an strategisch wichtiger Lage, finden sich hier doch wichtige alte Routen, Nord – Süd und Ost – West.
Nachher wandere ich nach Campi hinunter und dann geht es eine Weile am Hang ohne wesentliche Steigungen auf einer alten Strasse Richtung Südosten.Dann folgt eine lange, stehr steile betonierte Strasse hinunter Richtung Riva. Ab und zu erhascht man einen Blick auf die Stadt und die Ebene oder den See. Am Ende mache ich noch einen kleinen Abstecher zur Bastion, von wo man einen wunderschönen Blick auf die Dächer der Altstadt und den See hat. Zum Glück ist es von hier aus nicht mehr so steil.
Das hat jetzt wirklich gereicht heute. Ich bin fast 1700m hinuntergelaufen! Hinauf macht mir nichts, wenn man ausser Puste kommt, geht man einfach langsamer, aber hinunter ist der Killer, vor allem mit diesen Geröllwegen, aber auch diese betonierten Strassen sind schlimm und die Belastung für Füsse und Beine gross.
Es ist schon ein bisschen dämmerig bei der Ankunft in Riva. Es ist ja wieder Winterzeit, früh dunkel und ich muss früher aufstehen 😉
Heute wandere ich etwa drei Stunden bis zum Pass Bocca dell’Ussol hinauf. Zuerst geht’s auf einer kleinen asphaltierten Strasse durch den Wald, später wird das Gelände offener mit vielen Lichtungen bis zur Alp Gavardina. Es ist ein schöner Aufstieg.
Obwohl ich gestern, trotz kurzer Wanderung, sehr müde gewesen und beim Nachtessen fast eingeschlafen und wieder früh erwacht bin, fühle ich mich richtig gut. Der Rucksack fühlt sich leichter an und ich gehe locker und leicht den Berg hinauf. Es ist enorm, wieviel die Tagesform ausmacht.
Nach der Alp ist es nur noch ein Wiesenweg und geht im Zickzack aufwärts zum Pass. Am Ende ist es steil und hat hohe Tritte. Schnaufend komme ich oben an. Die Aussicht ist grandios. Hinten sieht man ein paar Schneegipfel und vorne verlieren sich die Bergketten im blauen Dunst.
Man sieht bis ins Tal hinunter nach Lenzumo
Nun geht’s zuerst steil runter und zwar auf rutschigem Geröll. Das, was ich am allerwenigsten mag. Bei jedem Schritt rutsche ich ein wenig und komme nur langsam vorwärts. Nachher wird es zum Glück besser und ich komme in den Wald. Bei einer Verzweigung finde ich einen schönen Platz für meine Mittagspause. Heute begegnen mir Ausnahmsweise immer mal wieder Leute oder wir überholen uns gegenseitig. Es ist Sonntag, das merkt man.
Eine Apfelbirne oder ein Birnapfel? Haut und Fruchtfleisch von einer Birne, Form eines Apfels und der Geschmack die perfekte Mischung.
Nach dem Mittag führt der Weg durch den Wald zu einer Alp hinunter, nicht mehr so steil und steinig, sondern angenehm weich. Da liegen, mitten auf dem Wanderweg, zwei Schönheiten im Bikini, vermutlich Mutter und Tochter. Ich sehe schon, ich kann noch dazulernen. Ins Wandergepäck gehört ein Bikini!
Nachher wird der Weg wieder richtig steil und er ist voller Steine und Geröll. Ricntig mühsam zum Laufen. Ganz schlimm ist es dort, wo viel Laub liegt, denn da weiss man nie, was sich darunter verbirgt. Dafür tanzt ein wilder Bach neben dem Weg, einfach schön!
Schliesslich komme ich zum Rifugio Al Faggio, wo ich eigentlich übernachten wollte. Die signora hat mir gesagt, es sei geschlossen heute. Im Moment ist es allerdings offen und voller Leute. Auch auf dem Parkplatz stehen viele Autos.
Da ich auch in Pastoria nichts gefunden habe, muss ich bis Lenzumo, wo ich in einem Ökohotel bin. Es ist rel. teuer, dafür alles öko und es gibt Sauna und türkisches Dampfbad. Das gönne ich mir. Morgen geht’s 7 Stunden bis nach Riva del Garda.
Gestern Abend hat Fernando seine Frau vom Bahnhof Brescia abgeholt und ich lerne sie heute kennen. Eine ganz süsse, liebe Frau. Beim Abschied gibt sie mir noch Früchte mit. Die muss ich zwar mitschleppen, aber so gute und frische Früchte werde ich lange nicht mehr bekommen.
Praktisch alle Früchte und Gemüse, die Federico mir vorgesetzt hat, sind frisch aus seinem Garten. BIO, wie er betont. Das, was es in Geschäften unter Bio zu kaufen gebe, sei nicht bio, denn es werde zwar nicht gespritzt, dafür mischten sie irgendwelches Zeug unter die Erde. Er wisse das von Bekannten, die für den Biomarkt anbauen. Das sei ein Bschiss.
Federico hat eine Nachricht bekommen, dass die Strasse zum grossen Stausee hinauf geschlossen sei wegen eines Felssturzes. Vorgestern bin ich da noch gewandert und Federico ist durchgefahren! Zum Glück kam das ganze Zeug in der Nacht runter, denn heute ist Samstag, da wollen sicher einige Leute hinauffahren zum Wandern.
Nun bringt mich Federico nach Praso, wo wir uns verabschieden. Danke, Federico, für die guten Gespräche, das ausgezeichnete Essen und für die Fahrerei!
Noch ein Engel. Danke Federico!
Heute ist nur eine kurze Wanderung angesagt, eigentlich bis Bondo, aber weil es da nichts zum Übernachten gibt, gehe ich ein bisschen weiter nach Breguzzo. Das ist sowieso besser, denn die Route von morgen führt hier in der Nähe durch, sodass die morgige Wanderung leicht kürzer wird. Das kann nicht schaden, denn sie soll gut 6 Stunden dauern und führt wieder über einen Pass.
In meinem Büchlein steht, da die heutige Wanderung ja nur kurz sei, habe man dafür Zeit, auf dem Weg ein paar Sachen anzuschauen: eine Festung, Kirchen und einen österreichischen Friedhof aus dem grossen Krieg (1. Weltkrieg)
Die Festung streiche ich gleich aus dem Programm, denn ich sehe unterwegs einen Anschlag mit den Öffnungszeiten: Juli und August und im Sept die ersten beiden Wochenenden. Wie so oft in Italien sind die Sehenswürdigkeiten nur während der Ferienzeit der Italiener geöffnet, was natürlich ein Witz ist, denn jeder Tourist, der es richten kann, geht eben genau nicht in den Schulferien irgendwohin. Ich hatte erwartet, dass es hier im Norden nicht so sein würde, mit den Österreichern und Schweizern als Nachbarn, da ja gerade die Schweizer Ende September und im Oktober Ferien haben.
Ich glaube der Tourismus in Italien könnte einen gewaltigen Schub bekommen, wenn alles mindestens das ganze Sommerhalbjahr geöffnet wäre. Ich war mal Ende Mai/Anfang Juni in den Sibillini und Ascoli Picena unterwegs und hatte gedacht, da sei es ein Leichtes, Schlafmöglichkeiten zu finden, da noch nicht Hochsaison sei. Weit gefehlt, es war extrem schwierig, da alles geschlossen war! Wenn man immer zu hat, muss man zwar nicht viel arbeiten, aber man verdient halt auch nichts….
Mit den Kirchen klappt’s auch nur zum Teil, da die einen auch geschlossen sind, etwas, was ich mir von Italien nicht gewöhnt bin.
Der Weg ist einfach, aber was jetzt wieder dazukommt ist der Verkehrslärm. Im Daonetal war’s sooo ruhig und hier dringt der endlose Lärm hinauf in die Höhe, wo ich laufe.
Später geht es ins Tal hinunter und ich laufe lange einer Mauer entlang, wo sich viele Eidechsen sonnen. Ständig raschelt es neben mir, wenn sie im Laub oder in Mauerritzen verschwinden.
Auf der anderen Talseite führt der Weg an einem See entlang, bis ich dann Ende Bondo zu dem österreichischen Militärfriedhof komme. Er fällt grad auf, ist ein bisschen pompös, aber es berührt halt schon, wenn man bedenkt, wieviele Menschen in diesem sinnlosen Krieg gelitten haben und gestorben sind. Immer reden wir davon, dass wir aus der Geschichte lernen, aber immer noch wiederholt sich alles, wieder und wieder…
Dann wandere ich Richtung Breguzzo und weil ich nicht an der Hauptstrasse laufen will, mache ich einen kleinen Umweg. Und das ist die Überraschung des Tages: ich komme durch eine kleine, wunderschöne Schlucht mit einem rauschenden Bach und Brücken und Stegen!
Federico bringt mich nach Vermongoi, zum heutigen Startpunkt. Ich gehe einen Weg hinauf, der Strada forestale Splagion heisst. Meine Navigationstante spricht die Strassennamen immer so lustig aus, deutsche Aussprache und Betonung. Heute heisst das Schtradale foreschtale Schplagion, genau so, wie ich es geschrieben habe….
Beim Fotografieren nerven immer die vielen Stromleitungen. Die sind eigentlich immer im Weg. Hier in Norditalien gibt es unzählige Stauseen (wenn sie nicht voll sind, ist das nicht immer so schön) und dazu gehören dann natürlich auch die Stromleitungen in jedem Tal. Immerhin haben die Italiener keine AKWs, das finde ich grossartig! Ich bin ja auch froh um den Pfuus, denn ich lade ja täglich meine Geräte, da habe ich wohl nichts zu meckern.
Wenn wir schon bei den Geräten sind, ich konnte zwei Tage lang nicht auf meine Website. Es gibt immer wieder mal ein Problem, da wäre ich aufgeschmissen ohne Support. Ich schreibe eine Mail an Roger, schildere mein Problem und er richtet’s. Ohne seine Unterstützung im Hintergrund, könnte ich meinen Blog vergessen. Vielen Dank, Roger!
Am Wegrand plätschert ein Bach und etwas weiter oben komme ich über eine Brücke. Das ist immer die Gelegenheit, das Wasser auf seiner Reise zu beobachten und mich daran zu freuen. Bergbäche sind mit das schönste, was es gibt. Ich liiiebe sie. Ich könnte mich hinsetzen und stundenlang zusehen und mein Tag wäre erfüllt! Das Valdaone ist diesbezüglich ein Paradies. Es gibt so extrem viele Bäche und Wasserfälle.
Die Morgenstimmung ist wunderschön. Nach einem Regentag scheint die Sonne und die Luft ist frisch.
Der Weg ist steil und wie üblich mit runden Steinen gepflastert, darüber liegt nasses Laub, also eine ziemlich glitschige Sache. Weiter oben ist es nicht mehr so nass.
Plötzlich bewegt sich etwas vor mir im Laub. Bei genauem Hinsehen erkenne ich einen Feuersalamander. Er ist super getarnt in dieser Umgebung. Hätte er sich nicht bewegt im Bemühen, sich unter dem Laub zu verbuddeln, hätte ich ihn vielleicht übersehen. Ich nehme die Blätter weg, um ihn anzuschauen und zu fotografieren und lasse ihn dann in Frieden.
Als ich von Edolo nach Berzo-Demo gewandert bin, habe ich viele Feuersalamander gesehen, nur waren sie leider alle platt gefahren. Eigentlich wollte ich da schon darüber schreiben, habe es aber offenbar erfolgreich verdrängt. Es ist schöner, über einen lebenden Salamander zu schreiben als über die überfahrenen.
Nun bin ich schon hoch über dem Talboden. Ich staune immer wieder, wie schnell das geht. Manchmal ist es schon eine Herausforderung, so viele Höhenmeter zu überwinden.
Bei mir liegt die Motivation zu diesen Fernwanderungen eher im Unterwegssein, trotzdem ist der Reiz grösser, wenn man auch Schwierigkeiten überwindet oder körperlich ein bisschen an die Grenze geht. Es ist schon ein gutes Gefühl, wenn man mal so eben 1000 Höhenmeter erklommen hat. Ich suche nicht das Extreme, dazu bin ich zu bequem, aber ich kann mir gut vorstellen, was für ein tolles Gefühl es sein muss, auf einem 8000er zu stehen nach all den Entbehrungen…
Heute bleibe ich oft stehen – um die Aussicht zu bewundern oder kleine Dinge zu bestaunen. Der Vorteil, wenn es sehr steil ist, ist der, dass man die Kleinigkeiten direkt vor der Nase hat und sie fast nicht übersehen kann. Wenn ich dann mal oben auf der Waldstrasse wandere, schweift der Blick wieder eher in die Ferne.
Das Laub am Boden wird zusehends trockener und raschelt laut, wenn ich mit meinen Füssen hindurchschlurfe. Das erinnert mich daran, dass ich das als Kind geliebt habe, je mehr Laub, desto besser. Das tollste war, einen grossen Haufen zusammenzurechen und dann mit Anlauf hineinzuspringen 🙂
Heute ist meine Navigationstante ein bisschen verwirrt. Einmal sagt sie: „noch 70m auf diesem Weg“ und im nächsten Moment: „bei nächster Möglichkeit umkehren“.
Ja was jetzt? Ich konsultiere die Karte und sehe, dass ich scharf rechts abbiegen muss und nicht umkehren. Der Pfeil oberhalb der Karte zeigt aber nach links! Da stimmt ja überhaupt nichts zusammen!
Ich bin bloss froh, dass ich diese Wanderungen machen kann. Wenn ich auch älter und langsamer werde, schmälert das die Freude nicht. Es ist so schön, in der Natur unterwegs zu sein und diese Stille und Kraft zu spüren.
Manchmal tut mir zwar schon mal etwas weh, aber nie ernsthaft. Ausserdem kann ich mir selber eine Energiebehandlung machen. Es ist zwar nicht ganz das Gleiche, wenn man’s selber machen muss, aber immerhin, ich kann etwas tun. Zudem bekomme ich ja täglich eine mehrstündige Energiebehandlung direkt von Mutter Natur. Im Notfall, habe ich noch ein paar Trümpfe im Ärmel…
Ich wandere nun alles hoch über dem Tal, geniesse die schöne Aussicht, die Stille und die Farben. Erst am Ende geht es in grossen Serpentinen hinunter und ich bin viel früher in Praso, als ich gedacht habe.
Federico fährt mich zum oberen Stausee hinauf, von wo ich gestern mit zwei Frauen hinunterfahren konnte. Nun kann ich meine Wanderung fortsetzen, ohne etwas auszulassen. Es hätte zwar da oben ein Restaurant, das auch Zimmer vermietet, es ist aber schon zu. Überhaupt hat alles im Tal schon geschlossen. Anfangs Oktober machen die alle die Luken dicht. Federico vermietet seit letztem Mai und hat vor, das ganze Jahr offen zu sein. Macht ja auch Sinn, wenn er sowieso da ist. Wenn niemand kommt, kommt eben niemand und sonst haben er und seine Frau ein bisschen Gesellschaft. Da die andern alle zumachen, kommen alle zu ihnen 🙂
Villa Plaz und mein Frühstück 🙂
Es ist auch absolut paradiesisch hier, das Tal, der Fluss Chiese! Das Frühstück ist das beste, das ich je in Italien gekriegt habe, ausserdem kocht Federico auch ein wunderbares Abendessen für mich, denn zu Fuss habe ich keine Chance innert nützlicher Frist ein Restaurant zu erreichen.
Meine heutige Wanderung verläuft mehr oder weniger auf der Strasse, mangels Alternative. Das ist insofern nicht schlimm, als der Verkehr quasi bei Null ist. Das Mühsame ist halt, dass ich zu viel auf Asphalt laufe, was meine Füsse nicht mögen.
Das Tal ist jedoch wunderschön, obwohl das Wetter nicht so gut ist. Die Herbstfarben lassen alles leuchten, selbst im Regen. Der Fluss ist wunderbar wild und laut, das Wasser rauscht über die vielen Felsbrocken.
Nach einer Weile versuche ich, die Serpentinen abzuschneiden, weil ich einen Pfad finde, der sicher zu einem Wasserfall führt, wenn ich Glück habe sogar in die kleine Ebene weiter unten. Ich habe Glück.
Hier ist es wie in einem Park, der Fluss windet sich durch die Ebene, am Ende liegt ein kleiner See, die Bäume stehen einzeln oder in kleinen Gruppen, alles leuchtet, es regnet und gleichzeitig scheint die Sonne. Es ist richtig lieblich.
Ich setze mich auf einen Baumstrunk und mache eine lange Pause, geniesse einfach die Szenerie, die Farben und die Geräusche…
Es ist ja witzig: Im ganzen Tal stehen Tafeln, mit der Warnung, dass es gefährlich sei, sich in der Nähe des Flussbettes aufzuhalten, weil eine Flutwelle kommen könnte, wenn eine Schleuse geöffnet wird. Auch am oberen und unteren Ende der Ebene gibt es solche Tafeln. In der Ebene stehen jedoch Bänklein und es gibt sogar einen gut ausgebauten rollstuhlgängigen Weg. Natürlich könnte sich hier das Wasser ausbreiten, aber ich stelle mir vor, dass es trotzdem noch ziemlich gefährlich wäre.
Weiter unten komme ich zum Lago di Malga Boazzo. Auch ein schöner See, obwohl ein Stausee. Er ist fast voll und die Bäume spiegeln sich im Wasser. Auf der anderen Seeseite, donnert ein Wasserfall über die Felsen. Im ganzen Tal kommen von beiden Seiten Bäche und Wasserfälle im Überfluss. Es hat natürlich auch ziemlich geregnet in letzter Zeit.
Nach dem See kann ich endlich weg von der Strasse auf einen Feldweg. Nun wandere ich ziemlich nahe am Fluss. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen.
Bei Pracul spannt sich eine kleine Holzbrücke oberhalb eines Wasserfalles über den Fluss. Es reizt mich, da hinüber zu gehen. Auf der anderen Seite esse ich Zmittag. Nachher beschliesse ich, nicht mehr zurück auf die andere Seite zu gehen, sondern hier einen kleinen Umweg zu laufen. Es geht, heute zum ersten Mal, in die Höhe, vorbei an Schützengräben des 1. Weltkrieges. In dieser Gegend verlief die Grenze zwischen Italien und Österreich-Ungarn, weshalb dieses Gebiet hart umkämpft war.
Pünktlich laut Wetterprognose setzt wieder Regen ein, ein schöner Abschluss der Wanderung 😉
Mir ist aufgefallen, dass es hier viele Namen von Häusern gibt, die irgendwie einen spanischen Klang haben. Laut Federico gab es wirklich einmal spanische Feudalherren auf einer der Burgen hier.
Beim Nachtessen fragt er mich, wo ich morgen übernachten wolle. Tja, wenn möglich in Praso, meinem morgigen Ziel. Da gibt es aber nichts und Federico meint, ich solle nochmals hier schlafen. Das bedingt allerdings, dass er mich morgen Abend in Praso abholt und am Samstag wieder hinbringt.
Eigentlich entspricht das ja nicht ganz meiner Vorstellung von Fernwandern. Es gefällt mIr, immer weiterzuziehen, aber hier bleibt mir gar nichts anderes übrig, weil alles geschlossen ist. Es hat immerhin den Vorteil, dass ich zwischendurch mit leichtem Gepäck wandern kann. Meine Füsse mögen das 🙂
Im Hinblick auf die Unterkünfte bin ich zu spät dran, September wäre besser. Von der wundervollen,
Walter bringt mich wieder zum heutigen Startpunkt. Ich habe ein bisschen den Bammel, wie die Route wohl sein wird. Auf der Webseite der Hütte habe ich gelesen, dass der Weg, den ich zur Hütte hinaufsteige, ein Wanderweg sei, wenn man jedoch von der anderen Seite komme, sei das ein Wanderweg, der Bergerfahrung voraussetze. Solche Aussagen sind ja immer ein bisschen schwierig zu interpretieren. Da ich ja ziemlich oft in den Bergen wandere, habe ich dann Bergerfahrung? Oder heisst das, dass der Weg schwierig oder gefährlich ist? Keine Ahnung!
Walter, mein Engel, der mich immer kutschiert hat. Grazie, Walter!
Laut Plan sollte ich knapp 5h brauchen, bis zur Hütte sehr steil, Aufstieg zum Pass SEEEHR SEEEHR steil. Das kann ja heiter werden, da bin ich jedenfalls langsamer als prognostiziert, denn da merkt man das Gewicht des Rucksacks umso mehr.
Beim Startpunkt versammelt sich eine grosse Gruppe. Einer fragt mich, ob ich auch dazugehöre….
Ich hole meine geplante Route auf den Bildschirm und starte die Navigation, nicht weil ich sie brauche, sondern weil ich so grad die Route aufzeichne. Da fällt die Route raus, auch die Wege und Höhenkurven. Also nochmals von vorn, fällt alles raus. Ich lasse es mal so, denn bis zur Hütte kann man sowieso nichts falsch machen. Interessanterweise navigiert mich die Stimme, obwohl sonst alles weg ist. Immerhin – aber ich muss mich blind darauf verlassen, während ich normalerweise bei Verzweigungen mit mehreren Wegen kontrolliere, ob ich wirklich den richtigen nehme. Das ist heute allerdings kein Thema. Es gibt nicht viele Verzweigungen und ich habe die Route einigermassen im Kopf.
Der Aufstieg zur Hütte ist tatsächlich ziemlich steil und steinig und man muss manchmal hohe Tritte überwinden, was ein bisschen in die Beine geht, ansonsten aber kein Problem ist. Es ist kalt und es bläst ein ekliger Wind, besonders oben. Die Aussicht ist grandios, hinten im Tal sieht man die Schneeberge.
Bei der Hütte kann ich mich in den Windschatten verziehen, da geht es.
Ich kontrolliere meine Karte und die heutige Route ist definitiv nicht mehr zu holen, was ja nicht so schlimm wäre, aber die Wege und Höhenkurven sind auch nicht mehr vorhanden.
Das ist ja nicht so schlimm, denke ich, ich hole einfach die gestrige Route, dann habe ich die Karte für heute auch drauf. Haste nur gedacht. Ich probiere alle Karten, die ich zum Offlinegebrauch heruntergeladen habe: Alles weg!
Nun schalte ich halt die Navigation wieder ein, das funtioniert. Also ist die Route gespeichert, ich sehe nur nichts.
Eine Weile geht’s dem Hang entlang, dann steil bergauf im Zickzack, manchmal auf Wiese, manchmal ist es felsig und man muss ein bisschen kraxeln. Nicht immer kann man gut sehen, wo der Weg ist und ich komme prompt vom Weg ab.
Gestern hat mich die Navigationstante genervt, weil sie mir ständig erzählt hat, wie weit ich mich von der Route entfernt habe, heute, wo ich es brauchen könnte, sagt sie lange nichts. Irgendwann kommt dann der Kommentar, ich hätte mich von der Route entfernt und es gebe kein Internet zum Umplanen, ich solle einen Blick auf die Karte werfen. Ha ha, das kann ich schon, aber es ist ja nichts drauf. Ich weiss aber, dass ich zu weit nach rechts geraten bin. Nach mühsamem Rumkraxeln komme ich nach einer Weile wieder auf den geplanten Weg. Es wird immer steiler und schwieriger, ich muss häufig die Hände zu Hilfe nehmen. Ausserdem puste ich wie eine Dampflok.
Es wird immer felsiger und dann geröllmässig, viele lose Steine. Zum Glück hat es auch immer wieder grosse Felsstücke, an denen ich mich halten kann. Je länger je mehr krieche ich auf allen Vieren da hoch und bin ziemlich ausser Atem. Die Stellen, die am wenigsten steil sind, sind etwa so wie zum Erzhornsattel rauf, der Rest ist aber steiler und das Gestein ist total lose. Einmal mehr bin ich nur froh, dass ich hier hinauf muss und nicht hinunter, da hätte ich wohl Panik. Langsam verlassen mich die Kräfte. Und ich komme und komme nicht vorwärts. Ich brauche fast eine Stunde für 500m.
Das ganze ist schon ein bisschen grenzwertig….
Endlich bin ich oben. Juhui!! Ziemlich ko! Hier oben gibt es noch Ruinen aus dem ersten Weltkrieg. Nicht auszudenken, dass die hier oben hocken mussten, wahrscheinlich ja auch im Winter. Es ist immerhin 2600m hoch. Das muss brutal gewesen sein!
Hier oben bin ich erstmals an der Sonne und suche mir ein geschütztes Plätzchen für mein Mittagessen. Ich bin nämlich am Verhungern!
Auf der anderen Seite des Passes ist es zum Glück weniger steil und der Weg verläuft zum Teil auch durch Wiesen. Es gibt aber schon auch Stellen, wo man mal kraxeln muss oder wo es Geröll hat oder steil ist. Mit dem, was ich schon in den Beinen habe, ist es auch nicht so einfach. Verglichen mit dem Aufstieg auf der anderen Seite, ist der Weg hier jedoch lieblich…. 😉
Plötzlich höre ich Steine kullern und sehe gerade noch ein paar Gämsen den Hang hochrennen.
Von hier hat man einen wunderbaren Blick ins Daone Tal mit seinen Seen. Die Lärchen sind auch zum grössten Teil schön gelb. Es ist eine Augenweide!!
Jetzt bin ich in einem B&B, das der Besitzer, Federico, selber gebaut hat, mit einem riesigen Chemineefeuer. Sehr gemütlich.
Der Tag sieht vielversprechend aus: Die Sonne scheint!
Walter bringt mich nach Berzo-Demo. Ich habe meine Tour verlängert, ich werde ganz bis ans Ende des Tales laufen, dann kann ich morgen direkt über den Pass. Ich bin zwar ein bisschen unsicher über den Schwierigkeitsgrad, aber ich versuche es. (Ich habe einen anderen Pass ausgesucht als den im Buch vorgeschlagenen. Da müsste ich eben den achtstündigen Weg unter die Füsse nehmen, was mir zu lang ist)
Die Route geht über Monte und Cevo, allerdings ist die Strasse zwischen den beiden Dörfern gesperrt. So muss ich umkehren und weit hinaufwandern. Ich beschliesse, oben zu bleiben und über Saviore dell‘ Adamello nach Valle di Saviore zu wandern, statt ganz hinunter nach Fresine zu gehen, denn nachher muss ich sowieso alles aufwärts ins Tal hinein wandern.
Die gesperrte Strasse hat mir eine wunderschöne Route beschert, die ich geniesse. Sie führt durch den Wald, vorbei an einigen Lichtungen. Ich mache zwar auch einige Höhenmeter, aber alles auf guten Pfaden.
Saviore dell’Adamello soll ein Fremdenverkehrsort sein. Das habe ich mir aber ganz anders vorgestellt….
Der Weg ins Tal, bis Malga Lincino, zieht sich, aber es lohnt sich! Am Ende holt mich Walter wieder ab.
Heute schifft’s und alles ist grau verhangen. Trotzdem wollte ich eigentlich weiter, aber ich muss mein Programm sowieso wieder umstellen, da die Hütte, die ich anpeilen wollte, nur bis Ende Sept. offen hat.
Nun mache ich halt Pause, wasche, ruhe mich aus.
Nach dem Mittag lässt der Regen etwas nach und ich mache einen Spaziergang zu der riesigen Kirche hinauf, die mir schon vorgestern vom Zug aus aufgefallen ist.
Die Kirche ist so hoch geraten, dass sie fast höher ist als der Turm 😉
Da der Wetterbericht so schlecht ist, muss ich die Sache ein bisschen hinauszögern, denn so kann/will ich nicht über den Pass.
Deshalb habe ich die heutige Etappe aufgeteilt, sodass ich mich frühestens übermorgen an den Aufstieg mache. Das hat auch den Vorteil, dass ich meine Füsse noch ein bisschen schonen kann. So ca vier Stunden geht es gut, ist mir zwar eigentlich zu kurz, fünf/sechs wären ideal, aber für meine Ferse und Kniekehlen reicht’s. Da ich ja noch eine lange Strecke vor mir habe, bin ich lieber vorsichtig.
Ich habe auch die längste Zeit daran herumstudiert, ob und wie ich die achtstündige Passüberquerung mit ca 1300 Höhenmetern vermeiden kann. Ich habe lange keine Möglichkeit gesehen, aber jetzt denke ich, ich hab’s, sofern ich ein Bett in der auserkorenen Hütte kriege. Da muss ich zwar über einen höheren Pass, kann es aber dafür in zwei etwa vierstündigen Etappen machen. Die acht Stunden mit soviel Höhenmetern wäre sowieso schon ein bisschen grenzwertig gewesen, umso mehr mit einem schweren Rucksack. Ein paar Kilo mehr oder weniger machen halt schon viel aus, wenn es steil ist und mit jeder Stunde mehr. Ausserdem hätte das mein Fuss wahrscheinlich nicht mitgemacht. Leider verpasse ich so die besonders schöne Route, aber vielleicht könnte ich sie ja auch nicht geniessen, wenn ich auf den Felgen wäre.
So ist also die heutige Etappe leicht, ca vier Stunden, mehr oder weniger auf Strässchen. Der Morgen fängt sonniger an, als ich erwartet habe, eine schöne Stimmung mit Sonne und Wolken und recht warm. Ich starte erst nach zehn Uhr.
Ich komme an einem Kraftwerk vorbei. Die haben oft so schöne, alte Gebäude, das ist mir schon gestern aus dem Zug aufgefallen. Da habe ich ein paar Fotos gemacht…
Bald fängt es zu regnen an, nicht so stark, ich zieh den Poncho an. Obwohl ich mich extra nicht so warm angezogen habe, fange ich bald an zu schwitzen und ich bin froh, dass es vor der Steigung aufhört zu regnen, so dass ich mich wieder aus dem Poncho schälen kann.
In jedem Dorf gibt es Denkmal für die Gefallenen des ersten Weltkrieges. Hier verlief die Front im Gebirgskrieg zwischen Österreich-Ungarn und Italien zwischen 1915 und 1917. Es soll ein gutes Museum geben, aber da ich zu Fuss unterwegs bin, kann ich nicht alles machen.
Da heute Sonntag ist, treffe ich im Wald sogar ein paar Leute, die Kastanien sammeln und ausserdem einige Jäger..
Meine heutige Unterkunft ist in Malonno. Das liegt im Tal und ich wandere hoch oben am Hang daran vorbei. Ich habe mit meinem Vermieter, Walter, abgemacht, dass er mich in Berzo-Demo abholt. Morgen wird er mich wieder dahin bringen, abends noch einmal abholen und am Tag darauf wieder bringen. Ist zwar ein bisschen umständlich, aber in diesen Bergkäffchen gibt’s halt nicht viele Möglichkeiten in dieser Jahreszeit.
Laut Wetterbericht regnets jetzt drei Tage lang. Deshalb mache ich einen Abstecher nach Capo di Ponte, wo es berühmte Felsenbilder hat.
Ich nehme den Zug von Edolo aus. Die Fahrt dauert eine knappe halbe Stunde dem Fluss Oglio entlang. Wo sich das Tal verengt, wird der Fluss wilder und der Zug fährt durch ein paar Tunnels.
In Capo di Ponte suche ich die Info, finde sie aber nicht und gehe zum Museum, nur um festzustellen, dass es am Samstag erst um 14 Uhr öffnet. (Es ist jetzt 10:30) Eigentlich hätte ich ja wissen müssen, dass ich hier genau planen und mich bestens informieren muss, weil man nie weiss…. Die Öffnungszeiten sind täglich anders!
In einem Kiosk erkundige ich mich und der Herr ist sehr nett und findet, die Info sei zu weit weg zu Fuss 😉 Er gibt mir Hinweise, was ich unternehmen kann und wie ich dahinkomme.
Eine schöne alte Steinkirche thront über dem Fluss. Ich überquere die Brücke und wandere die Strasse hinauf. Es regnet immer mehr und ich ziehe den Regenponcho über, das hätte ich besser von Anfang an gemacht…
In einem kleinen Tal hinter einem Felsrücken komme ich zu einer Ausgrabungsstätte. Da liegen zwei grosse Felsbrocken mit eingeritzten Bildern. Die Zeitspanne, in der diese Felsenbilder angefertig worden sind, erstreckt sich über ca 8000 Jahre. Von hier aus ist es gar nicht weit zu einem archäologischen Park mit vielen Felspartien, die voll sind mit solchen Bildern.
Ich gehe zur Kasse. Der junge Mann meint, es sei nicht gerade das beste Wetter, um sich die Bilder anzuschauen. Da hat er zwar recht, aber wenn das Wetter gut wäre wäre ich wohl nicht hier, sondern auf Wanderschaft. Immerhin habe ich für einen Moment seine Langeweile unterbrochen.
Natürlich bin ich weit und breit die einzige, die da im Regen rumstoffelt, deshalb kann ich mir alles in Ruhe ansehen. Wahrscheinlich ist es ein Nachteil, dass alles nass ist und glänzt, vielleicht würde man es besser sehen in trockenem Zustand, trotzdem kraxle ich etwa zwei Stunden rum.
Es hat viele Menschen- und Tierbilder, va. kriegerische Szenen oder von der Jagd, aber auch vom Pflügen und manchmal auch geometrische Formen, Gitter oder Kreise. Ich habe auch ein paar Fotos gemacht. Obwohl man es nicht so gut sieht, gibt es vielleicht einen kleinen Eindruck.
Am Ende setze ich mich an einen Picknicktisch unter einem Pavillon und verzehre gemütlich meinen mitgebrachten Zmittag. Kaum habe ich zusammengepackt, fängt es wieder heftiger an zu regnen.
Ich gehe noch zur Steinkirche, in die man leider nicht hinein kann.
Schliesslich setze ich mich in eine Bar und trinke einen Tee zum Aufwärmen. Es sind viele Männer hier, ein paar spielen Karten und diskussieren nach jeder Runde heftig. Es ist spannend die Gesichter während des Spiels und beim Disput zu beobachten. Es ist wie wenn Fanatiker jassen ;-))
Einer regt sich furchtbar über seinen Partner auf und brüllt jedesmal. Verstehen kann ich zwar praktisch nichts, weil sie auch diesen seltsamen Dialekt sprechen. Da kommen viele ü drin vor, was eigentlich gar nicht italienisch ist und der Tonfall ist auch fremd.
Die Karten sind auch anders als alle, die ich kenne. Sie sind schmal und hoch und haben seltsame Symbole, nur einen König kann ich erkennen. Die Spielregeln kann ich nicht nachvollziehen, die müsste mir schon jemand erklären.
Nachher gehe ich zum Bahnhof, weil ich nicht mehr ins Museum mag, und muss feststellen, dass ich den Zug um 10 Minuten verpasst habe und der nächste in zwei Stunden fährt. Es müsste meines Wissens auch einen Bus geben. Ich frage in der Bar nach. Der Besitzer kommt mit mir zur Busstation und wir schauen uns den Fahrplan an. Um vier sollte einer kommen, das ist immerhin 40 Minuten früher als der Zug. Als ich jedoch da warte, kommt und kommt kein Bus. Ich studiere nochmals den Fahrplan und stelle fest, dass dieser Bus am Wochenende nicht fährt. Ha ha – nun muss ich doch auf den Zug warten.
Zurück im Hotel fange ich an, eine Unterkunft für morgen zu suchen. Entweder wird die Webseite nicht gefunden, was hier oft vorkommt, oder die Telefonnummer ist nicht mehr gültig oder sie haben zu wegen Ferien oder…. denk dir was aus!
Am Ende finde ich dann doch noch etwas, aber natürlich nicht da, wo ich eigentlich wollte, d.h. ich muss zusehen, wie ich von und zur Route komme. Aber immerhin!
Nach der gestrigen ca 7 1/2 stündigen Tour schone ich mich heute, da meine Ferse nicht so Freude hatte.
Mein Hotel steht gleich am Fluss Oglio, bei einem Wasserfall. Auch bei geschlossenem Fenster höre ich das Rauschen.
Ich mache einen Spaziergang durch die Altstadt mit ihren engen, gepflasterten Gassen, gehe in die Kirche und bestaune die Fresken. Diese Kirche gefällt mir. Sie ist nicht so überladen mit Prunk und Protz, sondern kommt viel bescheidener daher und ist auch heller als die meisten anderen.
Ich nehme den Bus nach Cortenedolo, wo ich gestern Abend in der Bar gelandet bin. Von dort starte ich in Richtung Edolo. Ich habe nur mein Minirucksäcklein dabei.
Ich wandere durch das Dorf, das noch engere und kleinere Gässchen und Durchgänge hat. Mein erstes Ziel ist die Kirche, da soll es auch Malereien geben. Ich muss zugeben, sie gefällt mir nicht: extrem düster und überladen, da fühle ich mich nicht wohl.
Auf einem schmalen Strässchen gehe ich aus dem Dorf. Es verläuft am Hang. In einem Taleinschnitt überquere ich einen Bach, der hier eine enge Schlucht gegraben hat. Sieht toll aus, wird aber leider offenbar auch mal als Abfalldeponie missbraucht. Das Zeug kriegt man nicht mehr raus, weil man gar nicht hinuntersteigen kann.
Etwas weiter komme ich zu einem Kirchlein, das wahrscheinlich dem Zusammenbruch nahe ist, jedenfalls darf man nicht hinein.
Langsam steige ich höher. Da es heute nicht so sonnig ist, leuchten auch die Farben weniger. Trotzdem ist der Blick ins Tal und auf die gegenüberliegenden Berge schön.
In Vico verlasse ich meine Route und gehe durch das Dörfchen und zur Kirche hoch, die allerdings geschlossen ist.
Bis jetzt habe ich meine Routen immer auf komoot geplant, aber nie aufgezeichnet. Gestern wollte ich das erstmals machen, habe es aber nicht geschafft, die Route aufzuzeichnen und gleichzeitig die geplante Tour zu konsultieren. So blöd, was nützt mir die Aufzeichnung, wenn ich mich dann verirre?
Heute versuche ich es wieder. Es muss doch möglich sein. Ich entscheide mich, die Navigation einzuschalten, einfach, um es einmal auszuprobieren. Eigentlich brauche ich das ja nicht, dass mir ständig eine Stimme erzählt, wo ich laufen muss. Ist ja wirklich ein bisschen bescheuert. Ich bin aber angenehm überrascht, dass das ziemlich unaufdringlich abläuft und wenn man immer auf dem gleichen Weg läuft, hat sie ja auch nichts zu sagen. Und das Gute: Die Strecke wird gleichzeitig aufgezeichnet und ich kann sie speichern.
In Vico jedoch verlasse ich, wie gesagt, kurz die Route, weil ich zur Kirche hinauf will. Da erzählt mir die Stimme ständig, ich hätte die Route verlassen, sie sei 30m rechts von mir und kein Internet zum Umplanen, ich müsse umkehren….
Natürlich bin ich bald wieder auf dem richtigen Weg und sie kann sich wieder beruhigen 😉
Irgendwann muss ich steil bergauf auf einem unebenen Weg und dann den Hang entlang auf einem Wiesenweglein bis zu einem Bildstock, hoch über Edolo. Hier mache ich Rast, esse etwas kleines und geniesse die Aussicht.
Da ich kurz vor meiner Reise noch ganz spontan einen Urban Scetching Kurs besucht habe, habe ich kurzerhand noch ein paar Zeichnungssachen eingepackt und wage mich jetzt an meine erste Zeichnung auf dieser Wanderung. Na ja – ich muss noch üben…
Am Ende des Weges muss ich ganz steil runter. Der Weg ist voller Blätter und Kastanien. Letztere bilden ein Kugellager und ich muss höllisch aufpassen, dass ich nicht ausrutsche. Hier könnte ich tonnenweise Kastanien sammeln. Es reut mich fast, sie einfach liegen zu lassen. Nur, was soll ich damit? Ich bekomme aber Lust auf heisse Marroni, ganz heiss!
In Edolo unten setze ich meinen Stadtrundgang fort und gehe auch zur Chiesa Santa Maria Nascente. Von hier oben hat man einen schönen Blick über die Dächer.
Heute gehe ich es gemütlich an, ist doch die Wanderung nach Trivigno nur ca 3 3/4 Stunden lang. Ein wunderschöner Tag erwartet mich.
Während ich das erste Stück noch durch Tirano wandere, schaue ich durch die Tore in die Hinterhöfe hinein. Bei den alten Häusern gibt es meistens einen gewölbten Durchgang in den Hof und manchmal hinten raus in den Garten.
Dann geht es bergwärts zu einer Burgruine. Von hier schweift der Blick über Tirano, die Rebhänge und hinein ins Puschlav bis zum Bernina.
Ich höre den Zug der Rhb pfeifen, mehrmals und lange. Er fährt mitten durch die Stadt und überquert einen grossen Platz, in den mehrere Strassen münden. Damit ja nichts passiert gibt’s ein Gebimbel und der Zug pfeift und fährt im Schritttempo. Das weckt ein bisschen nostalgische Gefühle, ist es doch wie früher, als jeder Zug bei den unbewachten Bahnübergängen pfiff. Allerdings stelle ich mir vor, dass es gar nicht lustig ist, wenn man da wohnt und dieser Lärm mehrmals stündlich stattfindet. Der einzige Trost ist, dass nachts kein Zug fährt….
Oberhalb der Burg führt der Weg in den Wald mit seinen herbstlichen Farben, Kastanien und Pilzen. Nun muss ich bis Trivigno fast 1300 Höhenmeter hinaufsteigen. Diese ganze Strecke legt man auf einem alten, steilen, gepflasterten Weg im Zickzack zurück. Ich treffe keine Menschenseele.
Trivigno liegt auf einer schönen, sonnigen Terasse, perfekt, um den Rest dieses wunderbaren Tages faulenzend zu verbringen. Nur leider hat das Hotel zu! Ich habe es draufankommen lassen und bin prompt reingefallen. Ich treffe ein älteres Paar, die fragen, ob ich etwas brauche. Ich lache und sage: Ja ein Bett, ich wollte hier übernachten. Oh je, da könne man nichts machen, viel Glück!
Etwas weiter oben treffe ich einen Mann, den ich frage, ob es hier in der Nähe eine Übernachtungsmöglichkeit gebe. Er verneint und fragt, woher ich gekommen sei – von Tirano – Complimenti – Morgen wollte ich bis Edolo wandern – Das schaffen Sie schon noch, in vier Stunden sind Sie da…
Das dumme ist nur, dass meine App sagt, sechseinhalb Stunden, 20km und es ist schon 14:45. Na gut, meint er, in fünf Stunden ist das zu schaffen, es geht fast nur noch abwärts.
Ich weiss jedoch, dass meine App ziemlich genaue Prognosen macht und wenn es steil runter geht, bin ich langsam, das ist nicht mein Ding.
In dem Moment kommt mir leider nicht in den Sinn, dass ich ein Taxi von Tirano kommen lassen könnte und beschliesse, halt weiterzuwandern. Die Bäume leuchten und die Aussicht gegen Süden ins Adamellomassiv, bis 3350m hoch, Ogliolo-Tal und in die Bergamasker Alpen ist fantastisch! Das einzige, worüber man meckern könnte, ist, dass die Strasse asphaltiert ist, aber die Aussicht und die goldene Stimmung machen das mehr als wett!
Es wäre auch kein Problem, wenn meine Ferse nicht wieder anfangen würde zu schmerzen. Von der Kondition her, kann ich es gut machen, fürchte aber ein bisschen, dass ich meine Ferse ruiniere.
Deshalb beschliesse ich, irgendwo eine Pause einzulegen und nach Edolo zu telefonieren um ein Hotelzimmer zu reservieren und mich vielleicht irgendwo abholen zu lassen. Bei einer Nummer kommt eine Ansage, die ich nicht verstehe und bei der anderen kommt eine Automatenstimme und sagt mir, ich solle den Code eingeben. Hä – was für ein Code?
Nun, da bleibt mir wohl doch nichts anderes übrig, als auf meinen Füssen ins Tal hinunterzuwackeln, nach Cortenedolo, und zu hoffen, dass ich da ein Restaurant oder vielleicht sogar ein Hotel finde.
Tatsächlich gibt es hier eine Pizzeria/Trattoria – nur leider geschlossen wegen Ferien! Gut, dann gehe ich halt mal in die Bar und frage, ob es was in der Nähe gibt. Ja, im nächsten Dorf (nur leider in der falschen Richtung – aber egal) Restaurant und Hotel in einem. Ich frage die junge Frau, ob sie sicher sei, dass die geöffnet haben, denn es ist doch noch ein Stück und ich bin schon mehr als 7 Stunden gewandert. Sie meint, ja es sei offen, ruft dann aber vorsichtshalber noch jemanden an und siehe da: Heute gschlossen. Ich frage die Männer vor der Bar, ob es ein Taxi gebe – Nein – in Edolo? – Nein, auch nicht. Wundert mich ja eigentlich nicht, wo doch jeder ein Auto hat.
Es gibt ein paar Mal am Tag einen Bus, der letzte ist vor einer halben Stunde gefahren.
In Frankreich hätte ich gar nicht so lange rumfragen müssen, da hätte schon lange jemand gesagt: Wissen Sie was? Ich fahre Sie schnell hin. Aber nicht hier!
Die junge Frau an der Bar sagt, sie könne mich gerne hinfahren, aber leider erst nach der Arbeit, so um 21:45. Für mich wäre das ok, wenn ich wüsste, dass ich ein Zimmer habe. Also wird nochmals gesucht. Sie gibt mir die Nummer vom Eurohotel. Da habe ich es zwar schon versucht, aber sie hat eine andere Nummer – interessant – und tatsächlich nimmt jetzt jemand ab und ich kriege ein Zimmer – uff!
Es war mir schon klar, dass es in Italien schwierig sein würde, eine Unterkunft zu finden, besonders in dieser Jahreszeit, aber hier im Norden hatte ich es nicht erwartet. Und dass die Leute so wenig hilfsbereit sind, auch nicht. Die junge Frau an der Bar hat sogar einige der Männer gefragt, ob mich einer nach Edolo fahren könnte (5 Min) Keiner wollte. Ich hätte ja auch bezahlt. Ist auch eine Erfahrung.
Beim Warten sortiere ich meine Fotos, mache Collagen und fange an zu schreiben.
Nach und nach kommen mehrere Männer rein. Sie unterhalten sich und ich verstehe nichts. Die haben einen extremen, seltsamen Dialekt, nicht nur von der Sprache her, sondern auch vom Tonfall. Sie schreien oft beim Reden, jedoch nicht, weil sie eine heftige Diskussion hätten…
Die nette, junge Frau nimmt mich auf dem Nachhauseweg mit und lädt mich in Edolo ab. Vielen Dank!!
Um 10 Uhr bin ich dann endlich im Hotel, wo mich eine nette Dame an der Reception empfängt.
Heute geht’s endlich Richtung Süden. Mit dem Zug wieder nach Campascio, wo ich mit der Wanderung aufgehört habe, und von da nach Tirano.
Heute früh in St. Peter
Zur Zugfahrt brauche ich nicht viel zu sagen, gleiche Szenerie, aber ein Monat später. Die Farben haben sich verändert. Alles leuchtet golden und das Wetter ist perfekt: blauer Himmel, aber doch noch ein paar Nebelschwaden und Wolken um die Berge herum.
Der blaue Himmel, frisch verschneite Gipfel und goldene Lärchen, eine traumhafte Kombination. Es ist überwältigend!
Zum Glück habe ich die Alpenüberquerung schon vor ein paar Wochen gemacht. Nun liegt in den höheren Lagen überall Schnee. Schon in Preda fängts an, über den Pass wär’s jetzt schwierig.
2. Bild links: Über diesen Pass bin ich vor einem knappen Monat gewandert
Was ich vielleicht noch nicht erwähnt habe: Der Stausee auf dem Bernina Pass, der Lago Bianco, ist speziell, da er an beiden Enden eine Staumauer hat.
Bernina, Lago Bianco
Palüsee, Lago di Poschiavo, Kreisviadukt, Brusio
Von Campascio aus wandere ich gemütlich gen Tirano. Ich hatte es mir steiler vorgestellt. Das hätte ich letztes Mal auch noch machen können. Aber nun ist es ein gutes Einlaufen für den morgigen Start.
Der trenino rosso überquert den Platz hinter der Wallfahrtskirche
Tirano ist nichts Spezielles. Ich besuche die Wallfahrtskirche Madonna di Tirano, von aussen ist sie schön, innen erschlägt es einen fast. Alles ist schwer und überladen, wie so oft.
In der Altstadt gibt es zahlreiche schöne Palazzi, die aber schon wesentlich bessere Zeiten gesehen haben. Einige sind dem Zerfall nahe, was schade ist.
Mein Zug nach Hause fährt ca um halb zwölf. So habe ich noch etwas Zeit einen kleinen Rundgang durch Poschiavo zu machen. Es ist wirklich schön und hat einige herrschaftliche Häuser, gebaut von Leuten, die in der Fremde als Zuckerbäcker reich geworden und dann nach Hause gekommen sind und sich ein tolles Haus gebaut haben.
Um halb zwölf nehme ich den Zug. Ich wechsle also die Perspektive. Habe ich die letzten sieben Tage die Züge und die Bahnlinie von aussen betrachtet, schaue ich jetzt hinaus und nehme wahr, was man als Passagier mitbekommt von der Landschaft und den bemerkenswerten Linienführungen und Bauwerken.
Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind, mit ca 10 Jahren mit meiner Grossmutter von Pontresina nach Poschiavo gefahren bin. Es war Herbst und die Bäume standen in ihrer leuchtenden, herbstlichen Farbenpracht, während wir im Zug in grossen Serpentinen vom Bernina ins Puschlav hinunterfuhren. Es hat mich damals tief berührt und ich habe es nie vergessen.
Diesmal bin ich noch ein bisschen zu früh, die Bäume fangen erst an, sich zu verfärben. Es ist auch so wunderschön und es macht Spass, die Touristen zu beobachten, wie sie nach jeder Kehre auf die andere Seite gehen, um zu fotografieren.
Wenn man hinausschaut, sieht man auch immer wieder Wanderer, die den Zug fotografieren und winken. Von innen und aussen wird geknipst.
Mir gefällt es, die Strecke entlang zu fahren, auf der ich gewandert bin und alles nochmals Revue passieren zu lassen, mich zu erinnern, wie die Route und das Wetter waren und wie ich mich gefühlt habe….
Mit grosser Dankbarkeit und Zufriedenheit stelle ich wieder einmal fest, in welch unglaublich schönem und vielfältigen Land ich lebe!
Da ich auf dem Hinweg erst bei Filisur auf die Albulalinie gestossen bin, habe ich jetzt noch einen bahntechnischen Höhepunkt vor mir, den ich noch nicht gesehen habe: Das Landwasserviadukt.
Man kann sich fast nicht vorstellen, wie so etwas vor mehr als hundert Jahren gebaut werden konnte, auch wenn ich weiss, wie es gemacht wurde, finde ich es doch staunenswert.
Nun hoffe ich, dass ich rechtzeitig von Tirano aus weiterwandern kann, so dass ich nicht allzu spät in Cupra ankommen werde….
Da ich mich ein bisschen lädiert fühle und sowieso noch einmal hier übernachte, packe ich nur mein Minirucksäcklein mit dem Allernötigsten: Proviant und Regenschutz und mache mich auf den Weg Richtung Tirano.
Ich weiss jetzt schon, dass ich wahrscheinlich nicht ganz bis dorthin wandern werde, sondern nur bis Brusio.
Heute gehe ich sozusagen den Weg, des geringsten Widerstandes. Ich mache nur einen Spaziergang im Tal durch die Dörfer, anstatt den schönen Wanderweg in der Höhe über S. Romerio zu nehmen, da ich meine Beine schonen möchte. Ich fahre zwar morgen nach Hause, möchte dann aber später die Wanderung fortsetzen, muss also vorsichtig sein.
Beim See mache ich eine kleine Rast und geniesse die Sonne und den Anblick des Sees mit den Spiegelungen der gegenüberliegenden Hängen.
Nachher wandere ich auf der linken Seite des Sees, während Zug und Autos auf der anderen Seite fahren. Die offizielle Via Albula Bernina verläuft am anderen Ufer, ich habe jedoch keine Lust so nahe an der Strasse zu wandern.
Der Weg, den ich gewählt habe, verläuft immer ganz am Seeufer an einer steilen, felsigen Bergflanke entlang. Zweimal muss ich sogar durch einen Tunnel, wo es merklich kühler ist.
Gegen Ende des Sees finde ich ein schönes Plätzchen für meine Mittagsrast.
Nachher wird das Tal viel enger, sodass ich leider wieder den ganzen Verkehr höre. Erst bei Brusio wird es wieder etwas weiter. Weit genug, dass die Spirale des Bahntrassees nicht in den Berg verlegt werden musste, sodass man die Pirouette, die der Zug hinlegt, staunend beobachen kann. Eigentlich simpel – und doch faszinierend!
Ich gehe zum Kreisviadukt und mache ein paar Fotos.
Ich schätze, dass es etwa gleich weit ist, wieder zum Bahnhof Brusio zurück zu laufen oder abwärts zur nächsten Haltestelle, Campascio. Dort kommt zum Glück bald ein Zug. Das Timing stimmt hervorragend und ich tuckere wieder zurück nach Poschiavo.
Mit dem Zug fahre ich zum Bernina Hospiz. Es ist wärmer als ich erwartet habe und die Stimmung am See ist wunderschön. Die gegenüberliegenden Berge spiegeln sich im Wasser.
Ich wandere gemütlich zur Alp Grüm von wo man einen fantastischen Blick ins Val Poschiavo hat. Weit oben sieht man den Palügletscher und unten den leuchtend mintgrünen Palüsee.
Ich wähle den Pfad unterhalb des Sees, der an einem tosenden Wasserfall vorbeiführt und dann über die „Terasse“ von Cavaglio führt. Ein paar der Lärchen sind goldgelb während die meisten noch ganz grün sind und bestenfalls einzelne gelbe Zweiglein haben.
Hier mache ich meine Mittagsrast und geniesse die Sonne. Allerdings ziehen immer wieder Wolken vorbei, dann ist es deutlich kühler. Plötzlich macht es zu und es wird richtig kalt. Ich packe schnell zusammen und gehe zum Gletschergarten. Schon fängt es an, zu tröpfeln. Zum Glück wird kein ernsthafter Regen daraus und es wird wieder warm.
Ich spaziere durch den Gletschergarten und bestaune die Gletschermühlen oder -töpfe. Die entstehen dort, wo der Gletscher nach einer flachen Passage über steiles Gelände fliesst und es dadurch grosse Risse gibt. Das Schmelzwasser kann so unter den Gletscher gelangen und gerät unter grossen Druck. Es fliesst sehr schnell und führt Sand und Kies mit sich. Bei Unebenheiten des Untergrundes gibt es Wirbel und das Wasser mit Quarzsand schleift Löcher hinein. Später füllen sich diese Löcher mit Steinen und Erde.
Freiwillige haben diese Löcher ohne Maschinen, nur mit Schaufeln, ausgegraben und den Gletschergarten angelegt. Es gibt auch einen kleinen Pflanzenteil und eine Aussichtsplattform von der man ins Tal hinunter sieht bis zum Poschiavosee. Durch ein Fernrohr kann man fast in Poschiavos Gassen schauen….
Unterhalb der Eisenbahnbrücke gibt es noch eine Plattform, von der aus man den wilden Fluss bestaunen kann. Auch hier gibt es Töpfe, das Wasser sprudelt und wirbelt und man kann sich gut vorstellen, dass es die Felsen bearbeitet und formt.
Nun geht der Weg durch den Wald hinunter. Immer wieder hört man einen Zug mal oberhalb, mal unterhalb, mal rechts oder links. Er fährt hier in mehreren grossen Serpentinen hinauf oder hinunter.
Immer wieder regnet es leicht, aber stellenweise scheint auch die Sonne. Poschiavo ist meistens beleuchtet. Ich blicke zurück und die Berge sind in dunkle Wolken gehüllt. Bald erscheint ein Regenbogen…
Schliesslich erreiche ich Poschiavo und zur Belohnung gibt’s ein leckeres Eis.
Beim ersten Blick aus dem Fenster sehe ich einen von der strahlenden Morgensonne beleuchteten Berggipfel und blauen Himmel! Beim Zmorge sehe ich nur noch weisse Sosse, der Blick reicht kaum zum nächsten Haus. Zum Glück wird es aber bald wieder besser.
Bis Morteratsch ist es eine gemütliche Wanderung. Die Lärchen fangen an, gelb zu werden, aber nicht wie normalerweise von der Spitze her, sondern es gibt einzelne Zweiglein die schon gelb leuchten, der Rest ist immer noch frisch grün.
Von der Bahnstation aus sieht man nichts vom Gletscher. Es ist schon erschreckend, wie sehr er geschrumpft ist. Ich bin vor Jahren mal zum Gletscher gewandert. Das ist ein rechtes Stück, und dünn ist er auch geworden. Das sollte uns wirklich zu denken geben….
Nun kommt das schönste Stück der Strecke. Das Wasser des Ova da Bernina hüpft und springt und rauscht laut über Stock und Stein. Es ist gewaltig und wunderschön. Ich könnte mich hinsetzen und stundenlang zusehen…
Die Strecke von Bernina Suot über Diavolezza, Lagalp bis Hospiz zieht sich und es bläst ein richtig kalter Wind, aber die Sicht auf die verschneiten Berge ist schon unglaublich schön! Zum Essen muss ich mir allerdings einen geschützten Platz suchen und bin auch so ziemlich durchgefroren bis ich fertig bin. Mit Siesta wird nichts.
Oben beim Lago Bianco gehe ich rechts rum und muss so gut 3/4 des Sees umrunden. Das Panorama ist eindrücklich und die schmucken roten Züge sehen winzig aus vor dieser Kulisse!
Dann nehme ich den Zug zurück bis Morteratsch. Ich habe mit Giacobina abgemacht, in der Käserei ein Käseplättli zu essen. Beim Bahnhof empfängt sie mich. Es ist viel zu kalt, um draussen zu sitzen und wir fahren mit dem Auto wieder rauf zum Hospiz und gehen in die Cambrenahütte zu einem frühen Znacht.
Nachher übernachte ich nochmals bei Giacobina und werde morgen wieder mit dem Zug hinauffahren, um dort weiterzumachen, wo ich heute aufgehört habe.
Ich wusste ja, dass es heute regnen würde, es ist aber noch schlimmer: es regnet aus Kübeln und ist grau verhangen. Eigentlich wollte ich bis Morteratsch, habe aber gemerkt, dass ich noch ein bisschen einkaufen muss. Mein erster Gedanke war, von Morteratsch mit dem Zug zurück nach Pontresina zu fahren, dort zu übernachten, einzukaufen und am Morgen mit dem Zug wieder nach Morteratsch zu fahren, angesichts des Wetters jedoch, beschliesse ich, nur bis Pontresina zu wandern. Ausserdem ist Giacobina in Pontresina, da kann ich sie besuchen und sie lädt mich ein, bei ihr zu schlafen.
Laut Wetterbericht regnet’s den ganzen Vormittag. Um 12 Uhr fallen Schneefetzen vom Himmel, doch dann wird es besser. Es regnet zwar immer noch, aber wesentlich weniger. Ich montiere Regenhose Halstuch, Jacke und zum Schluss noch den Poncho über alles, auch den Rucksack. Der Poncho ist eine wirklich gute Sache. Er schützt nicht nur mich, sondern auch den Rucksack und meine Hände sind auch versorgt und vor dem Wind geschützt, das macht viel aus, ausserdem kann ich darunter hantieren, ohne dass alles nass wird und meine Chlüppli abfrieren.
So starte ich frohgemut. Am Anfang ist es ein Märchenweg. Es gibt immer wieder Sitzgelenheiten, die im Kreis arrangiert sind und ein Märchenbuch, ein Ringbuch aus Metall.
Der Weg ist schön und einfach, wird sogar zu einem Strässchen. Ich wandere immer auf der 33 Via Albula Bernina und komme so nach Bever. Nachher sehe ich, dass meine App eine Abkürzung vorgeschlagen hat, der Abstecher hat sich jedoch gelohnt, es gibt schöne alte Häuser und Plätze in Bever.
Jetzt, wo sich der Nebel lichtet sehe ich, dass die Berge verschneit sind. Wie gut, dass ich ein bisschen Gas gegeben hatte und von Filisur direkt nach Preda gewandert war, denn heute hätte ich nicht über den Pass kraxeln wollen…..
Nun geht’s Richtung Samedan am Inn entlang, den man hier aber nicht so oft sieht, dafür hört man die Autostrasse umso besser. Nach Samedan kann man dem alten Flaz entlang wandern, der renaturiert wurde und wunderschön ist. Nun hat es auch aufgehört zu regnen und ich kriege warm unter meiner Montur.
Irgendwo am Flaz finde ich trockene Steine und mache Rast, bevor ich nach Pontresina laufe, wo ich einkaufe und bei Giacobina einkehre. Schön, sie wieder zu sehen!
Heute steht mir wieder eine „gäche“ Tour bevor, 5h, das geht noch, aber es geht von 1760m wieder bis auf fast 2500m zur Fuorcla Crap Alv hoch mit einigen steilen Stücken. Ich habe Respekt, denn gestern war ich ziemlich müde nach der langen Tour.
Leider hat das Wetter umgeschlagen, es ist heute nicht mehr so schön und es weht ein frischer Wind vom Pass herunter.
Zuerst steige ich zum Lai da Palpuogna hinauf, das ist ein wunderschöner See, an dessen Ufer man bis zum anderen Ende wandert. Dann gehts wieder steil hinauf zur Alp Crap (Alp Weissenstein) und weiter am Hang durch Geröllfelder. Unten im Talkessel liegen ein paar kleine Seen. Bald überquere ich die Strasse und wandere Richtung Pass. Die Berghänge leuchten in gelb-orange-rot, dazwischen die grünen Bergföhren. Es sieht fantastisch aus. So eine Farbenpracht in dieser sonst so kargen Landschaft. Plötzlich liegt ein Juwel vor mir: ein glänzend blau-grüner See inmitten der in warmen Farben leuchtenden Vegetation. Ein toller Kontrast. Leider bläst ein eklig kalter Wind hier. Es sind einige Leute hier, die von der Strasse hier heraufgekommen sind, um am See zu picknicken, aber alle sehen ziemlich verfroren aus.
Weiter geht’s steil hinauf, langsam aber sicher merke ich meine Beine. Ich brauche eine Pause. Kurz vor der Passhöhe finde ich ein windgeschützte Stelle und esse meinen Zmittag. Für meine Siesta ist es mir aber doch zu kalt und ich gehe bald weiter.
Auf der anderen Seite der Fuorcla Crap Alv hat man eine tolle Sicht ins Val Bever. Ein wunderschönes Tal mit lichtem Wald, Wiesen und einem rauschenden Fluss. Der Abstieg ist anstrengend. Ich muss mich richtig konzentrieren, um nicht zu rutschen und manchmal gibt es hohe Tritte.
Unten am Fluss geniesse ich den Anblick, suche eine schöne Wiese am Wasser und hole meine Siesta nach.
Dann wandere ich im Tal runter nach Spinas, das beim Südportal des Albulatunnels liegt.
Eigentlich hatte ich heute nur vor, bis Bergün zu wandern, doch die Receptionistin fragt, ob ich bis Preda laufe, und da denke ich plötzlich, dass das eigentlich gut möglich wäre. So wäre ich auch wieder voll im Fahrplan 😉
Ab jetzt werde ich auf der Albula Bernina Route wandern, das heisst immer mehr oder weniger der UNESCO Welterbe Bahnlinie Albula Bernina entlang bis Tirano.
Die einzige Strecke, an der ich nicht der Bahnlinie folgen kann, ist, wenn sie durch den Albulatunnel führt und ich über den Berg muss.
Ich beschliesse, vorerst bis Bergün zu wandern und dann zu entscheiden. In Bergün bin ich dann aber hin- und hergerissen. Wenn ich hier bleibe, habe ich morgen entweder eine Monster- oder eine Minietappe. Monster mag ich nicht und wenn ich eine kurze mache, was mache ich dann in Preda den ganzen Tag?
So statte ich dem Kurhaus einen kurzen Besuch ab und bewundere den Festsaal, ausserdem gehe ich in die Kirche, die eine bemalte Decke hat. Sehr schön!
Dann mache ich mich auf die Socken Richtung Preda. Es ist ein schöner Weg, mehr oder weniger hoch dem Fluss Albula entlang. Auf der anderen Seite befindet sich die Strasse, die man leider meistens hört…
Der Wanderweg, die Via Albula Bernina, ist gleichzeitig auch der Bahnlehrpfad. Es gibt immer wieder grosse Tafeln, auf denen verschiedene Themen bezüglich der Eisenbahn vorgestellt werden: zur Geschichte, dem Bau, aber auch Technisches oder über die Menschen, die beim Bau der Bahn mitgewirkt haben.
Die Bahn ist wirklich sehr interessant mit den vielen Kehr- und Spiraltunnels. Das hat mich schon immer fasziniert, aber jetzt, wo ich den Streckenverlauf sehe und all die Informationen lese, finde ich es richtig spannend. Da sieht man einen Zug, der plötzlich verschwindet und dann ein Stück weiter oben wieder aus dem Berg kommt, das Tal überquert, wieder verschwindet und dann in die andere Richtung wieder erscheint. Wahnsinn!
Natürlich brauche ich länger, weil ich alles lese und immer wieder beobachte, wie und wo der Zug erscheint, dafür ist es kurzweilig und sehr interessant!
In Preda kehre ich im Sonnenboden ein und frage nach einem Zimmer. Es ist sehr gemütlich hier.
Eigentlich wollte ich ja nach Bergün wandern, 5 1/2 Stunden mit 3 steilen Stücken, aber dazu fühle ich mich nicht in der Lage. Leider bestimmen die Übernachtungsmöglichkeiten die Etappenlänge und nach Filisur dauerts nur 2h 20, was ein bisschen lächerlich ist…
Dafür mache ich einen kleinen Umweg um’s Dorf mit einem Abstecher zu einem prächtigen Wasserfall. Auch der Weg ist sehr schön, durch Wald und über eine Wiese. Dann gelange ich zum Bärentritt. Ich habe keine Ahnung, was mich da erwartet.
Es ist ein Aussichtspunkt, von dem aus man in die Landwasserschlucht blickt und gleich darunter sind zwei Wasserfälle übereinander und dazwischen erblickt man einen Tunnel und ein kleines Stück Geleise. Ich erfahre von jemandem, dass bald ein Zug kommen soll. So warte ich und es gelingt mir, die Lok zu fotografieren, als sie grad aus dem Tunnel kommt. Auf der anderen Seite der kurzen Brücke verschwindet sie sogleich im nächsten Tunnel. Es ist ein Nostalgiezug mit Krokodillok und alten Wagen.
Nachher gehe ich oberhalb der Wasserfälle über eine kleine Brücke und auf der anderen Seite Richtung Wiesener Bahnhof. An einem vorspringenden Punkt kann ich zurückblicken auf den Aussichtspunkt und den grossen Wasserfall. Sehr spektakulär!
Nach dem Bahnhof kann man über das Wiesener Viadukt gehen, was ziemlich eindrücklich ist, auch wenn man gewöhnt ist, über die Ossinger Eisenbahnbrücke zu gehen. Auf der anderen Seite gibt es auch wieder einen Aussichtspunkt auf das Viadukt. Die Konstruktion der Brücke mit ihren Bögen gefällt mir.
Der folgende Weg nach Filisur ist gemütlich und führt zuerst durch den Wald und am Schluss über Wiesen und bald bin ich im Dorf. Am oberen Hang sind Einfamilienhäuser neueren Datums und im Dorf unten bin ich überrascht, dass es aus lauter sehr alten, schönen engadiner Häusern besteht.
Im alten Dorfladen wird ein Projekt vorgestellt zum Landwasserviadukt, das ja schon seit einigen Jahren vermarktet wird, seit die Albulastrecke als UNESCO Welterbe anerkannt wird. Nun soll das noch grössere Ausmasse annehmen und tausende von Menschen anziehen, mit verschiedenen Projekten wie mehr Aussichtsplattformen, Nostalgiezugshuttle, Baumwipfelpfad, Biobauernhofwelt Badelandschaft usw. Ich habe mit einer Frau geyprochen, die in Filisur wohnt und da aufgewachsen ist. Das Ganze wird wohl wie alles zwei Seiten haben, Fortschritt, Arbeitsplätze, aber auch viiiele Leute bringen. Sie meinte, sie habe gelernt, dass solche Projekte immer auch Potential bergen, den Menschen im Tal Arbeit zu ermöglichen.
Ich nehme den Zug nach Arosa und starte von da kurz vor halb zehn. Leider ist es neblig und kalt, aber es soll ja besser werden.
Am Anfang sind noch mehr Leute unterwegs, aber die gehen auf der Talsohle talabwärts über die neue Brücke, während ich als einzige Richtung Welschtobel wandere und erst weiter hinten die Brücke quere und Richtung Wasserfall weitergehe. Dann geht’s wieder über eine kleine Brücke. Im Juni war sie noch nicht wieder in Stand gestellt, nachdem sie im Winter unter dem vielen Schnee zusammengebrochen war. Nun existiert sie zum Glück wieder und ich kann den steilen Aufstieg zum Alteinersee in Angriff nehmen. Nun, im steilen Gelände, merke ich, dass ich einen schwereren Rucksack trage als gewöhnlich, mit jedem Schritt muss ich das zusätzliche Gewicht hochhieven, ganz schön anstrengend!
Plötzlich schiessen zwei grosse Vögel aus einem Busch auf, dann noch einer und ein Stück weiter oben begegnet mir ein Jäger, der eine erlegte Gämse auf Schultern und Kopf trägt. Ich nehme an, die wiegt schon zwischen 30 und 40 kg, also eine eindrückliche Last, die er jetzt auf diesem sehr steilen und feuchten Pfad ins Tal tragen muss.
Langsam lichtet sich der Nebel und die Sonne dringt immer mehr durch. An den Bergflanken bleibt er zum Teil noch hängen.
Immer wieder habe ich das Gefühl, da oben komme eine kleine Fläche und da sei ganz bestimmt der See, aber immer wieder werde ich genarrt. Ich kraxle auch an einem Wasserfall vorbei, aber immer noch kein See.
Als ich dann endlich doch da bin ziehen genau Wolken und Nebel wieder herein und verdecken ihn fast. Schade! Ich hätte ihn gerne fotografiert mit einer Spiegelung des Valbellahorns. Das wird leider nichts.
Ich folge dem Wegweiser Richtung Wiesen (noch 3h) und sehe dabei nicht, dass noch auf einem anderen Wiesen stand. Das wäre die Route gewesen, die ich geplant habe. Ich merke es viel später, als ich nach einer Markierung Ausschau halte und keine finde. Erst da konsultiere ich meine Karte und merke mein Versehen. Nun ja, das ist ja nicht schlimm, da dieser Weg auch nach Wiesen führt. Ich fürchte nur, dass es auf der anderen Seite des Passes sehr steil ist.
Als ich ein Schneefeld vom letzten Winter fotografiere, sehe ich weiter oben Steinböcke, als Silhouette gegen den Himmel. Fantastisch! Es sind schon eindrückliche Tiere, auch wenn ich sie nur von sehr weit weg sehe….
Weiter kraxle ich den steilen Hang hoch, immer Ausschau haltend nach den Steinböcken, die hinüber ins Geröllfeld gezogen sind. Leider sehe ich sie nicht mehr, dafür kommt mir ein Biker entgegen. Die verrückten Kerle sind auch überall. Ich hätte Panik, wenn ich hier mit einem Bike runter müsste, aber die kennen nichts!
Der Weg führt mehr nach rechts, weg von der Geröllhalde. Plötzlich höre ich hinter mir Steine kullern und als ich mich umdrehe, sehe ich die Steinböcke wieder, mitten im Geröll. Eine Herde von ca 20 Tieren. Jetzt sehe ich sie klar, aber wenn man nichts von ihnen weiss, fallen sie überhaupt nicht auf zwischen dem Geröll, wirken einfach wie grössere Steinbrocken. Als sie merken, dass ich sie beobachte, bleiben sie stehen. Über eine halbe Stunde lang stehen sie wie angenagelt und rühren sich nicht.
Der Pass ist gut 2500m hoch und es gibt einen Wegweiser nach Wiesen: immer noch 3h!!! Seit dem letzten Wegweiser am See, auf dem auch 3h stand, bin ich mindestens eine Stunde lang steil bergauf gekraxelt und jetzt soll’s immer noch drei Stunden dauern?
Auf der anderen Seite wabert der Nebel, kommt und geht. Manchmal sieht man nur weiss und dann wird die Landschaft wieder sichtbar.
Und es geht wirklich sehr steil runter, aber der „sandige“ Weg führt auf einer Wiese im Zickzack runter, sodass es nicht so schlimm ist. Weiter unten, wo es flacher ist, mache ich meine Mittagspause. Ich höre die Munggen pfeifen und ein Vogelschwarm schiesst auf. Lauter kleine Vögelchen, die wild zwitschern. Bald lassen sie sich wieder im Gras nieder.
Der Abstieg zur Alp Wiesen zieht sich hin, ist jedoch wunderschön. Ich muss allerdings aufpassen, dass ich nicht rutsche. Ich sehe ein Murmeli über die Wiese rennen….
Etwas später besteht die Vegetation aus niedrigen Bergföhren, Erika und Alpenrosenbüschen. Ich sollte mal im Juli hier Wandern, sieht sicher wunderschön aus!
Nun habe ich langsam genug. Ich bin ko. Ist ja schon blöd, dass ausgerechnet die erste Etappe die längste, steilste und anstrengendste ist, wenn man sich noch nicht an den schweren Rucksack gewöhnt hat.
Von der Alp Wiesen geht’s nochmals eine Stunde lang auf einem steilen Strässchen abwärts und ich merke langsam mein Knie, auf das ich vor zwei Wochen gestürzt bin. Es ist auch wieder geschwollen…
Nun habe ich mir mein Bett redlich verdient, ich bin wirklich fast am Ende meiner Kräfte. Morgen ist nochmals eine so lange Etappe angesagt, nur etwas weniger steil. Uff – ich weiss nicht, ob ich das nochmals hinkriege!
Hier ist es viel hügeliger. Eine wunderschöne Gegend zum Wandern. Die Hügel sind überzogen von Steinmauern. Manchmal gibt es schmale Lücken, durch die wir durchschlüpfen können, die Kühe aber nicht, manchmal sind auch Treppchen eingebaut, sodass man über die Mauern steigen kann.
Wir machen drei schöne Wanderungen. Besonders ein kleines Flusstal hat es uns angetan, aber auch die winzig kleinen Dörfer sind so schön mit den Steinhäusern, manchmal mit Strohdächern und überall wachsen Kletterrosen und viele andere schöne Blumen. Eine Gegend zum verlieben.
Hier gibt’s gutes Eis, man beachte auf der Preisliste unten rechts, Polly’s Essentials
Ilam
20. – 23. Juni – London
Ich kaufe ein hop-on-hop-off Ticket und klappere so erst einmal einen guten Teil der Innenstadt ab, höre die Kommentare und entscheide, was ich mir so ansehen will.
Wenn ich irgendwo aussteige, lasse ich mich einfach treiben, ich habe nicht gross Pläne, was ich sehen will, ich gehe auch nicht in viele Gebäude oder Museen. Ich lasse einfach die Stadt auf mich wirken. Der Verkehr ist einfach unglaublich, dazu kommen die vielen Busse und Taxis!
Es gibt viele wunderschöne alte Häuser, ja ganze Häuserzeilen, aber es wird auch viel neu gebaut. Vorallem im Finanzdistrikt wird ein Hochhaus nach dem anderen hochgezogen.
Als Stadt hat mir Paris fast besser gefallen, aber die Parks in London sind super. Oft riesig, sodass man gut drin joggen und schlendern kann, ohne immer im Kreis laufen zu müssen. Es ist auch nirgends überfüllt und oft verstecken sich darin richtige Naturparadiese mit einer erstaunlichen Tierwelt, wenn man bedenkt, dass man mitten in einer Stadt ist.
Ich mache noch eine Flussfahrt nach Greenwich. Die Thames macht ein paar Kurven, so sieht man die Hochhäuser einmal auf der rechten, ein andermal auf der linken Seite und es eröffnen sich immer wieder neue Blickwinkel.
Vom Hügel, auf dem das Observatorium steht, geniesse ich einen tollen Blick über London. Das Wetter ist perfekt, die Sonne scheint und es weht eine kühle Brise.
Buckingham Palace
Parliament and Westminster Abbey
Greenwich
Zum Schluss
Nun ist meine grosse Wanderung zu Ende.
Ich habe viel Neues gesehen, erfahren und gelernt und viele wundervolle Begegnungen gehabt. Es war eine reiche Zeit.
Schätzungsweise 900 – 1000 km habe ich zu Fuss zurückgelegt und wenn ich nicht durch einen Termin eingeschränkt wäre, wäre ich gerne noch weiter gewandert.
Nun brüte ich ein paar neue Ideen für weitere Wanderungen aus. Eine davon gefällt mir besonders gut: vom Nordkap bis nach Sizilien – wie klingt das?
8. Juni – Von Dieppe FR nach Newhaven UK und Brighton UK
Ich muss spätestens um 11.30h am Fährenterminal sein und da ich eine halbe Stunde brauche, werde ich vorher nicht gross etwas unternehmen können. Ich muss auch noch ein bisschen umpacken und Handgepäck bereit haben, falls ich meinen Rucksack abgeben muss. Es könnte sowieso noch ein Prolem geben, weil ich zwei Messer dabei habe.
Den Rucksack muss ich tatsächlich abgeben, aber die Kontrollen sind lasch. Ich hätte ihn gut in den Bus nehmen können, der uns zur Fähre bringt, aber ich bin froh, dass ich ihn loswerde, sonst muss ich ihn ja die ganze Zeit hüten…
Auch heute hat es wieder Nebel und zwar ziemlich dicht. Ich hatte gehofft, dass ich wenigstens zum Abschied noch die Felsenküste geniessen könnte, aber auch daraus wird nichts. ADIEU la France!
Es hat mir sehr gut gefallen in diesem schönen Land. Die Natur hat noch sehr viel Platz, die Leute sind sehr hilfsbereit und nett und lassen auch mal fünf gerade sein, was sehr sympathisch ist. Es ist sehr sauber auf Strassen und Wegen, da kann sich die Schweiz eine Scheibe abschneiden, ausser was Hundekacke betrifft. Das ist echt ätzend. Am schlimmsten war es in Le Puy, da musste man auf Schritt und Tritt achtgeben, wohin man trat, obwohl eigentlich Pflicht ist, die Häufchen wegzuräumen. Zum Glück waren die Strassen und Trottoirs so uneben, dass man sowieso immer schauen musste. Am saubersten war es in Veules-les-Roses, da hingen überall Schildchen, dass es 35 Euro kostet, wenn man das Häufchen seines Lieblings liegenlässt.
Zum Abschied teile ich noch meine private Dohlendeckelsammlung aus Frankreich mit euch 😉
England begrüsst mich mit Sonnenschein! Auch hier gibt es Klippen, das sieht wunderschön aus. Nach der Landung muss ich zuerst Pfund besorgen, dann nehme ich den Zug nach Brighton. Hier lebt und wuselt es in den Strassen, es ist echt etwas los. Leider finde ich keine Touristeninfo, aber trotzdem ein Bett und erst noch grad am Strand.
Newhaven UK
Brighton
9. Juni – Brighton
Das Hostel ist heute voll und ich muss ausziehen, zum Glück finde ich gerade nebenan noch eine Jugendherberge und kriege da ein Bett. Hier ist es viel besser: weniger Bruchbude, kein Schimmel und nicht so voll.
Dann stürze ich mich ins Gewühl. Die Strassen und Gassen sind voller fröhlicher Leute, die das Leben geniessen. Es herrscht Ferienstimmung. Leider gibt es allerdings auch ziemlich viele Obdachlose, die in den Strassen schlafen.
In der Innenstadt gibt es unglaublich viele Pubs, Cafés und Restaurants, Buden, Stände und Läden. Man könnte sich totessen und -kaufen. Ich arbeite mich Richtung Bahnhof vor, da ich schon mal mein Zugbillet für morgen kaufen will.
Erst mal muss ich Schlange stehen und dann ist das ja extrem kompliziert mit den verschiedenen Preisen. Die Dame am Schalter sagt mir, das Ticket koste 80 Pfund, wenn ich es online löse, gäbe es eines für 40.
Ich telefoniere mit Nelly, meiner Cousine, und wir diskutieren das. Sie findet es aber nicht im Internet, dafür gibt es ein 1. Klass-ticket für 52. Schliesslich finde ich eines für 31, kann es aber mit meiner Karte nicht bezahlen und muss doch an den Schalter. Ich fürchte schon, dass es mich jetzt doch 80 kostet. Als ich aber sage, ich hätte dieses Billet für 31 gefunden, kann ich es doch plötzlich haben. Na so was, aber das ist ja super.
Ich schlendere kreuz und quer durch die Stadt und geniesse es, wieder einmal viele Leute und Betrieb um mich zu haben. Nach einem ausgezeichneten Nachtessen spaziere ich noch zum Strand und zum Pier, wo es viele Spielmaschinen gibt. Hier ist es laut, obwohl schon nicht mehr so viel läuft. Weiter draussen gibt es noch einen Chilbipark, der aber schon geschlossen ist.
10. Juni – Von Brighton nach Bourne
Da mein Zug erst kurz vor fünf fährt, kann ich noch richtig was unternehmen. Ich nehme den Bus, den Coastliner, und fahre zu den Seven Sisters. Das ist an der Felsenküste weiter ostwärts. Ich fahre ca 40 Minuten. Während der Fahrt komme ich mit einem Inder, Harish, ins Gespräch.
Am Ziel angekommen, ist das Visitor Center noch nicht offen, es gibt aber einen Prospekt in einem Spender mit einer Skizze der verschiedenen Wege. So wandern wir Richtung Küste. Ein Fluss windet sich durch das Tal, Leute paddeln oder laufen. Es ist malerisch. Wir machen gegenseitig ein paar Fotos.
Am Strand sieht man auf beiden Seiten die Klippen, es ist atemberaubend schön. Auf einer Seite sind sie fast weiss und wenn man Brocken aufliest kriegt man weisse Finger, es ist wie Wandtafelkreide.
Zwei Chinesen stehen am Strand. Wir haben sie schon vorher gesehen. Sie haben viele Fotos gemacht, gegenseitig und Selfies zusammen. Jetzt sehen wir, dass es auch noch andere Möglichkeiten gibt, Selfies zu machen. Der Mann packt eine Drohne aus, mit der er fotografieren kann. Aus allen möglichen Blickwinkeln werden jetzt die beiden vor den Klippen von der Drohne fotografiert.
Wir steigen noch auf die Klippen hinauf und geniessen den Blick der Küste entlang. Leider ist es nun schon Zeit zurückzufahren, denn auch Harish muss ungefähr zur gleichen Zeit auf den Zug und wir wollen noch auf den Turm.
Dummerweise erwischen wir einen langsamen Bus zurück, der üüüberall anhält und noch in die Dörfer fährt. Wir brauchen über eine Stunde.
Nun ist der Turm angesagt. Während wir darauf warten, dass die Kabine runterkommt und wir einsteigen können, gibt es Aufregung. Eine grosse Demo auf Fahrrädern, alle splitterfasernackt, na ja fast alle. Manche haben sich noch ein bisschen bemalt oder da und dort noch ein bisschen Stoff montiert. Es ist eine fröhliche Gesellschaft und erstaunlich viele, die da mitmachen. Soweit ich verstehen kann, geht es um die Freiheit, nackt zu sein.
Endlich können wir einsteigen und die Kabine fährt ganz langsam hoch. Man kann rundum laufen und überall die Aussicht bestaunen. Von hier sieht man gut die typischen langen Reihen von Häusern und weit, weit vorne die Klippen….
Wir verabschieden uns und jeder geht wieder seiner Wege. Ich gehe eine Kleinigkeit essen, hole dann meinen Rucksack und gehe gemütlich zum Bahnhof.
In London muss ich umsteigen, das heisst, ich muss per U-Bahn zu einem anderen Bahnhof. Alles ist super angeschrieben und klappt bestens. Im Kings Cross Bahnhof gibt es die berühmte Platform 9 3/4. Hier ist es allerdings nur ein Laden, der haufenweise Harry Potter Zeugs verscherbelt.
Umsteigen in London, Kings Cross
11. – 16. Juni – Von Bourne bis Cambridge
Nelly und Noël wohnen am Stadtrand in einem Haus mit grossem Garten.
Nelly und ich machen ein paar Wanderungen, gehen in die Stadt und einmal nach Cambridge und natürlich schwatzen wir unaufhörlich 😉
Grimsthorpe Castle
Wir wandern direkt vom Haus aus, bald sind wir auf dem Feld. Die Gegend ist recht flach, man muss froh sein, wenn es ein paar Wellen hat 😉
Wir kommen auf eine alte Eisenbahnlinie, die früher hier in einem Graben verlief. Jetzt ist das ein überwachsenes, stilles „Tal“. Allerdings müssen wir plötzlich durch die Brennesseln „waten“.
In der Nähe des Schlosses gibt es einen kleinen See mit einer schönen Brücke, die gerade renoviert wurde. Hier machen wir unsere Mittagspause mit Blick auf das Schloss. Viele Libellen fliegen um uns herum. Sie sind klein und leuchtend türkisblau.
Das Schloss ist imposant, allerdings von vorne sehr kahl. Auf der einen Seite gibt es jedoch einen schönen Blumengarten.
Rutland Water
In diesem Stausee gibt es eine Kirche, die halb unter Wasser ist. Um sie zu erhalten wurde sie teilweise aufgefüllt und rundum ein Inselchen aufgeschüttet.
Am anderen Ende des Sees befindet sich ein grosses Vogelreservat mit mehreren Lagunen und vielen Häuschen, in denen man sitzen kann um die Vögel zu beobachten.
Es gibt mehrere Fischadlerpaare, die hier brüten. In einem der Nester wurde eine Kamera angebracht, sodass man die jungen Adler sehen kann. Wir können auch die alten beim Fliegen beobachten. Einmal gehen sie auf einen Graureiher los, das ist spektakulär.
Ein anderer Vogel, der uns fasziniert, ist die Seeschwalbe. Von der Form her erinnert sie mich an einen Eisvogel, beim Fischen denke ich jedoch sofort an den Tölpel, den Andrea und ich auf den Galapagos beobachtet haben.
Die Seeschwalbe fliegt in hohem Tempo umher, plötzlich flattert sie und bleibt sozusagen in der Luft stehen, zieht den Kopf zurück und äugt ins Wasser. Dann schiesst sie wie ein Torpedo hinunter und stürzt kopfvoran ins Wasser. Manchmal macht sie auch kurz vor der Wasseroberfläche eine Wendung und fliegt wieder in die Höhe.
Auf einem Pfosten sitzt eine junge Seeschwalbe und macht einen Heidenlärm. Da kommt die Mutter und füttert sie im Flug.
Wir machen bei vielen Beobachtungsposten Halt und nehmen uns viel Zeit. Wir sehen viele Enten, Gänse, Möwen, verschiedene Reiher, Kormorane und Oystercatcher.
Cambridge
Ziemlich weit vor Cambridge parkieren wir bei einem Park and Ride und nehmen den Bus.
Der Bus fährt quasi auf Schienen. Sowas habe ich noch nie gesehen. Es sind zwei zementierte Spuren mit einem seitlichen Rand. Wie bei einer Seilbahn gibt es vorher zwei Metallbogen, die den Bus auf die Spur führen. Nachher muss der Fahrer nicht mehr lenken.
Ab und zu kreuzt eine Strasse die Busspur. Dann gibt es ein Signal, das immer sofort auf grün wechselt, wenn der Bus kommt. Auf der anderen Seite geht es wieder auf der Spur weiter. Eigentlich ist es wie ein Zug.
Cambridge ist absolut faszinierend. Die vielen altehrwürdigen Gebäude der Colleges sind der Hammer und beeindrucken mich sehr. Leider kann man nirgends hineingehen, was ja durchaus verständlich ist. Jedes College hat eine eigene Kirche, deshalb wimmelt es hier von Kirchen.
Auf dem Fluss Cam wimmelt es von Booten, die mittels einer langen Stange vorwärtsbewegt werden.
Die Wanderung nach Fécamp ist nicht lange, nur etwa 15km. Also kann ich es gemütlich angehen. Gleich zu Beginn kraxelt man auf die Klippe hinauf und läuft dann auf deren Rand. So öffnen sich immer wieder neue Blickwinkel auf die wunderschöne Felsenküste. Zwischendurch gehts hinunter in ein Tal und auf der anderen Seite wieder steil hoch auf die Klippen.
Heute begegnen mir viele Wanderer und Spaziergänger. Viele verbringen wohl das Wochenende am Meer und machen Ausflüge. Ich höre und sehe auch wieder viele Lerchen.
Mitte Nachmittag bin ich in Fécamp und mache mich auf die Suche nach einem Bett. Im Tourismusbüro arbeitet eine Deutsche, die irgendwann vor ca 10 Jahren hier hängengeblieben ist. Sie besorgt mir ein Zimmer bei einer netten alten Dame in einem schönen alten Haus, einer ehemaligen Fischräucherei. Ich denke: hoffentlich riecht man das nicht mehr….
Ich frage noch ein paar Sachen bezüglich meiner zukünftigen Wanderung der Küste entlang. Ich frage auch, ob es eventuell möglich sei, ein Stück mit einem Schiff zurückzulegen, da die Zeit zu knapp ist, bis Calais zu laufen. Sie meint, das sei schwierig, da hier nicht nur die Regionengrenze, sondern auch noch die Departementsgrenze verlaufe, und schaut mich bedeutungsvoll an. Ich sage: das kenne ich doch schon, und sie verdreht die Augen und grinst.
Es ist schon unglaublich, sobald es über eine Grenze geht, ist es fertig, da geht nichts. Jeder tut so, als wäre da drüben nichts.
Ich installiere mich also bei der alten Dame. Ich habe ein schönes Zimmer unter dem Dach, ein grosses Bad und ein grosser Raum, der auch noch als (gut aufgeräumter) Estrich dient mit schönen alten Spielsachen und Büchern, ist sozusagen mein Wohnzimmer mit Blick auf das Meer!
Ich mache einen Stadtrundgang ins Zentrum, schaue mir die Klosterkirche an und gehe dann zur Strandpromenade und esse in der Abendsonne. Bald wird es allerdings sehr kalt und ich gehe zurück.
Hafen von Fécamp
3. Juni – Fécamp
Am Morgen komme ich fast nicht aus dem Bett. Ich bin richtig müde und überlege mir, dass ich seit St. Anthème am 14. Mai keine Pause mehr gemacht habe. Das sind zweieinhalb Wochen. Beim Frühstück überlege ich, ob ich nicht doch hier bleiben soll. Erstens passt mir die Gastgeberin, zweitens gibt es ein gutes Frühstück ;-), drittens kann man hier in Fécamp auch etwas anschauen. Also bleibe ich.
Ich mache mir einen gemütlichen Vormittag und gehe dann ins Museum. Es ist in einem Gebäude untergebracht, in dem früher Fisch verarbeitet wurde. Fécamp muss wohl gross im Fischfang und im Fischverarbeitungsgeschäft drin gewesen sein.
Das Museum zeigt diese Geschichte, wie sich der Fischfang und die Verarbeitung im Laufe der Zeit verändert haben. Heute wird der Fisch in einem anderen Gebäude in der Industriezone verarbeitet.
Es wird auch die Geschichte der Seebäder aufgezeigt und es gibt alte Bilder von prächtigen Hotels am Strand, die dann leider im Krieg von den Deutschen zerstört wurden.
Es gibt auch einen Teil über Kinder. Es hat einen Arzt gegeben, der den Leuten das Hygiene-ABC beibrachte und dafür sorgte, dass auch Mütter, die keine oder zu wenig Milch hatten, Milch bekamen und ihr Kind mit der Flasche füttern konnten.
Und es gab damals schon eine Babyklappe bei einem Kloster. Die Schwestern kümmerten sich um solche Kinder.
Es werden auch Bilder von Künstlern aus der Region ausgestellt und noch einiges anderes.
Dann habe ich der Destillerie einen Besuch abgestattet. Da wundert ihr euch vielleicht. Aber dies ist eine ganz besondere Destillerie. Wenn man das Gebäude sieht, käme man nie auf die Idee, es sieht eher wie ein Schloss oder, von Weitem, wie eine Kirche aus.
Am Abend gehe ich noch an den Hafen. Vom Leuchtturm bei der Hafeneinfahrt aus sieht man bis zum Felsenbogen von Étretat. Ich beobachte auch die Möwen. Das sind schon unglaubliche Flugkünstler. Manchmal denkt man: die kracht gleich in die Mauer, aber eine kleine, elegante Wendung und sie fliegt über die Mauer hinweg oder macht einen Bogen.
4. Juni – Von Fécamp nach Butot-Vénesville
Leider ist es neblig, was seeehr schade ist, da ich gleich am Anfang wieder auf die Klippe steigen muss. Da diese Klippe vorspringt, hätte man auf beide Seiten einen fantastischen Blick auf die Küste. Daraus wird leider nichts.
Mit dem starken Wind ist es recht frisch. Zum Wandern ist es allerdings viel besser als wenn es so heiss ist wie vor Paris. Die Hitze zieht einem regelrecht die Energie raus und nach 20/25 km bin ich schlagkaputt. Aber so, bei diesen Temperaturen, kann ich lange laufen ohne Problem.
Eigentlich läuft man fast nie am Klippenrand, sondern weiter landeinwärts über Wiesen und Felder. Das Meer sehe ich nicht oft, ausser wenn ich in eine Bucht hinunterkomme, wo ein paar Häuser stehen.
In einem dieser Nester steht beim Strand so ein Container-Restaurant und ich denke, ich esse hier, da ich am Abend in einem ganz kleinen Dorf übernachten werde und es da wahrscheinlich kein Restaurant gibt. Die Besitzer essen gerade, als ich reinkomme und ich weiss sofort, dass ich nichts essen werde. Es gibt nur Muscheln und Co, Hamburger und Frites. Die Frites sehn „pfludrig“ aus und ich mache jede Wette, das Öl ist schon uralt…
Immer wieder versuche ich Frau Moser, die Zimmervermieterin anzurufen, erwische sie aber nie.
Als ich nach Butot komme, gibt es da einen Chemin de gîte. Da halte ich an und versuche es nochmals. Wieder nichts. Drum gehe ich weiter und sehe ein Schild gîte. Hier klopfe ich an, aber die Frau sagt, sie habe schon Gäste. Ihr gelingt es dann, diese Frau Moser zu erreichen und sie bringt mich zu ihr.
5. Juni – Von Butot-Vénesville nach Veules-les-Roses
Wieder Nebel! Und nach dem Frühstück regnet es sogar. Somit weihe ich meine neue Pelerine ein und merke bald, dass ich nur bedingt glücklich bin damit. Die Pluspunkte, die mich überzeugt hatten, sie zu kaufen waren einerseits, dass es keine Nähte hat, ausser da, wo die Kapuze eingesetzt ist und anderseits, dass es rundum Ösen hat, sodass man den Poncho aufgefaltet aufspannen kann wie ein Sonnensegel oder Regenschutz. Der Nachteil ist aber, dass seitlich unter den Armen, wo es bei meiner alten Pelerine Druckknöpfe gab, nur Klettverschlüsse sind. Je nachdem wie ich mich bewege oder bei kräftigem Wind reissen die auf und mein Poncho flattert fröhlich im Wind. Da der Regen bekanntlich aus der gleichen Richtung kommt wie der Wind, bin ich ihm ausgesetzt. Ich versuche dann, weniger fröhlich, die Ecken meines Regenschutzes zu erhaschen und sie wieder zusammenzupappen. Zu Hause werde ich vernünftige Druckknöpfe montieren müssen, sonst ist das Ding bei Wind nicht zu gebrauchen. Aber immerhin, der Poncho ist dicht und das Wasser perlt super ab, sodass er ganz schnell wieder trocken ist.
Heute stehen fast 30 km auf dem Programm. Ich will nach Veules-les-Roses. Es soll ein ganz besonders schönes Dorf sein, wird mir von verschiedenen Leuten gesagt.
Wie gestern verläuft der Weg nicht allzuoft am Meer, eigentlich nur in den Buchten, wo kleine Dörfer sind. Immer mal wieder verliere ich den Weg und komme irgendwann wieder darauf. Ich weiss nicht, ob ich wirklich eine Abzweigung verpasst habe, oder ob dazwischen einfach keine Markierungen existieren. Es ist viel schlechter Markiert als auf dem GR3.
Vorallem in den Dörfen ist es schwierig, den Weg nicht zu verlieren und prompt habe ich keine Ahnung, wo es langgeht. Man muss um ein Atomkraftwerk, das sich ganz an der Küste befindet, herumgehen. Gleich am Zaun verläuft die Strasse, der Wanderweg müsste nach meiner Karte ca 200m weiter rechts sein. Auch ohne Markierung laufe ich nach Karte. Plötzlich sieht der Weg aber sehr überwachsen aus. Ich bin zwar nicht die erste, die da durchstapft, aber viel gebraucht wird dieser Weg nicht. Nach 50m hört er einfach auf. Da, wo nach Karte ein Weg wäre, ist jetzt ein Kornfeld. Ich kann nur zurück oder am Rande des Kornfeldes in Richtung Strasse laufen. Auch da bin ich nicht die erste, aber das ist ein kleiner Trost, da ich jetzt an der Strasse wandern muss.
Nach vielleicht 2km kommt der Wanderweg von rechts und bald geht es auf der anderen Seite wieder Richtung Meer.
Ein paar Kilometer vor Veules les Roses ist die Route wieder geändert. Endlich wäre man wieder einmal auf den Klippen gewandert, aber nein, neuerdings geht es wieder landeinwärts bis zu einem Dorf, darin noch eine Ehrenrunde um die Kirche, dann geht es wieder meerwärts. Ein Umweg von mindestens 2 – 3 km, das hätte ich jetzt nicht mehr gebraucht. Ich bin müde und der Wind weht kräftig. Manchmal muss ich mich richtig dagegenstemmen oder er schüttelt mich zünftig durch.
Endlich komme ich nach Veules. Es ist wirklich sehr schön. Zum Glück finde ich die Touristeninfo auf Anhieb und die Frau organisiert mir ein Zimmer. Allerdings ist es noch ca 1,5km entfernt. Uff, jetzt reichts.
Am liebsten würde ich jetzt einfach im Zimmer bleiben und hier essen, aber dieses vielgepriesene Dorf muss ich mir schon noch anschauen. Es gibt einen schönen Rundgang und an den besonderen Orten hat es Tafeln mit Informationen.
Durch das Dorf fliesst der Fluss Veules. Ich habe zwar keine Ahnung, warum das ein Fluss sein soll. Für mich ist das maximal ein Bach. Vielleicht weil er direkt ins Meer fliesst? Oder vielleicht einfach weil er als Fluss gleich einen Rekord bricht: der kleinste Fluss Frankreichs, 1100 m lang.
Man kann zur Quelle gehen, unmittelbar nachher gibt es Kressebeete und Mühlen. Es muss einmal 11 Mühlen gegeben haben. Mindestens zwei alte Mühlräder sieht man auf dem Rundgang.
Die Veules windet sich durch das Dorf, in dem es auch viele, wunderschöne alte Häuser gibt, zum Teil noch strohgedeckt, und viele Blumen, vorallem Kletterrosen überall. Dieser Ort hat echt Charme!
Jetzt bin ich wirklich ko. Mit dem Rundgang habe ich sicher 35km oder mehr gemacht und morgen sind es nochmals 30. Meine Vermieterin meint zwar 26, aber auf der Karte sehe ich, dass es auf der Küstenstrasse schon 26km sind, der Wanderweg windet sich aber viel mehr, da muss man froh sein, wenn 30 reichen….
Veules-les-Roses
6. Juni – Von Veules-les-Roses nach Hautot-sur-Mer
Ich bin noch nicht lange gelaufen, da gibt es schon die erste Routenänderung. Wieder landeinwärts zu einem Dorf, wieder Umweg. Das kann ja heiter werden.
Mir scheint, es gebe einige Änderungen mit Tendenz weg von den Klippen ins Landesinnere, schade. Man kommt immer dann ans Meer, wenn es eine Bucht hat und diese genügend breit ist, dass da ein paar Häuser stehen und ein bisschen Strandleben stattfindet.
Natürlich sind auch viele Überbleibsel aus dem 2. Weltkrieg zu sehen, Bunker, Friedhöfe, Gedenktafeln.
Die Dörfer sind meistens schön, vorallem die alten Häuser haben einen speziellen Charme. Es sind Backstein- oder Fachwerkhäuser, manchmal kombiniert. Die Gärten sind gross, manche riesig und sie haben immer einen gemähten Rasen. Den mähen sie mit so einem Rasenmäher auf dem man sitzen kann. Das scheint ein Hobby der Franzosen zu sein 😉
Ab Ste-Marguerite-sur-Mer wandere ich lange durch den Wald. Zuerst auf schönen Waldwegen aufwärts und danach, als sich der Hang gegen das Meer neigt auf Strässchen. Links und rechts stehen riesige, alte Villen mit parkartigen Gärten. Offenbar sind hier früher viele Künstler hergekommen, Maler und Schriftsteller. Diese Strecke ist echt schön, nur bin ich leider so müde, dass ich es gar nicht mehr so geniessen kann. Ich beschliesse, in der nächsten gîte zu fragen, ob es noch Platz hat und finde auch bald ein nettes Zimmer. Uff, das wurde auch Zeit….
7. Juni – Von Hautot-sur-Mer nach Dieppe
Ich schlafe aus und frühstücke gemütlich. Da ich alleine bin, setzt sich meine Gastgeberin zu mir. Sie ist Tänzerin und macht Feldenkreis. Wir haben ein interessantes Gespräch. In den letzten Tagen bin ich einigen kritischen Leuten begegnet. Sie essen bio, regen sich darüber auf, dass Glyphosat wieder erlaubt wurde, finden, man sollte weniger Fleisch essen und möchten gerne dies und das ändern. Alle sagen, es verändere sich, zwar sehr langsam und harzig, Frankreich hinke hinterher, aber die Jungen möchten es anders haben und fangen an zu ändern. Klingt doch gut!
Die Sonne scheint, der Wind hat sich gelegt und laut Wetterbericht soll es heute einen strahlenden Tag geben. Sobald ich jedoch gegen das Meer hinunterkomme, hängt da immer noch Nebel. Ich setze mich auf eine Mauer und warte in der Hoffnung, dass sich der Nebel lichtet. Mal scheint er dünner zu werden, dann wieder nicht. Kein wesentlicher Fortschritt, also gehe ich weiter. Beim Aussichtspunkt sehe ich Weiss, also dasselbe wie die letzten drei Tage.
Bald erreiche ich Dieppe, schaue mir dies und das an, mache ein paar Fotos und arbeite mich langsam zum Touristenbüro vor. Ich möchte mich erkundigen, wo und wann ein Schiff nach England fährt. Natürlich haben die grad Mittagspause, als ich dort ankomme, also mache ich das gleiche und genehmige mir einen Salatteller.
Das nächste Schiff fährt um 18 h, das passt mir nicht, dann bin ich erst um 21h in Newhaven und es wird schwierig, eine Unterkunft zu finden. Ich entscheide mich für die Fahrt morgen um 12.30h, buche ein Hotel und bringe meinen Rucksack dahin. So ein Hotelzimmer habe ich im ganzen Leben noch nie gesehen: ein kleines Kämmerchen mit einem kleinen Fenster. Darin ein Doppelbett und quer oben drüber noch ein Einzelbett.
Ich laufe 30 Minuten zum Hafen, um das Ticket zu kaufen.
Nebelschwaden ziehen durch die Stadt. Mal ist man an der Sonne und schwitzt, im nächsten Moment wird man von Nebel eingehüllt und es ist sehr frisch. Ich sehe eine Kirche auf der anderen Seite des Hafens und plötzlich kann ich sie nur noch erahnen. Es ist ein ständiger Wechsel, aber richtig sonnig, wie prophezeit, wird es einfach nicht.
Ich merke, dass die letzten Tage streng waren und mache eine Altweiberstadtrundfahrt in einem kleinen Zug. Als er kommt stürzen sich viele Leute darauf. Ich ergattere mir einen Platz. Ich frage die Frau neben mir, ob sie wisse, wieviel es koste. Nein, sie seien eine Gruppe von 50 Leuten und alles schon organisiert und bezahlt. Uups, da bin ich in eine Gruppe geraten. Ob der ganze Zug für die Gruppe reserviert sei? Das wisse sie nicht, aber egal, so könne ich wahrscheinlich gratis mitfahren…
Zum Frühstück gibt es übrigens gutes glutenfreies Brot, weil der Mann der Gastgeberin auf Gluten verzichten muss.
Sie sagt mir, heute soll es 28 Grad werden, am Schatten! Sie schlägt vor, mich mit dem Auto zum GR3 zu bringen. Da erspare ich mir ca eine Stunde wandern in der Sonne, nachher sei der grösste Teil des Weges im Schatten. Ich bin froh, denn auf diesem Stück wäre ich alles auf der Strasse gelaufen.
Im Wald gibt es immer noch viel Matsch und manchmal tiefe Tümpel auf den Wegen. Bei einem dieser Tümpel springen von allen Seiten Frösche ins Wasser. Das ist ein Biotop mit vielen verschiedenen Lebewesen. Ich beobachte es sicher ein Viertelstunde. Die Frösche sind grün-schwarz gemustert, aber leider sehr scheu. Sobald ich mich bewege, tauchen sie ab,
Ich komme, wie gestern, ab und zu an kleinen Seen vorbei. Leider sind sie immer eingezäunt und „eingeheckt“, sodass man manchmal kaum einen Blick erhaschen, geschweige denn zum Ufer gehen kann. Langsam aber sicher nervt mich das. Man kann sich genau auf den Wegen und einen Meter links und rechts davon bewegen, ausser im Wald, da kann man noch quer durchlaufen. Wenn ich eine Pause machen will, suche ich ewig und sitze zu guter letzt doch am Weg.
Wieder komme ich an einen See, auch eingezäunt, aber beim Eingang hängt nur eine Kette und ich beschliesse, in fremdes Eigentum einzudringen, was ich normalerweise nie mache. Aber jetzt habe ich genug. Von den vielen Seen, an denen ich vorbeigekommen bin, habe ich die Hälfte nicht einmal gesehen.
Ich gehe also hinein, suche mir ein schönes Plätzchen und verbringe dort eine schöne, lange, friedliche Mittagspause.
Nachher geht es gar nicht so lange und ich komme wieder an die Loire. Und man glaubt es kaum, es hat eine Wiese mit Picknicktischen und -bänken direkt am Ufer!!!
26. Mai, von Charrin nach La Machine
Ich habe gestern alle meine Kleider wieder einmal in einer Waschmaschine waschen können. Ein gutes Gefühl, alles wieder sauber!
Bis St. Léger-des-Vignes sind es ca 17 km und von dort bis La Machine nochmals 8. Decize liegt südlich von St. Léger-des-Vignes auf der anderen Seite des Canal du Nivernais und des Flusses L’Aron, der hier in die Loire fliesst. Ursprünglich lag Decize auf einer Insel in der Loire und hatte somit strategische Bedeutung. Von hier aus konnte man den Fluss beherrschen. Es gibt noch alte Befestigungen. Auf der einen Seite fliesst die Loire aber nicht mehr ganz durch, es ist eine Sackgasse.
Ich denke, wenn ich zeitlich gut dran bin, werde ich Decize einen Besuch abstatten und dann halt eventuell ein Taxi nehmen von da nach La Machine, wo ich übernachten will.
Ich starte zeitig und gehe zuerst wieder zur Loire hinunter zum GR3. Man ist nicht direkt an der Loire. Zwischen Fluss und Weg gibt es noch Tümpel und Büsche und Bäume. Es ist ein Naturparadies. Schade, dass die Seerosen noch nicht blühen, es gibt viele davon. Sie haben schon Knöpfe. Das sieht sicher wunderschön aus.
Irgendwann biegt man wieder ab von der Loire und wandert über die Ebene bis zum Canal du Nivernais. Ich überquere den L’Aron und bei Champvert erreiche ich den Kanal, gerade bei einer Schleuse. Es erinnert mich an die Hausbootferien, die ich vor ca 30 Jahren gemacht habe. Dreimal habe ich die Kanäle im Burgund befahren. Es hat mir sehr gut gefallen und ich würde es gerne wieder einmal machen.
Dieses Kanalsystem in Frankreich ist wirklich genial. Man kann per Schiff durch’s ganze Land tuckern. Nun folge ich einige Kilometer dem Kanal. Leider ist das auch Veloweg und asphaltiert.
Dann biege ich nach Decize ab. Ich will zuerst ins Touristenbüro um mich kundig zu machen, was man so anschauen kann. Ich würde gerne den Rucksack für ein bis zwei Stunden irgendwo deponieren. Aber es ist Sa 13h und die Turi-info hat um 12 zugemacht für das Wochenende…
Also spaziere ich auf eigene Faust durch die Stadt (mit Rucksack) und gönne mir noch einen Smoothie. Es ist zwar schön, aber so wahnsinnig der Hammer ist es auch wieder nicht. Ich habe mehr erwartet, und dafür habe ich jetzt 3-4 km Umweg in Kauf genommen.
Ich mache mich doch zu Fuss auf den Weg nach La Machine. Ich weiss, dass es 8 km sind, aber ich habe es doch unterschätzt nach dem ganzen Vorprogramm. Am Ende bin ich total auf den Felgen und muss jetzt noch das Hotel suchen. Ich frage jemanden und der schickt mich noch falsch rum, so dass ich noch weiter laufe. Wäre ich meiner Intuition gefolgt, wäre ich schneller da gewesen.
Doch leider ist das Hotel zu! Es steht zwar sie hätten 7 von 7 Tagen offen, aber niemand ist hier. Ich habe auch im Laufe des Tages ein paar Mal versucht, anzurufen, aber es hat niemand abgenommen.
Ein junger Mann vom einzigen Restaurant hier – Kebab und Pizza – telefoniert ein bisschen rum und die Frau in der Bäckerei. Sie erwischt dann jemanden, der kommt, um mir ein Zimmer zu geben. Allerdings warte ich dreiviertel Stunden….
Nachher gehe ich zum Pizzamann und sage, ich brauche etwas ohne Teig 🙂 Klappt bestens: Fleisch, Salat und Frites.
Er sagt, er habe noch bei booking.com geschaut, da heisse es, das Hotel sei voll besetzt. Da muss ich nun wirklich lachen. Ich bin der einzige Gast! Und wirklich, dass es sowas wie dieses Hotel überhaupt noch gibt….
Canal du Nivernais
Decize
27. Mai – Von La Machine nach Imphy
Am Morgen laufe ich durch das Dorf zum GR3. Es herrscht reger Verkehr. Ich nehme an, die fahren in die Bäckerei um das Sonntagsgipfeli zu holen. Sie drücken ziemlich auf’s Gas. Um den Verkehr nicht zu behindern wird auf dem Trottoir parkiert. Ich muss ständig auf die Strasse ausweichen. Wie das wohl der Mann im Rollstuhl macht, den ich gestern gesehen habe?
Eine Stunde lang wandere ich durch den Wald. Das ist schön, weil ich die Vögel pfeifen höre und die Temperatur angenehm ist. Nachher ist es ein Strassenmarathon. Leider sind auch kleinste Strassen asphaltiert und ich bin jedesmal froh, wenn es ein Stück durch den Wald geht. Ich versuche auch immer neben dem Strassenbelag zu laufen. Das geht aber natürlich nicht immer.
Im Wald ist es auch angenehm kühl, während es auf der Strasse brütend heiss ist. Zum Glück ziehen Wolken auf und es weht ein angenehmer, Regen verheissender Wind. Ich denke, ich sollte jetzt dringend meine Zweistundenpause abhalten, bevor es regnet. Kaum sitze ich, fängt es schon an, aber nach ein paar Minuten ist der Spuk vorüber. Dafür ist es nachher so richtig schön feucht und drückend.
Nach dem Mittag fällt mir auf, dass gelegentlich Abfall neben der Strasse liegt. Da realisiere ich erst richtig, dass das bisher nie der Fall war. Ich habe eigentlich nie auch nur ein Fitzelchen Papier rumliegen sehen auf öffentlichem Grund. Auch die Strassen sind fast perfekt unterhalten, alles asphaltiert und meistens in bestem Zustand. Da werden wohl Milliarden in das Strassennetz hineingebuttert.
Überhaupt scheint mir, sauber ist es dann, wenn nichts wächst. Sei es auf Strassen als auch in Gärten. In den letzten Tagen bin ich fast nur an sterilen Gärten vorbeigelaufen. Eine geplättelte Garageneinfahrt und ein geschleckter Rasen. Wenn’s ganz hoch kommt hat es noch ein paar Büsche, vorzugsweise Thuja, Koniferen und Kirschlorbeer. Aber das Non-plus-ultra sieht so aus: ein rechteckiges Haus in einem rechteckigen, eingezäunten Grundstück. Darin wird eine Folie verlegt und Kies drauf. Das geht ja noch, wenn er gelblich ist, ganz schlimm, wenn er fast schwarz ist. Und ehrlich, das sind keine Einzelfälle, sonst würde ich es gar nicht erwähnen. Gestern und vorgestern war das die Mehrheit.
Den besten Platz im Garten nimmt sowieso das Auto ein. Ich verstehe zwar sehr gut, dass das hier sehr wichtig ist, wo die Dörfer so weit auseinander liegen und man vielleicht 20 km fahren muss zum Einkaufen.
Bei Imphy komme ich wieder (fast) an die Loire. Zwischen Weg und Fluss gibt es wieder viele Bäume und Büsche und da zirpt und pfeift, quakt und summt es. Es ist phantastisch. Mir gefällt auch, dass die Loire sich durch das Tal windet und immer noch recht wild zu sein scheint. Es gibt auch viele Sandbänke und Inselchen.
Dann suche ich mein Hotel und denke: das sieht doch ein bisschen anders aus als das Hôtel les Mineur in La Machine, aber drinnen haut es mich doch wieder fast aus den Socken. Das Zimmer ist ja soweit ganz in Ordnung, aber das Bad…
Schimmel inklusive und nein, es HAT KEINE Tür und keinen WC-Sitz
28. Mai – Von Imphy nach Nevers (mein vorläufiges Ziel)
Es hat gestern Abend und in der Nacht geregnet und ein bisschen abgekühlt. Das ist nicht schlecht.
Heute muss ich nur noch etwa 16 km wandern, dann bin ich in Nevers. Von da aus werde ich den Zug nehmen, falls möglich. Der Streik ist ja immer noch im Gange. Der ganze Weg wird flach sein, also ein lockerer Spaziergang. Am Anfang muss ich etwa zwei Kilometer an der Strasse wandern, dann gehts auf den Treidelweg des Canal Latéral à la Loire. Das ist auch ein Veloweg und natürlich asphaltiert 🙁
Heute begegnen mir mal viele Leute, aber alle auf dem Velo – und schwups, sind sie vorbei. An einer Schleuse komme ich mit einem Mann, einem Franzosen, ins Gespräch, das übliche woher bist du, von wo kommst du, wohin gehst du? Er fragt mich, ob ich in Decize gewesen sei. Ich sage ja, aber ich sei am Samstag um 13 h dagewesen und die Turi-info habe um 12 die Luken dicht gemacht für das Wochenende. Er kann es kaum fassen. Er findet, dann müssten sie doch erst recht offen haben. Ich erzähle ihm, dass das auf der ganzen Strecke so gewesen sei. Er schüttelt nur noch den Kopf. Das hat mich ein bisschen beruhigt. Ich habe schon gedacht, vielleicht sei ich einfach zu anspruchsvoll.
Es gefällt mir am Kanal, obwohl er meistens schnurgerade verläuft und nur sehr selten ein Schiff kommt. Es hat aber immer Bäume und viele Vögel.
Auch die Schleusen faszinieren mich.
Ich fand es toll, als wir damals diese Bootsfahrten gemacht haben. Da gab es noch bei jeder Schleuse einen Wärter. Meistens ist einer von uns ausgestiegen und hat beim Kurbeln geholfen. Man musste kurbeln, um die Klappen zu öffnen oder zu schliessen, um das Wasser hinein- oder hinauszulassen und um die Tore zu öffnen oder schliessen. Man hat ein bisschen mit dem Schleusenwärter geplaudert und manchmal ist man noch in seinen Weinkeller gestiegen und hat Tipps bekommen, wo es den besten Käse gibt. Wenn andere Boote kamen, mussten die halt warten.
Heute geht alles vollautomatisch. Wenn man mit dem Boot kommt muss man an einer Schnur ziehen, die von einem Ausleger herunterhängt. Das Signal geht an und leuchtet rot. Dann arbeitet die Schleuse selbständig, je nachdem, ob noch Wasser rein oder raus muss oder das Tor gerade geöffnet werden kann. Wenn es soweit ist, wechselt das Signal auf Grün und man kann einfahren. Eigentlich ein bisschen langweilig. Man muss nicht einmal mehr denken, geschweige denn Hand anlegen. Schade…
Ich bin sehr schnell in Nevers und gehe Richtung Stadzentrum. Ich weiss, wo mein Hotel ist. Als ich aber an der Touristeninformation vorbeikomme, gehe ich hinein und frage nach einem Stadtplan und wie ich am besten zu einem Zugbillett komme an einem Streiktag. Ich erfahre, dass am Bahnhof ein Schalter geöffnet ist. Alles klar. Ich merke sofort, dass ich wieder in Europa und in diesem Jahrhundert angekommen bin. Alles ist organisiert und angeschrieben und die Leute wissen Bescheid. Wenn nicht, fragen sie den Computer und können mir Auskunft geben 🙂
Ich gehe zum Hotel und läute. Leider macht niemand auf, erst um 15 h. Das heisst, ich muss noch anderthalb Stunden warten. Ich gehe nebenan ins Café und frage, ob ich meinen Rucksack dort deponieren könnte. Ich kann!
Nun kann ich unbeschwert zum Bahnhof gehen und nach einem Zug fragen. Morgen gibt es EINEN Zug nach Paris um 10.01. Da muss ich nicht lange überlegen, den nehme ich.
Nachher mache ich noch einen Teil des Stadtrundganges. Man kann einfach der blauen Linie folgen und da gibt es immer wieder Tafeln mit Infos zu Geschichte und Gebäuden.
Ich habe ein unglaubliches Flair immer in den grösseren Orten zu sein, wenn entweder ein Feiertag oder Sonntag oder Montag ist, wenn nichts läuft und fast alles geschlossen ist….
Schliesslich gehe ich ins Hotel. Obwohl es nur zwei Sterne hat, ist alles tiptop, einfach, aber es funtioniert und KEIN Schimmel im Bad. Das freut meine Lungen!
Canal latéral à la Loire
Nevers
29. Mai – Von Nevers nach Paris
Ich habe erwartet, dass der Zug proppenvoll sein würde, weil ja Streiktag ist und nur wenige verkehren. Er ist aber fast leer.
Kurz vor 12 Uhr komme ich in Paris an und wandere eine knappe Stunde (mit vielen Fotostopps) zur Nôtre Dame. Dort habe ich mit Roger, einem Freund aus dem Elsass abgemacht.
Vor der Kirche stehen die Leute Schlange, wir setzen uns erst mal in ein Café und plaudern. Dann geht’s zur Jugendherberge, wo wir übernachten werden.
So eine Jugi habe ich noch nie gesehen. Sie ist in einem alten, wunderschönen Gebäude. Es gibt einen Innenhof, ein grosses Café, alles eine Augenweide und auch die Zimmer sind schön renoviert.
Wir konnten nur für eine Nacht reservieren, jeden Morgen müssen wir uns wieder anmelden und hoffen, dass es Platz hat. Ein seltsames, unpraktisches System in meinen Augen. Später finde ich allerdings heraus, dass andere für 3 Nächte reservieren konnten. Vielleicht ist der Grund, dass wir uns sehr spät angemeldet haben. Wie auch immer, wir können alle 3 Nächte dort schlafen.
Die Häuser in Paris sind einfach der Hammer. Es gibt so viele wunderschöne, alte Häuser. Ich kann nur staunen. Es ist so lange her seit ich in Paris war, dass ich mich nur an einzelne wenige Dinge erinnere.
Wir lassen uns einfach treiben, gehen ins Quartier Latin, dann über die Seine. Hinter uns wird der Himmel schwarz, ein Gewitter braut sich zusammen. Es ist eine unglaubliche Stimmung. Die untergehende Sonne erleuchtet noch einzelne Gebäude, auch die Kuppel des Panthéon, dahinter der fast schwarze Himmel.
Wir wollen in eine Bar auf einem Schiff, eigentlich wollten wir da Musik hören, aber wir sind zu spät. Trotzdem gehen wir dahin. Es beginnt zu regnen und wir erreichen gerade noch rechtzeitig die Bar. Danach öffnet der Himmel seine Schleusen und es schüttet mehrere Stunden lang. Es kommen noch viele Menschen, die sich vor dem Gewitter in Sicherheit gebracht haben. Zwei setzen sich zu uns und es ergibt sich ein Gespräch. Die Frau ist eine Kennerin der zeitgenössischen Kunst und gibt uns ein paar Tipps.
Um 23 Uhr schliesst die Bar gnadenlos, obwohl es immer noch regnet. Zum Glück habe ich am Nachmittag eine neue Pelerine gekauft, da meine alte ja undicht ist. Die halten wir uns jetzt wie ein Dach über dIe Köpfe und spurten zur nächsten Metrostation.
Nôtre Dame
Unsere Jugi
30./31. Mai – Paris
Fondation Louis Vuitton
Heute folgen wir einem Tipp der Kunstkennerin und gehen zur Fondation Louis Vuitton. Und wirklich: das Gebäude ist der Hammer. Wie ein Schiff mit geblähten Segeln. Wir staunen und beschliessen, zuerst einmal rundum zu gehen, doch wir kommen nicht weit. In der Wiese stehen Liegestühle, von da aus versinken wir in unsere Betrachtungen.
Es ist von der Ästhetik, Architektur und der Statik her unglaublich. Vorne springt das Wasser über eine lange, breite Treppe dem Bug entgegen. Die Segel sind Transparent, spiegeln aber gleichzeitig die Umgebung. Das Gebäude hat auch geschwungene Formen, wie ein Schiff.
Irgendwann reissen wir uns los und gehen hinein. Auch von drinnen kann man aus immer wieder neuen Perspektiven die wunderbare Konstruktion betrachten.
Die Ausstellung ist dem Thema „der Mensch und sein Platz im Universum“ gewidmet. Es sind Werke verschiedener Künstler ausgestellt. Wir erwandern das ganze Gebäude, abwechselnd die Ausstellung und die Architektur bestaunend. Erst nach etwa 5 Stunden tauchen wir wieder auf.
Wir folgen noch anderen Tipps, die wir von Bekannten von Roger bekommen haben. Eine Fussgängerzone mit schönen Läden, vorallem auch Lebensmittel und nachhaltig Produziertes. Es gibt da einen Laden, der verkauft nur Bienenhonig und Kosmetik, die Honig enthält. Hätte ich ja nie gedacht, dass man einen ganzen Laden nur mit Honig füllen kann, und dass der auch läuft.
Wir besuchen die wundervolle Glaskuppel von Printemps. Unter der Kuppel ist ein Restaurant. Auf den Tischen liegen Spiegel, so dass man beim Essen die Glaskunst betrachten und geniessen kann, ohne den Nacken zu verdrehen. Das gibt faszinierende Effekte.
Auf der Terasse von Printemps waren wir auch und bestaunten die tolle Aussicht über Paris.
Nachher ist auch noch die Jugendstilglaskuppel von Galeries Lafayette angesagt. Das ganze Warenhaus kommt mir vor wie ein Opernhaus mit den Galerien und Logen. Wir steigen Stockwerk für Stockwerk hinauf und gehen jedesmal zur Galerie. Auf den oberen zwei Stöcken kann man die Kuppel zwischen Innen- und Aussenkuppel anschauen, also einen „Blick hinter die Kulissen“ werfen.
Auch Montmartre und Sacré-Coeur faszinieren. Wir geniessen den Blick über Paris beim Eindunkeln.
Terrasse Printemps
Printemps
Galeries Lafayette
1. Juni – Von Paris nach Étretat
Da ich noch mein Billett kaufen muss, gehe ich gleich zum Bahnhof und will auch mein Gepäck einstellen, da mein Zug erst um 17.48 h fährt.
Leider gibt es keine Schliessfächer. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich den Rucksack in der Jugi gelassen. Ich wollte eben vermeiden, dass ich am Abend nocheinmal zurückgehen muss, aber nun muss ich den Rucksack mitschleppen. Ich bin es ja zum Glück gewöhnt, aber es nervt mich schon ein bisschen. Klar, ich hätte es mir denken können, denn Schliessfächer sind für Bombenleger ein gefundenes Fressen. In Strassburg musste man durch die Sicherheitskontrolle, um etwas einzustellen und ich bin ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass es an einem grossen Bahnhof die Möglichkeit gibt, sein Gepäck zu deponieren.
Ich muss auch unbedingt noch mein Bett für heute Abend organisieren, denn ich komme erst um halb neun an. Also telefoniere ich in einem Geschäft, wo es ein bisschen ruhiger ist. Nachher nehmen wir die Metro und steigen bei einem schönen Platz aus. Als ich ein Foto machen will, kommt der grosse Schreckmoment. Mein Handy ist weg. Ich suche überall, aber eigentlich weiss ich genau, wo ich es immer versorge. Na, das wäre ja der Supergau, wenn es nicht mehr auftauchen würde. Ich weiss genau, dass ich es im Geschäft noch hatte, obwohl ich mit dem Tablet telefoniert habe, weil ich die Nummer darauf notiert habe. Also zurück ins Geschäft. Dort frage ich einen Angestellten, der nach hinten verschwindet. Ein anderer kommt und hält etwas auf dem Rücken. Er fragt mich, was ich hinten auf dem Handy habe, aber sein Gesicht strahlt jetzt schon in der Vorfreude, mir mein Handy zurückgeben zu können 🙂
Wir spazieren noch an einem kleinen Hafen mit Hausbooten und ich stelle mir vor, welches ich gerne hätte. Das wäre auch eine schöne Art zu wohnen, wobei ich natürlich immer mal wieder an einen anderen Ort gehen würde.
Schon bald muss Roger auf den Zug und ich spaziere noch ein bisschen herum und fülle in einem schönen Bioladen meine Vorräte wieder auf. Schliesslich bleibt mir noch etwa eine Stunde. Ich fahre zu den Tuilerien, winke von Ferne dem Eiffelturm und dem Arc de Triomphe zu, spaziere durch den Park gegen den Louvre und sehe mir die Glaspyramide an. Somit kann ich das auch noch abhaken 😉
Schliesslich gehe ich zum Bahnhof und obwohl ich 20 Minuten vor der Abfahrtszeit im Zug bin gibt es schon keinen Sitzplatz mehr. Die Leute stehen und sitzen in den Gängen. Erst nach über einer Stunde Fahrt ohne Halt, steigen in Rouen viele Leute aus und es gibt für alle einen Sitzplatz.
Nach einer halben Stunde Busfahrt erreiche ich Étretat an der Küste. Ich habe ein wirklich schnuckeliges Zimmer bei einer netten Vermieterin. Ich gehe noch zum Strand in ein Restaurant mit Sicht auf die beiden Felsenbogen links und rechts der Bucht. Obwohl es einen Wolkenstreifen hat, hinter dem die Sonne hervorleuchtet, gibt es einen schönen Sonnenuntergang und ich kraxle noch auf den Klippen herum.
18. Mai – Von Notre Dame de l’Hermitage nach Chabreloche
Heute ist ein gemütlicher Wandertag, es geht mehr ab- als aufwärts, das Wetter ist gut, die Vögel zwitschern, die Landschaft wunderschön – was will man noch mehr?
Es wird immer heisser, bis ich am Schluss tüchtig schwitze. In Chabreloche ist dann leider das Hotel schon voll. In meinem guide steht nichts von einer gîte, aber ich weiss von meinem jungen Pilgerfreund, dass man im Gemeindehaus fragen kann, die haben einen Raum, wo man schlafen kann.
Ich kriege auch problemlos den Schlüssel. Es hat drei Klappbetten, ein WC mit Lavabo und das ist es dann. Keine Decken, ich werde frieren, da ich nur einen Seidenschlafsack habe. Ich stelle das Bett neben die Heizung und drehe sie auf. Nun muss ich halt einiges anziehen und die Jacke über mich legen. Wird schon gehen…
19. Mai – Von Chabreloche nach Lavoine
Die Nacht ist gar nicht so schlecht verlaufen. Ich bin zwar mal lange wach gewesen, aber gefroren habe ich nicht gross.
Ich mache mir Gedanken, weil meine deutsche blau sim Karte nicht mehr funktioniert, es heisst immer: nicht im Netz registriert. Das verstehe ich nicht, denn ich bin ja registriert und habe nun schon vier Wochen damit telefoniert. Nun kann ich nicht einmal die blau-hotline anrufen, keine sms verschicken und empfangen und wenn ich auf die Nummer anrufe kommt gleich die Combox.
Das Ganze ist ein bisschen blöd, weil ich heute unbedingt reservieren sollte, statt mehr, werden die gîtes immer rarer. Ich versuche es mit dem schweizer Handy, aber offenbar ist die Nummer falsch. Ich beschliesse, einfach loszulaufen und darauf zu vertrauen, dass es schon irgendwie klappen wird.
Es ist wunderschön, ich steige über 600m hinauf. Nach etwa einem Viertel des Aufstiegs komme ich in den Wald und laufe nun etliche Stunden darin.
Ich begegne einer Frau, die anhält. Ich sei die erste Wanderin, die ihnen begegne seit Orléans (also während zwei bis drei Wochen). Ihr Mann komme auch noch. Sie fragt mich, ob ich nach Lavoine wolle und ob ich reserviert hätte. Ich sagte, ich hätte ein Problem mit dem einen Handy und die Nummer, die ich hätte, stimme wohl nicht. Sie sagte, die gîte sei total ausgebucht übers Wochenende.
Sie versuchen es mit den Nummern, die sie haben, erreichen aber auch niemanden. Erst auf eine sms gibt jemand Antwort, bringt aber auch nichts. Ich sage, ich gehe einfach weiter und vertraue darauf, dass ich schon irgendwo unterkomme. Sie geben mir noch Tipps, wo ich überall fragen könne. Auf dem weiteren Weg sei es auch sehr schwierig, Unterkünfte zu finden, ganz besonders über dieses lange Wochenende. Am 1. Juli seien sie wieder zurück in Orléans und ich solle mich unbedingt melden, falls ich da vorbeikomme.
Die Leute sind mega lieb und wir verabschieden uns herzlich und mit den besten Wünschen. Ich solle doch eine sms schreiben heute Abend, damit sie wissen, ob ich untergekommen bin.
Ich habe gestern in Chabreloche eingekauft, da ich davon ausgehe, dass ich die nächsten Tage keinen offenen Laden finden werde. Heute morgen beim Packen denke ich: jetzt hast du es wieder einmal total übertrieben. Schliesslich muss ich alles schleppen. Aber nachdem, was die beiden gesagt haben, muss ich tatsächlich damit rechnen, dass ich auch einmal das Abendessen aus meinen Vorräten werde bestreiten müssen und bin doch froh, dass ich genug dabei habe. Obwohl der Rucksack sehr schwer ist und ich sehr lange seehr steil bergauf gehen muss, geht es jedoch problemlos.
Als ich bei der gîte ankomme, sie ist ca 2km oberhalb des Dorfes beim Langlaufzentrum, stellt sich heraus, dass sie das ganze Wochenende an eine Gruppe vermietet ist.
Ich rufe trotzdem eine der Nummern an (mit meinem swisscom prepaid, kostet ein Vermögen ;-)), die da angegeben sind, um mich zu erkundigen, wo ich schlafen könne. Der Mann sagt, er schaue mal und ruft mich bald zurück. Ich solle ins Dorf kommen und da warte ein junger Mann auf mich.
Ich mache mich auf den Weg und bald klingelt mein Handy: der junge Mann. Er erklärt mir, wo ich hin soll. Als ich komme ist er gerade daran, ein Haus für mich bereitzumachen. Ich sage, das sei ja aber hoffentlich nicht sein Zimmer. Nein, es sei das Haus seines Grossvaters, der vor vier Monaten ins Altersheim musste. Im Moment stehe es leer und ich könne darin schlafen. Dafür verlangt er gleichviel wie in der gîte: 13 Euro. In der gîte hätte ich aber keine Bettwäsche bekommen.
Er fragt, ob ich genug zu essen hätte, oder ob ich ins Restaurant wolle. Wenn es geht, würde ich gerne ins Restaurant, sonst esse ich immer das gleiche…
Er ruft an und sagt mir nachher, ich müsse das Kistchen mitnehmen, das Restaurant sei voll, aber sie würden mir etwas bereit machen.
Es stellt sich heraus, dass die eine grosse, geschlossene Gesellschaft haben, trotzdem machen sie mir ein Menu bereit, das volle Programm: einen Tomatensalat, Hauptgang, Käse und Dessert. Bei uns würde das niemand machen. Alle sind total herzlich und es stresst sie überhaupt nicht. Dafür verlangen sie dann 12 Euro!
Das sind wunderbare Erfahrungen, die diesen Weg so besonders machen!
20. Mai – Von Lavoine nach Chargueraud (Châtel-Montagne)
Am Morgen ist es saukalt im Haus. Auch wenn es tagsüber heiss sein kann, sobald die Sonne weg ist, ist es richtig kalt.
Heute muss ich wieder über einen Berg wandern. Zuerst führt der Weg zu einem markanten Felsen und ich nehme mir die Zeit, ihn zu besteigen. Die Aussicht ist wundervoll.
Nachher gehts weiter auf den Berg hinauf und dann lange auf der Krete durch den Wald. Das ist eine Windrädertour. Der Weg führt von einem Windrad zum nächsten, 8 Stück. Diese riesigen Dinger sind schon faszinierend….
Dann gehts durch Wiesen, an Hecken entlang und ich sehe auf einen schönen See hinunter. Ich hätte gerade Lust zum Schwimmen, ist aber wahrscheinlich kalt, schätze ich.
Als ich in Chargueraud ankomme findet gerade ein Flohmarkt statt. Im ganzen Dorf sind die Stände verteilt. Ich frage nach einer gîte oder einem Zimmer. Die meisten haben keine Ahnung. Jemand schickt mich 800m die Strasse hinauf. Aus einer Ausfahrt kommt ein Auto mit zwei Männern, ich frage sie. Ja, weiter vorne gäbe es eine gîte, ob ich mitfahren wolle. Das mache ich. Bei der gîte stellt sich heraus, dass sie voll ist und Zimmer vermieten sie keine mehr.
Die beiden Männer bringen mich in ein anderes Dorf in entgegengesetzter Richtung zu einer Frau bei der ich ein Bett mieten kann! Der Fahrer bietet mir sogar an, mich morgen früh wieder auf den GR3 zu bringen. Es stellt sich aber heraus, dass das nicnt nötig ist, es gibt einen schönen Wanderweg, der mich dahinbringt.
Es ist so schön, immer kommt im richtigen Moment Hilfe! Wenn ich gestern oder heute Morgen in der gîte angerufen hätte, weiss ich nicht, was ich gemacht hätte. Ich hätte irgendwie umgeplant, denn das Dorf, in dem ich schliesslich geschlafen habe, war grad nicht mehr auf meiner Karte, ich wusste also nicht, dass es existiert und ich hätte sowieso nicht gewusst, ob es da eine Übernachtungsmöglichkeit gibt. Ich hätte also eine ultrakurze oder eine 30km Etappe hingelegt. Hätte mir beides nicht gepasst. Drum beschliesse ich, es auch morgen daraufankommen zu lassen….
21. Mai – Von Châtel-Montagne nach Droiturier
Der Weg, der mich wieder zum GR3 bringen soll, ist auch ein gekennzeichneter Wanderweg, irgendeine Rundwanderung. Es gibt hier unglaublich viele Wanderrouten.
Ich muss ganz in ein Tal runter und auf der anderen Seite wieder hinauf. Da soll es einen Pfad geben, auf dem man eine Kurve der Strasse abschneidet. Es gibt ein Tor und man kommt auf eine Kuhweide. Ich wandere auf dem Weg und konsultiere meinen freundlichen blauen Punkt. Wenn das stimmt, was der mir sagt, weiche ich beträchtlich vom Pfad auf der Karte ab. Mmh, ich korrigiere ein bisschen, aber irgendwie scheint das nicht zu stimmen. Am Ende gehe ich an einem Zaun entlang den Berg hinauf und muss oben wieder ein Stück zurückgehen. Die Kühe bringen sich in Sicherheit und galoppieren alle davon. Ist mir auch recht, wenn ich nicht mitten durch die Herde laufen muss.
Da oben ist ein Mann daran, sein Haus zu renovieren, er sagt mir, gleich um die Ecke, gebe es einen Durchgang. Ich sei nicht die einzige, die hier falsch gelaufen sei.
Leider kriege ich den Zaun unten nicht auf und reisse einen Triangel in meine Hose. Links sehe ich den Weg, auf dem ich hätte kommen müssen. Keine Ahnung, wo ich den verpasst habe…
Um die Ecke kommt eine Frau und begrüsst mich, eine Holländerin. Sie wohnen da und renovieren das Haus. Sie lädt mich ein, etwas zu trinken und wir plaudern ein bisschen. Offenbar landen viele Wanderer auf dieser Kuhweide und laufen noch länger in die Irre, ohne blauen Punkt 😉
Die Frau ist ganz begeistert von meiner Wanderung, sie möchte auch sowas machen. Ich schenke ihr meine Stevensonweg-Karte, sie gibt mir einen Bioapfel und selbstgemachtes glutenfreies Früchtebrot mit auf den Weg. Wieder eine schöne Begegnung!
Ich wandere weiter über die Hügel und da die Pause ein bisschen lang war entscheide ich mich für die Abkürzung, die meine Gastgeberin sowieso empfohlen hat.
Es ist wirklich eine schöne Gegend, alles ist ein bisschen weicher und runder als vorher in den Bergen. Vogelgezwitscher begleitet mich und es gibt viele schöne Blumen. Die Wiesen sind schon hoch, es ist bald Zeit zum Heuen.
Beim späten Mittagessen beginnt es zu donnern und schwarze Wolken ziehen auf. Es ist eine wunderschöne Stimmung. Der Wind wird immer stärker und bald fallen grosse Tropfen. Zum Glück bin ich gerade noch bei den letzten Häusern und kann unter dem Vordach unterstehen. Nach einer halben Stunde hört es schon wieder auf und bald scheint wieder die Sonne.
In Droiturier frage ich den ersten, der mir begegnet nach einer Unterkunft. Laut meinen Unterlagen soll es hier Zimmer geben. Er bestätigt das und erklärt mir den Weg.
Ich sehe nirgends ein Schild und nachdem ich das letzte Haus hinter mir gelassen habe, kehre ich um und läute. Ein Mann öffnet, ich frage nach einem Zimmer. Sie machen das nicht mehr, seine Frau ist nicht mehr da, und etwas anderes gibt es nicht im Dorf. Die nächste Unterkunft gibt es nach weiteren 11km, keine erfreuliche Aussicht, aber durchaus machbar. Der Mann überlegt hin und her, schliesslich sagt er, wenn ich wolle, könne ich in dem Wagen im Garten schlafen, den haben sie auch immer vermietet, nebst zwei Zimmern. Er habe aber natürlich nichts gemacht nach dem Winter, er müsse das Wasser anstellen usw.
Ich bin natürlich froh, wenn ich überhaupt etwas kriege. Im Bad liegen ein paar tote Fliegen, der Mann entschuldigt sich. Ich sage zu ihm, ich hätte schon in recht schmuddeligen gîtes geschlafen, da seien ein bisschen Staub und ein paar tote Fliegen das geringste Problem.
Er sagt, ich hätte Glück gehabt, er und seine Freundin wollten gerade zu einem Spaziergang aufbrechen. Fünf Minuten später wäre niemand mehr dagewesen.
Es ist zwar ein gewisses Risiko, nicht zu reservieren, aber es lässt auch viel Raum für Überraschungen und ich hätte alle die Engel, die immer im richtigem Moment auftauchen und alles möglich machen, nicht getroffen :-))
Der Wagen ist nett, es steht ein altes Doppelbett drin und ein klappbares Kajütenbett. Das Lavabo ist aus Glas. Es braucht fast ein bisschen Überwindung, den Wasserhahn aufzudrehen.
Ich warte extra mit Duschen, in der Hoffnung, dass ich warmes Wasser haben werde. Der Besitzer ist nämlich nicht sicher, ob der Boiler noch funktioniert, weil er ihn zwar im Herbst geleert, aber vergessen hat, ihn auszuschalten. Ich habe Glück und kann warm duschen!
Ein Gewitter zieht auf.
22. Mai – Von Droiturier nach St Léon
Heute stehen mir 27km bevor bis zum nächsten Bett. Schade, hier auf der Terasse meines Wagens in der Morgensonne zu frühstücken gefällt mir gut. Ich hätte es gerne noch ein bisschen länger genossen. Ich muss aber unbedingt in einen Ort, in dem ich einkaufen kann, ich habe nämlich gestern zum Znacht von meinen Vorräten gefuttert und es wird gerade noch heute für den Zmittag reichen. Meine Gastgeber haben mir gestern noch einen grünen Salat angeboten, den ich genüsslich verspiesen habe. Das war, glaube ich, etwa der dritte Salat in den gut vier Wochen…
Die Gegend ist wunderschön. Es gibt viele Kuhweiden, aber auch Felder, auf denen Korn wächst. Dazwischen gibt es viele Hecken und Bäume. Die Bäche dürfen noch fliessen, wie sie wollen und mäandern mal in kurzen, engen, mal in grossen, weiten Schleifen durch das Tal.
Der Weg führt öfters an den Hecken entlang, manchmal sogar in den Hecken, aber leider ist heute der weitaus grösste Teil asphaltiert. Es sind ganz kleine Strassen, die die Höfe und kleinen Dörfer verbinden. Es kommt maximal ein Auto pro Stunde vorbei, von da her also gar kein Problem. Ich versuche, wenn immer möglich, neben der Strasse zu laufen, aber das geht leider nicht immer.
Vor vier Tagen war ich noch in den Bergen, jetzt bin ich schon viel weiter unten, zwischen ca 300m und 500m. Es ist sehr hügelig und manchmal auch steil. Anstatt über einen oder zwei Berge, geht es jetzt über sieben Hügel, also ständiges auf und ab, sodass man immer noch einige Höhenmeter macht.
Die Vögel zwitschern, die Grillen zirpen wie verrückt und in den kleinen Seelein, an denen ich ab und zu vorbeikomme, quaken die Frösche.
Nach gut vier Stunden und 15.6km bin ich in Bert. Man erinnere sich, das wäre die nächste Unterkunft gewesen, wenn ich nicht in diesem Wagen hätte übernachten können. Wenn ich das noch hätte machen müssen – prost Nägeli! Allerdings stand da auf dem Wegweiser 11km, das wäre ja noch gegangen.
Auf die Angaben auf den Wegweisern kann man sich absolut nicht verlassen, die stimmen eigentlich selten überein. In Bert gibt es einen Wegweiser nach St. Léon, 14.5km, nach vier Kilometern steht 10.5, klingt gut. Nach weiteren 800m heisst es 11km und nach den nächsten 6km sind es noch 9,5km, nach 500m noch 5km….
Am Nachmittag passiert mir etwas Blödes. Ich komme über einen schrecklichen Bauernhof an eine Strasse, geradeaus ein Weg. Ich finde keine Markierung, hm, also Handy konsultieren. Der blaue Punkt ist abseits des Weges, als ob ich fast rechtwinklig davon abgebogen wäre. Also zurück, obwohl ich ziemlich sicher bin, dass ich den Zeichen gefolgt bin. Ich bin kaum 20m zurückgelaufen, sehe ich eine Markierung. Also bin ich doch auf dem richtigen Weg. Vielleicht wurde ja die Route wieder einmal geändert. Also wieder rechtsumkehrt, aber auch diesmal finde ich nichts an der Kreuzung. Nun gehe ich einfach anhand des Handys wieder Richtung GR3 und St. Léon. Ich komme jetzt aber von einer anderen Seite, als ich geplant hatte. So habe ich sicher zwei oder drei Kilometer mehr gemacht, also über 30km 🙁
Weil es so spät ist, habe ich mich schon mal telefonisch angemeldet. Hier gibt es nämlich eine gîte der Gemeinde und die arbeiten ja nicht ewig. Ich kriege eine Telefonnummer, wo ich mich melden kann, wenn ich da bin. Klappt alles bestens.
Die Frau fragt, ob ich zu essen hätte. Ich sage, nein, ob es ein Restaurant gäbe. Sie sagt, hier gebe es nichts. Einen Laden? Der macht gleich zu. Also schnell noch rein, aber das ist kein gewöhnlicher Laden, sondern einer mit Spezialitäten aus der Gegend, also Wurst, Käse, Mehl, Öl, Wein, Bier, Hasen in Gläsern und solche Sachen. Damit kann ich nicht viel anfangen. Ich kaufe dann Joghurt, Käse und noch Eier, und finde Ratatouille im Glas. Das kaufe ich mir, muss ich nur noch aufwärmen und ist sehr gut.
Das sieht böse aus für die nächsten Tage. Ich muss lange Etappen machen und froh sein, wenn ich unterkomme, Restaurants und Läden sind äusserst rar. Ich habe gedacht, jetzt komme ich wieder mehr in die Zivilisation, aber es wird immer weniger…
23. Mai – Von St. Léon nach Diou
Das sind knapp 20 km. Weil ich nicht mehr schlafen kann, studiere ich die Karten und Notizen. In Diou soll es einen Laden geben, der aber ausgerechnet am Mittwoch Nachmittag zu ist. Heute IST Mittwoch. Ich beschliesse früh zu starten und weiter als Diou zu wandern, denn morgen ist eine 30 km Etappe angesagt UND ich müsste noch einen Umweg über Bourbon-Lancy machen, weil ich wirklich dringend einkaufen muss. So könnte ich die morgige Etappe verkürzen. In Saint-Aubin-sur-Loire gibt es jemanden, der Zimmer anbietet. Das wäre ideal.
Also bin ich um 8h auf dem Weg. Irgendwann sehe ich auf einem Wegweiser, dass es nur noch 9km bis Diou sein sollen und ich denke, wenn ich jetzt ein bisschen Gas gebe, bin ich vor ein Uhr da und es besteht eine winzige Chance, dass der Laden noch offen ist. Meistens schliessen sie um 12.30h.
Ich bin schnell unterwegs. Es wird immer flacher, aber auch weniger spannend. Die Landschaft ist immer noch schön, es gibt viele Bäche und Hecken, von Menschen gepflanzt. Manchmal hat es rechts und links der Strasse eine 2m hohe Hecke, so dass man nicht viel sieht von der Umgebung. Gab es vorher noch ab und zu ein schnuckeliges Dorf, werden sie zusehends hässlicher. Die alten Häuser sind in einem desolaten Zustand und die neuen geschleckt. Kein erfreulicher Anblick.
Auch die Gärten gefallen mir im Allgemeinen nicht. Es gibt zwar nicht mehr so viele, die als Müllhalden genutzt werden, aber sie sind kahl. Im besten Fall sind sie gepflegt, aber auf eine Art, die ich gar nicht mag. Geschleckter Rasen, sonst nicht viel, vielleicht noch eine Azalee oder ein paar Koniferen. Es gibt viele neue Häuser mit solchen Gärten.
Irgendwann merke ich, dass ich es vielleicht sogar vor 12.30 h schaffen kann und ich fahre meine Beine aus. Um 12.25 bin ich da und sehe, dass die epicerie um 12.15 h schliesst. Oh nein! Aber immerhin ist sie heute Nachmittag nicht geschlossen. Ich gehe zur Tür und sie öffnet sich. Drinnen ist eine Frau, sie schaut mich an, sagt aber nichts. Dann zieht sie ein Rollo vor das Kühlregal. Ich frage: oh, schliessen Sie gerade? Sie antwortet, eigentlich ist der Laden schon zu, aber ich gebe Ihnen 5 Min.
Ich kaufe ein und beim Bezahlen sage ich, sie sei ein Engel. Sie meint, sie sehe, dass ich wandere und sie wisse, dass es schwierig sei, unterwegs einzukaufen. Nun sei sie zwar 5 Min länger dagewesen, aber dafür sei sie zufrieden. So schön!
Als ich aus dem Laden komme regnet es! Und ich wollte nun eine schöne lange Pause machen nach diesem Gewaltmarsch. An einem geschützten Platz packe ich meine Einkäufe ein. Als es nicht mehr regnet wandere ich ganz langsam los und suche einen guten Ort für meine Mittagspause. Ich hatte die Vorstellung am Flussufer auf einer schönen Wiese zu sitzen (nach fast zwei Wochen bin ich das erste Mal wieder an der Loire!)
Aber daraus wird wieder einmal nichts, es gibt keine Möglichkeit zum Ufer hinunter zu gehen. Irgendwann mache ich meine Pause, weil ich sie einfach brauche, egal wo, und wandere nachher noch die 5 km nach St. Aubin-sur-Loire.
Hier stellt sich heraus, dass alle Unterkünfte besetzt sind. In einem Café sind zwei junge Frauen, die im Internet für mich suchen. Schliesslich finden sie etwas. Es ist gut 10 Autominuten entfernt und zwar wieder zurück und durch Diou. Warum habe ich mich denn so beeilt heute Morgen?
Eine der Frauen fährt mich hin. Kaum sitzen wir im Auto, giesst es aus Kübeln, so dass wir kaum noch die Strasse sehen, die bald unter Wasser steht. Gott sei Dank bin ich nicht zu Fuss unterwegs.
Ein Mann öffnet und zeigt mir mein Zimmer, ich frage, ob ich da essen könne, allerding esse ich glutenfrei. Er sagt, das sei kein Problem, seine Partnerin esse auch glutenfrei. Na sowas. Auch meine allererste Gastgeberin in Alès hat gesundheitliche Probleme und hat gemerkt, dass es besser ist, auf Gluten zu verzichten.
24. Mai – Von St Aubin-sur-Loire nach Maltat
Nach einem ausgezeichneten Frühstück mit Beeren und Cracker, fährt Tuija mich wieder nach St. Aubin, so dass ich da starten kann, wo ich gestern aufgehört habe. Sie muss sowieso in diese Richtung.
Am Anfang wandere ich auf einem Weg, der auch Veloweg ist. Links und rechts stehen Bäume mit weissen Blüten, die in Trauben herunterhängen. Jedenfalls gestern noch. Nach diesem wahnsinnigen Regen gestern bedecken die Blütenblätter als matschige, glitschige Masse den Weg. Zweimal rutsche ich fast aus. Ein Grund mehr, den Asphalt zu meiden und im Gras zu laufen.
Hier ist die Route wieder einmal geändert worden, aber ehrlich gesagt, auch nach langem darüber Nachdenken, verstehe ich die Markierung nicht. Ich bin dann falsch gelaufen, weil ich der Sache nicht getraut habe und beschliesse dann, einfach nach meinem Handy mit der alten Wegführung zu laufen.
In einer Hecke hängen Raupen an einem seidenen Faden und versuchen, daran hinaufzuklettern. Das sieht witzig aus, weil man im ersten Moment nur die Raupen in der Luft schweben sieht.
Es ist fürchterlich heiss. Zum Glück kann ich oft im Schatten wandern. Es ist schon verrückt: vor anderthalb Wochen habe ich mich frierend durch das Schneegestöber gekämpft und jetzt röste ich hier in der Sonne.
Seit Tagen habe ich keine Wanderer mehr gesehen. Die beiden aus Orléans, die ich am Samstag zwischen Chabreloche und Lavoine gesehen habe, waren die letzten. Heute komme ich an der Abzweigung zum GR13 vorbei. Von daher kommen die meisten Pilger vom Norden her. Das heisst, ich werde von jetzt an gar niemanden mehr sehen, der auf der Route wandert. Ich sehe auch sonst tagsüber fast keine Menschen.
In Maltat, meinem heutigen Ziel gibt’s wieder einmal nichts, keine Unterkunft, kein Restaurant, nichts. Es ist auch schwierig, jemanden zu finden, um zu fragen. Schliesslich stellt sich heraus, dass ich etwa dreieinhalb Kilometer die Strasse entlangwandern muss, da gibt es Gastzimmer. Dieses Stück gibt mir den Rest, aber ich werde belohnt mit einem wirklich schönen sauberen Zimmer mit einem richtig guten Bad.
Es ist nämlich kaum zu glauben, in welch desolatem, schrecklichem Zustand die sanitären Anlagen im Allgemeinen sind. Will man den Wasserhahn aufdrehen, kommt der ganze Hahn, schlecht und hässlich gefugt, die Spülung funktioniert nicht und ich habe kaum ein Bad gefunden, ohne Schimmel. Offenbar kümmert sich einfach niemand um die Sachen, sie werden einfach nicht gepflegt. Es ist wirklich schlimm. Es geht nicht um Luxus und es müssen auch keine neuen Bäder und Armaturen sein, aber gepflegt und in funktionierendem Zustand, erwarte ich eigentlich schon, schliesslich bezahlt man ja dafür, wenn auch in den gîtes nicht viel. Bei den Zimmern wird aber manchmal schon abkassiert, aber offensichtlich nichts investiert.
Wenn man alleine ist, bezahlt man natürlich immer mehr. In den gîtes bezahlt jeder gleichviel für sein Bett, bei den Zimmern zahle ich oft einfach das Zimmer für zwei. Bei den einen ist es ein bisschen günstiger alleine. Zu zweit könnte man jedenfalls viel günstiger unterkommen.
Meine Gastgeberin bringt mir auch eine Karte und Prospekte mit Unterkünften und Restaurants. Sie sagt, von jetzt an gebe es wieder mehr Möglichkeiten, auch zum Einkaufen. Da bin ich froh, denn so kann ich tageweise einkaufen und muss nicht so viel schleppen. Ausserdem wird es bei diesen Temperaturen zunehmend schwieriger, Lebensmittel ein paar Tage lang mitzutragen. Heute ist mir fast der Käse davongelaufen…
Ich habe gestern Abend tatsächlich noch eine Beiz gefunden. Eine Bar, sieht von aussen schrecklich aus, war aber meines Wissens der einzige Ort, wo man an diesem Abend etwas essen konnte. Sie war innen ganz nett und ich habe sogar gut gegessen.
Mit dem wifi hat es nicht so gut geklappt. Ich konnte zwar wieder einen Tag auf die Website stellen, aber es war so mühsam, dass ich es aufgegeben habe. Da, wo ich Texte einsetzen kann, steht: dies ist ein Absatz, schreiben Sie Ihren Text…blablabla. Das muss ich jeweils löschen und meinen Text reinkopieren. Wenn dann aber mit dem Speichern etwas nicht klappt, steht auf meiner Website: dies ist ein Absatz….. wie bescheuert ist denn das?!?
Diese Nacht habe ich 10 Stunden geschlafen und dachte am Morgen, dass ich wohl schon ein bisschen krank war, und dass es eigentlich besser wäre, noch einen Tag zu bleiben. Dazu hatte ich aber gar keine Lust. Ich dachte, vielleicht könnte ich aus den 18km zwei ganz kurze Etappen machen, aber es gibt keine gîtes dazwischen. Da, wo ich ein Bett reservieren möchte, nimmt nie jemand ab, es kommt immer eine Automatenstimme, die ich nicht verstehe.
Ich möchte sowieso noch zur Toiristeninfo und fragen, ob sie noch weitere Führer für die Loiretour haben. Aber die haben hier überall nur genau das Material für ihre Gegend und sonst von Tuten und Blasen keine Ahnung.
Um die gîte für heute zu reservieren, musste die Frau mehr als eine halbe Stunde rumtelefonieren, bis sie jemanden am Draht hatte, der Bescheid wusste. Heute sei eben eine Brücke, meinte sie. Da habe ich gesagt, an solchen Tagen, müssten die doch erst recht da sein und offen haben, schliesslich gäbe es viele Leute, die dann Ferien machen und wandern wollten. Ja, bei ihnen sei das eben nicht so. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Wenn man Geld verdienen will, muss man dann aufmachen, wenn die Leute kommen und nicht dann, wenn gähnende Leere herrscht. Aber so gibt es halt weniger Arbeit….
Manchmal frage ich mich schon, wo ich hier eigentlich bin. In Europa? Ich meine, es muss ja nicht immer überall so geschmiert laufen, wie in der Schweiz oder in Deutschland, aber dass hier manchmal so ein himmeltrauriges Niveau herrscht, erstaunt mich dann doch ein bisschen….
Mein topoguide ist von 2016, also noch relativ neu, aber offensichtlich gehen gîtes und Hotels auf und zu am Laufmeter. Die Leute machen häufig eine gîte auf, weil sie dann für die Renovation Geld kriegen vom Staat, nach ein/zwei Jahren machen sie wieder zu.
Ich habe unterwegs ein paar gîtes gesehen, die nicht im Führer sind. So kann man einfach nicht planen. Ich kann es ja nicht einfach daraufankommen lassen und wenn ich dann eine gîte brauche, hat es keine. Die im Internet zu finden (falls ich überhaupt eine Verbindung habe), ist schwierig, wenn man die Gegend nicht genau kennt.
Natürlich starte ich sehr spät nach dieser ganzen Übung. Ich habe 18km vor mir. Ich starte auf 500m gehe dann langsam auf 700m, steil hinunter auf 500m, über einen Fluss, steil hinauf auf 800m, wieder hinunter auf 500m, wieder Fluss und am Schluss wieder auf 820m. Das heisst, am Schluss werde ich gleichviele Höhenmeter gemacht haben wie über den Mont Lozère, einfach steiler und noch mit ein paar ebenso steilen Abstiegen dazwischen.
Es ist eine sehr schöne Strecke. Ausser am Anfang sieht und hört man nichts von Strassen. Es gibt ein paar wirklich wunderschöne alte Steinhäuser, toll renoviert. Am ersten Fluss stehen zwei schöne, die würde ich mir auch gefallen lassen, auch die Lage ist der Hammer.
Nachher kommt der erste steile Aufstieg. Ich bin froh, dass ich hier hinauf muss und nicht hinunter. Das hier ist eher ein Bachbett als ein Weg. Felsig und mit Steinbrocken übersät. Oben hat es ein kleines Dorf und schon geht’s wieder bergab. Plötzlich ist eine Abzweigung signalisiert, wo’s eigentlich keine hat, und zwar nicht mit den üblichen Markierungen, sondern mit rot-weissen Plastikbändern. Die habe ich schon öfters gesehen. Sie sind immer im Einsatz, wenn es Änderungen oder Umleitungen gibt.
Ich zögere, sehe aber auf der Strasse keine weiteren Markierungen. Auf der Karte ist zu sehen, dass die Strasse eine grossen Bogen macht, das heisst, es sieht eher so aus, dass man auf der Strasse drei Seiten eines Vierecks abläuft, und der markierte Pfad die Route sozusagen auf der vierten Seite abkürzt. Also versuche ich es. Es hängt ca alle 20 m ein Bändel, sieht gut aus, bis es dann plötzlich wieder aufwärts geht und für meinen Geschmack zu weit links. Hhmm, was tun? Wieder zurück? Stinkt mir, also weiter. Auf der Karte ist dieser Weg gar nicht eingezeichnet, darum weiss ich auch nicht, wohin er geht. Er ist so gut markiert, dass es mir vorkommt, wie im Märchen, wo man so in die Räuberhöhle oder zum Hexenhaus gelockt wird. Bin ja mal gespannt, wie mein Hexenhaus aussehen wird, obwohl ich es mir schon denken kann, wenn ich die Karte anschaue…
Und richtig, bald bin ich unten am Fluss, aber es gibt keine Brücke! Na bravo! Bändel hängen plötzlich auch keine mehr. Überquere ich jetzt den Fluss, da, wo ein Karrenweg hinein und auf der anderen Seite wieder hinausgeht? Oder folge ich dem Weg weiter? Im Zweifelsfalle geradeaus. Ich merke mir aber die Stelle, weil ich denke, da komme ich über den Fluss. Ausserdem hat es auf der anderen Seite, laut meiner Karte, zwei Wege, die hinaufführen zur Strasse.
Nachdem ich ein Stück weitergegangen bin, sehe ich, dass ich da sicher nicht über den Fluss komme. Ich breche meinen Versuch ganz schnell wieder ab und wandere zurück. Da bemerke ich, dass es schon noch mehr Bändel hat, aber die führen ganz steil wieder hinauf. Ich frage mich, wohin? Wieder ins Dorf? Da will ich nicht hin. Vielleicht weiter oben über den Fluss? Keine Ahnung. Das ist mir zu unsicher und ich beschliesse, den Fluss zu überqueren. Ich suche eine passierbare Stelle und einen guten Stock, ziehe Schuhe und Socken aus, binde die Bändel zusammen, hänge mir die Schuhe um den Hals und kremple die Hosenbeine hoch. Und los geht’s!
Ich hoffe bloss, dass es mich nicht umhaut. Erstens weiss man nicht, ob man das heil übersteht (und wahrscheinlich habe ich hier unten ja keinen Empfang zum telefonieren) und zweitens sind dann alle meine Sachen nass und ich schleppe das ganze Wasser nachher den Berg hoch. 🙁
Ich schaffe es mit einem kleinen Stolperer am Schluss. Ich finde sogar den kleinen Pfad, der wirklich eine Abkürzung ist und folge ihm. Verlaufen kann ich mich nicht: unten ist der Fluss, oben die Strasse, solange ich aufwärts gehe, ist alles gut. Da ich ja meistens optimistisch bin, kommt es mir gar nicht in den Sinn, dass der Pfad auch irgendwo überwachsen sein könnte. Aber alles klappt bestens und bald bin ich am Ziel und in der gîte, die sogar sauber ist. Einziger Makel: kein warmes Wasser!
12. Mai – Von Valprivas nach Estivareilles
Heute habe ich lausig geschlafen, ich war hellwach und es hat mich überall gejuckt. Manchmal habe ich das Gefühl in diesen gîtes habe es Viecher. Ist ja nicht abwegig und die einen sind wirklich nicht sehr sauber. Da muss man dann grosszügig darüber hinwegsehen. Ich sehe aber nie irgendwelche Viecher, es juckt nur, aber das passiert natürlich schon, wenn man nur daran denkt, ist also kein Beweis…
Ich bin ziemlich spät aufgebrochen, da ich ein eher leichtes Programm habe. Die Strecke ist knapp 18km lang, aber ohne grossartige Steigungen. Ich bewege mich zwischen 800m und knapp 1000m durch Wälder und an Wiesen und Feldern entlang. Immer wieder hat man eine tolle Aussicht. Von der Kirche von Leignecq könnte man theoretisch sogar den Mont Blanc sehen, wenn es denn klar wäre. Ist es aber nicht. Am Morgen schwitze ich noch in der Sonne, am Nachmittag macht es zu, dann wird es immer schnell kühler.
Seit ich von Retournac aufgebrochen bin, sehe ich kaum Wanderer, und wenn, tragen sie einen kleinen Tagesrucksack. Nur heute ist mir ein Mann begegnet, der auch eine längere Tour macht. Bin gespannt, wie das dann ist, wenn ich über die Berge wandere. Es wird wieder bis auf ca 1500m gehen Anfang Woche.
Im Hintergrund Leignecq
Estivareilles
13. Mai – Von Estivareilles nach Saint-Anthème
Oh, nein! Es schneit!! Das ist ja ziemlich unnötig. Ich habe aber schon ein Hotelzimmer reserviert, drum mache ich mich auf die Socken. 20km im Schnee.
Ich habe mich fast zu warm angezogen. Es ist windstill, schneit ganz nass und es liegt etwas Schnee. Die Birken sind ganz gebeugt und versperren oft den Weg und es gibt jede Menge riesiger Pfützen. Manchmal muss ich von Insel zu Insel hüpfen oder von einem Ufer zum andern.
Bei Montarcher verzichte ich darauf, den Kirchenhügel zu erklimmen. Von da aus kann man bei guter Sicht wieder einmal den Mont Blanc sehen. Aber heute wird man den Mont nicht sehen, sondern nur blanc, da kann ich mir das sparen.
Langsam könnte ich eine Pause brauchen, ich bin müde und hungrig. Bei dieser Nässe gibt es jedoch keine Möglichkeit, auszuruhen und ich esse meine Notration Nüsse (die gehen mir auch langsam aus).
In Ferréol suche ich einen trockenen, windgeschützten Unterschlupf und verdrücke meinen Zmittag. Nachher habe ich richtig kalt und muss gegen den immer stärker werdenden Wind kämpfen. Meine Pelerine ist vorne weiss, statt rot und dicht ist sie auch nicht :-(( Zum Glück sind die Jacke und die Regenhose wasserdicht.
Ich muss von der GR3 weg ins Tal hinunter, weil das die einzige Möglichkeit ist, ein Bett zu bekommen. Ich wollte auch schon für morgen Abend reservieren und habe in die gîte telefoniert. Man hat mir freundlich erklärt, dass man da nicht übernachten kann…
Das ist manchmal etwas frustrierend auf dieser Strecke. Es ist so schwierig, Unterkünfte zu kriegen. Auf den guide kann man sich schlicht nicht verlassen. Jetzt muss ich alles umplanen. Morgen wieder auf die Route hinaufzugehen, nur um abends wieder runterzulaufen zum Schlafen, finde ich sinnlos. Deshalb werde ich mir einen anderen Weg suchen und erst von der nächsten Herberge aus wieder hinaufgehen.
14. Mai – Saint-Anthème
Heute morgen versuche ich, die nächste Unterkunft nach meiner neuen Planung zu erreichen. Es kommt nur ein Automat. Soweit ich verstehe, haben sie am Montag geschlossen, na super, heute IST Montag. Heisst das nun, das Restaurant ist zu und man kann übernachten oder heisst das, ganz zu? Meine Wirtin weiss keinen Rat. Ich habe keinen Bock, fast 20km durch Regen und Kälte zu wandern, um am Ende vor verschlossener Türe zu stehen. Ausserdem muss ich noch einkaufen für die nächsten paar Tage, da hier die letzte Gelegenheit ist. Laut meiner Wirtin ist aber das Dorf am Montag tot, mit anderen Worten, alles zu. Wieder eine Zwangspause!
Immer, wenn das „Schicksal“ mir eine Zwangspause verordnet, ist das Wetter grässlich, Regen und Kälte. Deshalb habe ich keinen Grund, mich zu beklagen, sondern im Gegenteil, ich bin dankbar für diese verschlossenen Türen. Heute hätte ich wieder ohne Pause laufen müssen und das ist doch recht anstrengend.
Die Wirtin gewährt mir einen Sonderpreis und ist sehr hilfsbereit. Sie zeigt mir ein paar Möglichkeiten für kleinere Ausflüge. Da es allerdings wirklich den ganzen Tag regnet, beschränke ich mich auf einen Dorfrundgang nach dem Mittag. Es ist 3 Grad „warm“.
Nachher versuche ich, einen Mittagsschlaf zu machen, aber bald kommen neue Gäste in mein Nebenzimmer. Da es eine Durchgangstüre hat, ist es, als ob sie sich in meinem Zimmer unterhalten würden, und wenn sie die Schubladen der Kommode öffnen oder schliessen, klingt es, als ob sie gleich ummöblieren würden (was in den kleinen Zimmern gar nicht möglich ist).
Ich arbeite an meinem Blog und lade weitere Karten herunter für die nächsten Etappen. Bei dem langsamen Internet bin ich also durchaus beschäftigt 😉
Meine Nachbarn stellen sich als unerträglich heraus. Vorallem die Frau hat nicht nur eine Chifelstimme, sie ist auch furchtbar laut und putzt ihren Mann dauernd runter. Der arme Kerl hat wohl noch nie etwas richtig gemacht. Sie streiten dauernd über irgendwelche Kleinigkeiten, und selbst wenn er telefoniert päpt sie ununterbrochen drein. Om – ich werde froh sein, wenn ich wieder alleine bin und meine Ruhe habe….
15. Mai – Von St. Anthème nach Sichard
Die Hotelbesitzerin ist ungemein hilfsbereit. Sie versucht immer wieder, die Unterkunft auf Col des Soupeyres zu erreichen. Schliesslich gelingt es ihr. Die gîte ist auch heute geschlossen. Me…, direkt nach Col du Béal zu wandern, ist einfach zu weit. Vielleicht könnte ich ein Taxi nehmen nach Col des Soupeyres? Die Wirtin meint, das sei kompliziert, aber sie könne mich dahinfahren. Also in der Herberge Col du Béal anfragen, ob ich heute da schlafen kann. Nein, geschlossen, die haben 20cm Schnee.
Nun denke ich, ich verdufte aus dieser Gegend. Geht auch nicht, es gibt keinen Bus und nichts, ich könnte höchstens meinen Daumen rausstrecken und hoffen, dass mich jemand mitnimmt. Ich bin gestrandet!
Da ruft einer zurück aus einer anderen Unterkunft, das wäre vielleicht die Lösung, aber morgen muss ich doch nach Col du Béal und die haben ja zu. Meine Gastgeberin gibt nicht auf und ruft dort nochmals an, ob ich wenigstens morgen dort übernachten könnte. Bis dahin sei der Schnee ja wohl geschmolzen, da es ja wärmer werden soll. Schliesslich willigt der Mann ein. Er wird extra für mich raufkommen um 17h.
Also kann ich heute Richtung Sichard wandern, was eine sehr leichte Tour ist, nur ca 11km und alles auf Strassen. Hier verschätzt sich komoot zum ersten Mal gründlich. Ich brauche nur gut 2 Stunden und nicht 3, obwohl ich gemütlich wandere.
Es ist ein bisschen wie im Appenzellerland: über die Hügel verstreute Höfe, nur fehlen die zackigen Berge im Hintergund und die Häuser sind aus Stein und nicht aus Holz.
Die gîte, in der ich gelandet bin, ist der Hammer: Wunderbare Lage hoch oben am Hang, sehr schönes, geschmackvoll eingerichtetes Haus, alles öko und bio. Es gibt ein paar Zimmer im Haus und zwei Jurten. Ich bekomme ein Zimmer und bin vorläufig der einzige Gast.
16. Mai – Von Sichard zum Col du Béal
Nach zwei Kilometern bin ich wieder auf dem GR3. Die heutige Route geht über die Berge, ich wandere zwischen 1250m und 1600m.
Das Wetter ist wesentlich besser als die Tage davor, schon bald ziehe ich meine Jacke aus. Es ist eine wunderschöne Strecke und es gibt wieder Osterglocken und Veilchen, Erika und viele Heidelbeerbüsche. Leider ist ja noch nicht Beerensaison, sonst würde ich mich da durchschnabulieren 🙂
Ich höre wieder einen Kuckuck und muss schmunzeln: er scheint heiser zu sein. Der zweite Teil seines Rufes kommt ziemlich kratzig heraus.
Schade ist nur, dass man nicht sehr weit sieht, weil es so dunstig ist und auch immer wieder Wolken kommen und gehen. Bald sieht es so aus, als würde ich weiter vorne in den Nebel kommen, aber glücklicherweise löst er sich immer wieder auf.
Plötzlich höre ich wieder eine Lerche. Ich habe schon vor einer Weile gedacht, das sei ein Ort für Lerchen. Mit der Zeit werden es immer mehr. Von allen Seiten zwitschert es. Auch Osterglocken gibt es immer mehr. Zuerst waren es Büschel und die meisten waren schon verwelkt, aber je höher ich komme, desto mehr hat es, die frisch blühen. Die Hügel sind gelb getüpfelt so weit das Auge reicht.
Es windet ziemlich und ich habe natürlich wieder Gegenwind. Es ist aber zum Glück nicht kalt. An einem geschützten Platz esse ich meinen Zmittag, ich geniesse Sonne und Wärme. Plötzlich kommt von oben ein Wanderer, ein junger Mann aus Belgien. Er pilgert von zu Hause nach Compostela. Einer der Jakobswege verläuft hier auf dem GR3. Wir reden lange miteinander. Es ist ein schönes, berührendes Gespräch. Er ist ein Stück weit mit anderen unterwegs, das heisst tagsüber wandert jeder alleine, aber abends treffen sie sich immer in den Unterkünften. Auch schön!
Er hat einen Führer für den Jakobsweg, keine Karten, aber genaue Beschreibungen, was es in den Ortschaften so hat, Unterkünfte, Restaurants, Geschäfte usw. Ich mache ein paar Fotos davon für meinen Weg nach Chabreloche und er erzählt mir, wo es besonders schön war.
Am Schluss der Wanderung wird es frisch und ich bin ziemlich müde. Es kommt jemand extra rauf, um für mich die gîte zu öffnen und mir ein Nachtessen zu machen. Aber es ist ziemlich kalt hier. Ich werde mir wohl ein paar extra Decken schnappen und bald ins Bett kriechen.
17. Mai, vom Col du Béal zum Kloster Notre Dame de l’Hermitage
Am Morgen sehe ich nur weiss, dicker Nebel. Wieder keine Chance die Aussicht zu geniessen, schade. Deshalb spare ich mir die Besteigung des Aussichtshügels und marschiere los. Am Anfang ist es kalt und ich habe natürlich wieder Gegenwind.
Es hat Gras, Erika, Heidelbeerbüsche. So weit ich sehen kann, ist es sehr schön hier oben. Ab und zu wird es heller und ich hoffe, die Sonne komme durch, aber sie schafft es nicht.
Auf dem Col de la Loge muss ich die Fortsetzung des Weges suchen. Laut Karte muss ich zweimal links abbiegen, also fast wieder in die Richtung zurück, aus der ich gekommen bin, aber der Weg ist überall abgekreuzt, das Zeichen, dass es hier NICHT richtig ist. Ich frage ein paar Männer, die hier arbeiten, aber sie haben keine Ahnung. Also gehe ich hinauf zum Restaurant. Eine nette Dame erklärt mir, wo’s lang geht. Offenbar wurde die Route vor zwei Jahren geändert, weil der Weg über Privatland ging und die Besitzer das nicht mehr wollten. Also musste eine neue Route gesucht und markiert werden. Ich musste gerade in die entgegengesetzte Richtung gehen, als auf der Karte eingezeichnet. Ich habe ja den Weg aus dem Internet auf meine App übertragen und es ist nicht das erste Mal, dass der Weg anders verläuft, als ich eingetragen hatte. Ist also nicht sehr aktuell.
Hier ist praktisch alles Land in privaten Händen, so scheint es mir und es ist immer eingezäunt und mit zahllosen Schildern „propriété privée“ umgeben. Ich verstehe ja, dass man das Land einzäunt, wenn man Tiere darauf hält oder vielleicht zum Schutz vor Wildschweinen, aber es wimmelt auch immer von Schildern: Privatbesitz, betreten verboten, Durchgang verboten. Es ist schon ein bisschen bemühend. Oft ist es auch schwierig für die Mittagspause ein Plätzchen etwas abseits zu finden, weil links und rechts des Weges ein Stacheldrahtzaun steht.
Dass man den Leuten nicht durch den Garten trampelt, sollte selbstverständlich sein und dass man dem Bauern nicht das schon hohe Gras niedertreten sollte, ist auch klar, aber es tut doch niemandem weh, wenn ein Wanderer unter den Apfelbäumen sein Picknick und seine Siesta hält. Aber nicht hier. Das ist schade. Ich habe oft am Wegrand gegessen mangels Alternative. Da praktisch niemand unterwegs ist, ist es nicht so schlimm, aber auch ein bisschen unnötig.
Nach dem Col de la Loge wird das Wetter ein bisschen besser, ein paar Mal bricht sogar die Sonne durch. Jetzt bin ich im Kloster und muss mich erst mal auf die Suche nach Klo und Dusche machen. Sie haben sie gut versteckt, obwohl sie ganz neu sind, aber – was nicht das erste Mal ist – bei den Klos gibt es keine Lavabos. Das finde ich schon ein bisschen seltsam.
4. Mai – Von Le Bouchet-St.-Nicolas nach Le Monastier-sur-Gazeille
Mein heutiges Ziel: Le Monastier
Heute habe ich eine happige Etappe vor mir, 24 km. Schien mir eigentlich ok zu sein, aber meine Zimmernachbarin, eine junge Frau, kam gestern von Le Monastier und war echt erschöpft. Sie meinte, es sei brutal gewesen. Da bin ich ja mal gespannt.
Meine App sagt mir, dass ich 6 1/2 Stunden brauchen werde, 720m runter und 440m rauf. Die ersten 300m geht es über 11 km mehr oder weniger stetig runter, dann muss man zur Loire hinunter, teilweise sehr steil, und auf der anderen Seite noch steiler und ein Stück höher hinauf. Dann geht’s wieder ein bisschen rauf und runter und dann noch einmal in ein Flusstal hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf ins Dorf. Ich gehe es respektvoll an. Die junge Frau hat gesagt, ich müsse aufpassen bei den Abstiegen, weil es so steil ist.
Am Morgen ist es wieder bitterkalt. Ich kaufe noch ein wenig Proviant ein und los geht’s. Heute ist das Wetter trüb und düster, die Sicht schlecht. Mir scheint, ich habe immer Gegenwind, egal, in welche Richtung ich laufe…
Die Markierungen sind nicht mehr so zuverlässig, wie bis jetzt. Schon gestern bin ich einmal falsch gelaufen. Nachdem ich ja am Anfang ein paarmal eine Abzweigung verpasst hatte und es sehr mühsam war, immer das Tablet hervorzukramen (ich hatte die Karten daraufgeladen, weil ich dachte, das sei übersichtlicher und spiegle weniger als das Handy), hatte ich alle Karten aufs Handy geladen. Jetzt kann ich einfach, wenn ich unsicher bin, das Handy zücken und schauen, wo ich bin. Da gibt es nämlich einen freundlichen blauen Punkt, der mir immer exakt meine Position anzeigt. Er hat mich schon ein paar Mal gerettet.
In dieser Kälte, in der ich einfach keine Pause machen kann, träume ich von einer warmen Suppe. Nach ca 8 km gibt es ein Café, wo ich das kriegen könnte. Ich entscheide mich aber dagegen. Ich bin erst gut 2 Stunden unterwegs und habe noch ungefähr 4 1/2 vor mir. Die grosse Pause mache ich lieber, wenn ich schon die Hälfte hinter mir habe…
Nach gut der halben Strecke kommt der Abstieg ins Loiretal. Etwa auf halber Höhe begegnen mir zwei Männer. Der erste scheint halbwegs fit zu sein, der zweite pfeift bald aus dem letzten Loch. Ich muss fast ein bisschen schmunzeln. Da schaut er mich an und sagt, ich solle nicht lachen, mir stehe dasselbe auf der anderen Seite bevor. Da muss ich erst recht lachen und antworte, ich wisse es schon. Ich muss ja noch höher aufsteigen als sie. Sie müssen dann aber fast den ganzen Rest des Weges aufwärts gehen.
Bei den letzten beiden Etappen bin ich mal im Vorteil, meistens hatte ich es ja strenger als die anderen. Über die ganze Strecke mache ich 500 Höhenmeter mehr, als die, die richtig laufen, heute aber mache ich weniger.
Ich gehe langsam in die Steigung. Meine Beine scheinen einfach nie kräftiger zu werden. Ich hoffe immer, dass es doch irgendwann leichter sein würde, scheint aber nicht so. Trotzdem geht es mir erstaunlich gut und ca eine Stunde vor dem Ende bin ich ganz zufrieden mit mir.
Nun muss ich noch einmal in ein Flusstal hinuntersteigen. Das ist ein alter Römerweg, der mit Steinbrocken gepflastert ist. Der ist dermassen uneben, dass es extrem mühsam ist, da hinunter zu gehen. Jetzt verstehe ich den Wanderer, der gesagt hat, die Römer hätten uns keinen Gefallen getan. Dieser Weg ist der Killer und gibt mir den Rest. Ich bin froh als ich endlich unten bin. Jetzt muss ich wieder eine steile Strasse hinauf ins Dorf. Ich krieche, wie eine Schnecke…
Am Ende habe ich fast sieben Stunden Marschzeit und nur eine ca 20 minütige Pause nach etwa 4 1/2 Stunden. Diesmal bin ich wirklich ko und die Füsse tun mir weh nach diesem vermaledeiten Römerweg.
Ich habe heute einige andere GR Wege gekreuzt, einer davon ein Vulkanweg. Die ganze Gegend ist voller „Gupfe“, die nach Vulkankegel aussehen. Schade ist die Sicht nicht besser, bei Sonnenschein und klarer Sicht, sieht das sicher fantastisch aus.
Ich werde immer wieder gefragt, ob ich nicht Angst habe. Ich frage mich dann immer, wovor? Abends bin ich ja in den gîtes oder in einem Hotel und tagsüber begegne ich immer irgendwelchen Wanderern. Zu Hause mache ich ja auch Tagestouren allein. Wo ist da der Unterschied? Ich mache hier einfach jeden Tag eine Tagestour. Ich lebe immer im Heute. Das Wandern ist sowieso eine gute Übung, im Jetzt zu leben. Wenn man sich schon vorher vor den Strapazen fürchtet, wird es bestimmt hart. Wenn man aber einfach immer JETZT einen Schritt macht, spielt es keine Rolle, was vorher war oder was kommt.
Der Aufstieg ins Dorf ist auch so eine Übung. Im ersten Moment denke ich, das schaffe ich nicht mehr. Ich weiss aber genau, dass ich es schaffe, ich muss nur einen Fuss vor den anderen setzen und nicht schauen, wie weit es noch ist. Dann bin ich in meinem Rhythmus und kann noch weit hinauf gehen.
Am Ende bin ich oben und suche noch eine halbe Stunde die Touristeninfo, die dann zu ist. Also muss ich selbst eine Unterkunft ausfindig machen.
Da muss ich jetzt 170m ins Tal hinunter und auf der anderen Seite wieder 240m hoch!
Le Monastier-sur-Gazeille
5. Mai – Von Le Monastier-sur-Gazeille nach Le Puy-en-Velay
Le Puy-en-Velay
Eigentlich könnte ich heute eine Pause brauchen. Da das aber die letzte Etappe vor Le Puy ist, wo ich sowieso ein/zwei Tage pausieren will und ausserdem die gîte nicht gerade der Hammer ist, ziehe ich es durch. Statt fast drei Wochen habe ich nur 15 Tage gebraucht. Allerdings habe ich ja eine Strecke ziemlich abgekürzt, wo ich sonst zwei Tage gebraucht hätte. Aber diese Woche bin ich immer zwischen 19 und 24 km gewandert.
Die heutige Strecke sieht vom Höhenprofil her ähnlich aus wie gestern, auch zweimal in ein Flusstal runter, aber alles sanfter. Nicht so weit, viel weniger Höhenmeter und nicht so steil. Meine App meint, 5 1/2 Stunden.
Am Morgen ist es noch frisch, 7 Grad, und trüb und feucht, aber in Puy, das ein Stück tiefer liegt, soll es heute 20 Grad werden. Ich freue mich schon darauf. Nach einer Stunde ziehe ich die Jacke aus. Das erste Mal in dieser Woche, dass ich ohne wandern kann! Bald verschwinden Armstulpen, Schal und Stirnband, dann die Fleecejacke und irgendwann muss ich wirklich verschwinden und die Schläuche ausziehen. Ich hätte sie gar nicht erst anziehen sollen, aber in dieser Woche habe ich so oft gefroren, dass ich lieber vorsichtig sein wollte.
In Coubon an der Loire ist es schon 21 Grad! Unterwegs komme ich mit einer jungen Frau ins Gespräch, die in die Gegenrichtung läuft. Sie will diese Woche wandern und hat versucht, gîtes zu buchen, aber überall ist schon alles besetzt. Ich habe bis auf einmal nie reserviert, habe mich immer darauf verlassen, dass ich schon etwas finde. Es hat auch immer geklappt, oft war ich sogar die einzige. Aber langsam wird es wärmer und nächste Woche ist eben eine Woche mit zwei Feiertagen. Einer am Dienstag und am Donnerstag Auffahrt. So machen natürlich viele Ferien. Da muss ich dann auch aufpassen und reservieren, wenn es nicht schon zu spät ist. Ich weiss ja noch nicht einmal genau, wo ich weiterwandern werde. In Puy soll es auch sehr viele Leute haben, ich muss also früh da sein.
Jetzt wäre mal Wetter zum Pausen machen und eine Siesta geniessen und jetzt muss ich vorwärts machen. Ich habe nämlich heute Morgen auch noch einen Termin abgemacht bei einem Osteopathen, weil mein Becken blockiert ist und sonst noch so einiges nicht ganz stimmt. Das stört mich zwar nicht beim Laufen, aber beim Schlafen. Ich habe gefragt, ob er am Montag Zeit hätte für mich. Er meinte, Montag ginge nicht, aber ich könne heute Abend kommen. Um 18h muss ich da sein.
Wenn man das letzte Stück nach Puy runterkommt, ist das ein wunderbarer Anblick auf die Marienstatue, die Kathedrale und die Dächer der Altstadt.
Ich gehe schnurstracks zur Turi-info, um mir ein Bett zu ergattern. Alles, was günstig ist, ist vollkommen ausgebucht. Puy ist halt der Ausgangspunkt für die Jakobspilger und für viele andere Wanderstrecken und es ist Samstag. Da reisen wohl alle an, die nächste Woche wandern wollen. Mit etwas Glück und Eigeninitiative finde ich schliesslich ein bezahlbares Zimmer für drei Nächte. Erstens möchte ich ein wenig ausruhen und zweitens die Stadt anschauen.
Der Osteopath ist sehr nett und flickt mich wieder zusammen, sodass ich hoffentlich fit bin für die nächsten drei Wochen.
Das Ende des Stevensonweges
Ich habe den Weg von Süd nach Nord zurückgelegt.
Hier noch ein paar Zahlen:
Der tiefste Punkt: 127m
Der höchste Punkt: 1699m
Da ich ein paar Strecken verändert oder ausgelassen habe, habe ich ca 227 km zurückgelegt, schätzungsweise 7400 Höhenmeter erklommen und bin ungefähr gleichviele Meter runtergestiegen.
Ich habe unten rechts bei Alès angefangen, also erst die blaue, dann die grüne, rosa und orange Strecke von unten nach oben zurückgelegt.
6./7. Mai – Le Puy-en-Velay
Le Puy ist eine coole, alte Stadt mit vielen engen Gassen, kleinen Plätzen und vielen geschichtsträchtigen Gebäuden. Die Stadt ist voller Leben, es gibt viele Restaurants, wo man draussen sitzen kann. Am Samstag Abend ist überall alles voll.
Am Sonntag ist natürlich nicht so viel los, aber es gibt immer noch viele Gäste, die durch die Gassen spazieren und sich die Sehenswürdigkeiten ansehen.
Ich steige zum höchsten Punkt, wo die Statue der Jungfrau mit Kind die Stadt überblickt. Von hier hat man eine tolle Aussicht über die Dächer der Altstadt und die umliegenden Hügel. Ich steige in der Statue über eine enge Wendeltreppe bis in den Kopf. Dort muss man noch auf einer Leiter etwa 3m höher steigen, dann kann man seinen Kopf in die Glaskuppel stecken und hat einen Rundumblick.
Die Kathedrale ist auch sehr eindrücklich. Man betritt sie über eine grosse Treppe, aber drinnen ist man noch nicht im Hauptschiff, sondern die Treppe geht noch ein gutes Stück weiter, bis man auf der oberen Ebene ist. Der ganze obere Teil der Stadt ist sehr steil, deshalb sind die Eingänge oft auf verschiedenen Ebenen.
Le Puy ist schon seit dem 12. Jahrhundert ein Zentrum für Pilger. Hier versammelten sich die Gläubigen, um dann in Gruppen zu pilgern. Mit der Zahl der Pilger ist auch die Stadt gewachsen. Es gibt sehr viele günstige Herbergen hier und auch Kirchen gibt es mehrere.
In den Sommermonaten werden abends acht verschiedene Bauwerke mit Videoprojektionen bespielt. Sieht hammermässig aus. Leider kann ich jetzt nur Fotos auf die Website stellen. Wenn ich dann wieder zu Hause bin, versuche ich, die Videos raufzuladen.
Ich versuche auch, herauszufinden, wie ich weitergehen soll. Ich wollte ja den Loireweg machen, aber da gibt es offenbar keine gîtes, das heisst, ich müsste immer ins Hotel. Das passt mir gar nicht. Da trifft man keine gleichgesinnten Leute und isst immer allein. Das finde ich nicht so witzig.
Im Shop des Touristenbüros hat man mir den Weg GR 300 empfohlen. Der geht über die Berge Richtung Orléans. Es gibt sogar eine App mit Karten, Unterkünften und Sehenswürdigkeiten. Ich habe mir die App auf’s Handy geladen, sie funktioniert aber leider nicht. Sie zeigt mir keine Route und auch sonst nichts an. Ist also nicht zu gebrauchen.
Nun muss ich doch den GR 3 nehmen, aber es gibt wirklich fast keine Unterkünfte. Ich werde zuerst gerade zwei Gewaltsetappen hinlegen müssen, um ein Bett zu finden. Ich habe jetzt den ganzen Abend an den Routen getüftelt. Es hilft nichts. Morgen muss ich telefonieren, ob überhaupt etwas frei ist. Notfalls kann ich immer noch da und dort etwas abkürzen…
St. Michel
8. Mai – Von Le Puy-en-Velay nach Vorey-sur-Arzon
Heute Morgen bin ich ziemlich müde und habe eine lange Etappe vor mir. Da heute und übermorgen Feiertage sind, habe ich ziemlich viel Futter dabei. Ich weiss nämlich nicht, ob ich morgen einen Laden finde. Somit ist mein Rucksack wieder richtig schwer, denn die meisten Kleider sind auch wieder drin, zudem habe ich noch einen Führer gekauft für die Strecke von Retournac nach Chabreloche.
Bis Retournac habe ich allerdings weder Karte noch Führer, nur das, was ich auf meine App geladen habe. Die ist zwar recht gut, hat aber den Fehler, dass man keine Offroadrouten planen kann. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn alle Wege wirklich auf den Karten wären. Das ist aber leider nicht so. Auf der heutigen und morgigen Strecke gibt es Stellen, wo die Route auf kleinen Wegen durch den Wald führt. Diese Wege gibt es auf der Karte von komoot nicht, und da man nicht offroad planen kann, kann ich die Route nicht einzeichnen. Die App macht dann einfach einen riesigen Umweg irgend einer Strasse oder einem Weg folgend.
Unterwegs ist das kein Problem, es gibt ja die Markierungen, die im Allgemeinen gut sind und sonst habe ich ja die Karte und den freundlichen blauen Punkt. Ich weiss aber nicht, wie lange die Etappe wirklich ist. Es ist nicht so einfach einzuschätzen, wie gross der Unterschied von der gewollten zur eingezeichneten Route ist.
Für heute sagt die App, dass ich 34km gehe und dafür 9 1/2 Stunden brauche. Ich weiss aber, dass ein grösserer Umweg eingebaut ist. Ich denke, ich werde sicher eine Stunde weniger lang wandern. Es stellt sich dann heraus, dass es 1 Stunde 20 Minuten weniger sind und am Schluss kürze ich noch ab, wo die Route noch auf und um einen Hügel geht. Das ist wahrscheinlich auch nochmals eine halbe Stunde weniger. Wahrscheinlich habe ich am Schluss ca 27km gemacht.
Es ist eine wunderschöne Wanderung. In Puy treffe ich einen Mann, der einen Ausflug zur Festung Polignac macht. Da meine Route auch da vorbeiführt, wandern wir zusammen und unterhalten uns über Gott und die Welt. Zum Schluss lädt er mich noch ein, bevor sich unsere Wege wieder trennen. Solche Begegnungen sind immer schön.
Dann gehts weiter durch Wiesen und Felder. Ich mache meine Mittagspause an einer Stelle, von wo ich einen traumhaften Blick auf die Loire und Lavoûte-sur-Loire habe. Ich sehe auf Brücken und ein Schloss hinunter und am Horizont die Vulkankegel.
Kaum habe ich fertig gegessen und will gerade meine wohlverdiente Siesta abhalten, als es zu tröpfeln beginnt. Also schnell alles zusammenpacken und Pelerine darüber. Es donnert nämlich schon seit längerer Zeit und ich habe Bedenken, falls es so richtig regnen sollte, dass der steile Abstieg durch den Wald schwierig werden könnte. Zum Glück hört es aber schon bald wieder auf.
An der Loire gönne ich mir nochmals eine Pause. Alle paar Minuten fällt ein riesiger Tropfen.
Nach Lavoûte komme ich durch eine liebliche Landschaft. Blühende Wiesen, Bäume und Hecken, eingebettet zwischen Hügeln und in der Ferne die Vulkane. Ab und zu höre ich Frösche.
Es gibt auch schöne Häuser mit fantastischen Gärten. Das ist eher neu. Bis jetzt waren die Gärten meist kahl und lieblos und oft als Abstellplatz genutzt.
Am Abend in der gîte treffe ich einen Belgier, der von zu Hause aus bis nach Santiago wandert. Das sind ca 2700km, wovon er jetzt ca 1000km hinter sich hat. Später kommt noch ein Franzose. Die beiden haben sich schon mal in einer gîte getroffen. Ich wandere offensichtlich wieder in die falsche Richtung.
Ich habe gedacht, der Loire abwärts zu folgen sei bestimmt die Hauptrichtung, aber Fehlanzeige. Ich denke allerdings, dass überhaupt nicht viele Leute auf dieser Route unterwegs sein werden. Die meisten machen den Jakobs- und viele den Stevensonweg.
Dementsprechend gibt es auf dieser Route hier auch nicht viele gîtes. Ich werde meine Tour anhand der Übernachtungsmöglichkeiten planen müssen.
Der Franzose warnt mich noch vor einem Stück Weg, das ich morgen zurücklegen werde: steil, sehr glitschig, va. bei Regen, und von vielen Büschen überwachsen.
9. Mai – Von Vorey-sur-Arzon nach Retournac
Noch eine lange Etappe. Bald merke ich, dass ich heute nicht sehr fit bin. Alles ist anstrengend. Ich hätte doch auf meinen Bauch hören sollen. Der hat mir nämlich gestern gesagt, ich solle noch einen Tag hierbleiben und eine leichte Tour ohne Gepäck machen. Ich habe mich verleiten lassen, weil die beiden Männer gesagt haben, es sei eine leichte Tour, nur 25 km. Für mich ist 25km auf und ab nicht leicht, das geht, wenn es einigermassen flach ist. Hier ist es aber oft steil. Die gîte ist jedoch auch nicht gerade toll, deshalb gehe ich doch weiter.
Auf dieser Loiretour kommt man immer wieder zur Loire. Dazwischen fliesst sie jedoch durch Schluchten und enge, gewundene, tief eingeschnittene Täler. Man kann also gar nicht gross an der Loire selber wandern. Man kommt zwar immer wieder zum Fluss, schneidet aber dazwischen die Schleifen ab. Was nach Abkürzung klingt, ist nur vermeintlich eine: man macht jedesmal schnell einmal 300 bis 400 Höhenmeter, das heisst man kraxelt über einen steilen Berg. An der Loire unten ist es warm und feucht, auf dem Berg oben jedoch richtig kalt und windig!
Bei meinem nicht so fitten Zustand heute, wird mir das bald einmal zuviel. Ich mache eine richtig gute, lange Mittagspause. Nachher geht es wieder besser, bis es auf den bewussten, gefährlichen Weg geht. Es ist wirklich mühsam und glitschig, aber es geht einigermassen, da ich dieses Stück aufwärts gehe. Irgendwann wird der Weg jedoch zu einem Bach und da es auf beiden Seiten, wie meistens hier, einen Zaun hat, kann man nicht ausweichen. Das heisst, mit je einem Fuss auf dem linken und rechten „Ufer“ wackle ich hin und her und versuche, nicht in den Bach zu rutschen. Es hängen immer mehr Büsche über den Weg, so dass ich fast nicht durchkomme. Zu allem Überfluss sind es meistens Dornbüsche. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich der Strasse gefolgt…
Oben werde ich aber wenigstens mit einem tollen Blick auf Retournac belohnt. Es folgt ein sehr schönes Stück durch den Wald. Plötzlich prescht eine Wildsau keine 5m vor mir über den Weg und in die Büsche. Das geht so schnell, dass ich nicht einmal Zeit habe zu erschrecken…. Auf der anderen Seite hinunter, gibt es wieder solch einen Bachpfad unter Büschen. Diesmal folge ich der Strasse. Es ist nämlich sehr mühsam mit dem grossen, hohen Rucksach unter Büschen durchzukriechen. Und es ist ja nur eine kleine Strasse ohne Verkehr.
Ich komme sehr spät in Retournac an, erst um 17.30h. Es ist eines der grösseren Dörfer auf dieser Route, wirkt aber heruntergekommen und trostlos. Eines der Hotels, die in meinem Guide von 2016 drin sind, sehe ich auf dem Weg durch das Dorf. Es ist definitiv geschlossen und sieht aus, als wäre es schon seit Jahren zu.
Der Belgier hat mir eine Adresse zum Schlafen gegeben, aber leider nehmen die das Telefon nie ab. Ich weiss, dass es hier nicht viel gibt und suche die Turi-info. Die gute Frau ist gerade am Zumachen. Ich habe also gerade noch Glück gehabt. Es gibt tatsächlich keine Hotels mehr, keine gîte, nur zwei drei Private, die Zimmer vermieten. Nach einigem Telefonieren findet sie etwas. Es stellt sich heraus, dass ich der erste Gast dieses jungen Paares bin. Also alles neu und SAUBER. Das geniesse ich nach den letzten schmuddeligen Küchen!
Obwohl es mir heute nicht so gut gelaufen ist, geht es aber meinem Nacken und den Schultern viiiel besser als vor Le Puy. Dem Osteopathen sei Dank, er hat mich super zusammengeflickt! Aber ich bin echt ko nach diesen zwei langen Touren. Vielleicht mache ich morgen einen Tag Pause.
10. Mai – Retournac
Ich entscheide mich, zu bleiben. Es war ein bisschen viel mit diesen langen und zT. steilen Touren. Ich bin auch nicht sicher, ob ich etwas am Ausbrüten bin. Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, dass es nicht schade ist, um den Tag, es regnet.
Ich setze mich hin und plane meine nächsten Tage anhand des Führers. Der Weg führt über Berge. Es ist wirklich schwierig, weil es wenig gîtes gibt. Einmal muss ich sicher ins Hotel (falls es denn eines gibt. Wenn ich die Adressen eingebe, kommt nichts). Und einmal muss ich wieder eine lange Tour einbauen…
Ich möchte gerne für morgen Abend reservieren, aber da Auffahrt ist, kommt nur ein Automat.
Die ersten drei Tage werde ich noch einkaufen können, dann muss ich für vier Tage Essen mitschleppen.
Geld muss ich auch noch am distributeur beziehen, es wird der letzte sein für sieben Tage und man kann nicht mit der Karte bezahlen.
Am Nachmittag kommt noch die Sonne und ich mache eine Runde durchs Dorf. Ich möchte in ein Restaurant oder in eine Bar, um Internet zu haben. Es ist aber alles geschlossen. Bin gespannt, ob wenigsten für das Nachtessen eine Beiz aufmacht, sonst muss ich auf meinen trockenen Knäckebrötchen rumkauen…
Bei der Touristeninfo gibt es freies Internet und jetzt sitze ich hier an der Sonne und versuche, meinen Blog zu aktualisieren.
27. April – Von Le Pont-de-Monvert über den Mont Lozère nach Bleymard
Heute gehe ich etwas früher los. Ich habe einen laaangen Aufstieg auf den Mont Lozère (1699m) vor mir. Über gut 11km geht es 800m hoch. In ca 3 1/2 Stunden bin ich oben. Am Anfang ist es steinig, wie gestern. Dann kommen Hänge mit Ginster, der leider noch nicht blüht. Plötzlich sehe ich ein Tier, das ziemlich weit weg ist. Im ersten Moment, denke ich, es sei ein Reh, aber es scheint mir zu plump. Auch der Gang stimmt irgendwie nicht. Vielleicht ein Fuchs? Ist aber eher zu gross….
Nachher geht es lange durch Föhrenwald. Die Föhren werden immer kleiner und die ersten übriggebliebenen Schneefelder tauchen auf. Die Kuppe ist fast kahl, Gras und Erika. Ein paar kleine Osterglocken und Minikrokusse kämpfen gegen den Wind, der stark und kalt ist.
Oben begegne ich zum ersten Mal einer Gruppe, die mit Eseln unterwegs ist. Die Leute sitzen alle hinter einem Steinhaufen zum Schutz gegen den Wind.
Die Aussicht da oben ist fantastisch. Man kann sogar die Alpen sehen und den Mont Blanc, allerdings ist es recht dunstig.
Beim Abstieg auf der anderen Seite sehe ich ein paarmal eine Lerche. Nicht, dass ich eine Vogelkennerin wäre, aber ich vermute es. Die Vögel steigen aus den Erikabüscheln fast senkrecht auf, flattern wie verrückt und zwitschern und pfeifen und scheinen manchmal in der Luft zu „stehen“.
Bis jetzt habe ich ja wirklich Glück mit dem Wetter. Vorallem heute bin ich froh drum, weil ich so die Sicht geniessen kann. Morgen soll es schlechter werden und vielleicht sogar regnen.
So langsam gewöhnen sich meine Muskeln an die Bewegung und ich finde bessere Möglichkeiten, wie ich den Rucksack bequemer tragen kann. Es läuft immer besser 🙂
In Bleymard finde ich eine richtig gute gîte und gehe gut essen.
Von dem Berg dahinten, Col du Bougès, bin ich gestern gekommen.
Zuoberst, ganz weit weg, ein Schneefeld auf dem Lozère – da will ich hin…
Bleymard
28. April – Von Bleymard nach Chasseradès
Nach einem guten Frühstück in der gîte marschiere ich guten Mutes los. Es ist etwa die gleiche Distanz wie gestern, geht aber weniger hoch hinauf. Allerdings dazwischen wieder weit hinunter, sodass ich wahrscheinlich ähnlich viele Höhenmeter hinter mich bringen werde.
Heute ist das Wetter nicht so gut. Bald regnet es sogar ein bisschen und ich muss meine Pelerine hervorkramen. Heute kommt mir auch der Rucksack wieder sehr schwer vor. Ich habe allerdings auch eingekauft und da man oft nicht die kleinen Mengen bekommt, die ich eigentlich möchte, wird es schnell sehr viel. Bei diesem Gewicht macht ein Kilo mehr schon sehr viel aus.
Die Landschaft ist ähnlich, wie bei uns in den Voralpen, einzig, dass es recht viele Birken hat. Ich sehe und höre auch ab und zu wieder Lerchen. Was mich auch immer wieder freut ist, dass ich jeden Tag den Kuckuck höre. Ich weiss nicht, wann ich in der Schweiz zuletzt einen gehört habe.
Bei Chasseradès, meinem Ziel, gibt es Wiesen, die voller Osterglocken sind, ein sonniger Anblick!
Die Temperatur lädt nicht zu langen Pausen ein. Jedesmal friere ich nachher und muss tüchtig ausziehen, um wieder warm zu kriegen. Deshalb bin ich auch ziemlich früh am Ziel. Ich könnte noch ein paar Kilometer weiterwandern, aber die nächste Unterkunft ist erst nach ca 12km. Das ist mir zu weit, also mache ich früh Schluss und gönne meinen fleissigen Füssen eine Pause.
29. April – Unfreiwillige Pause
Am morgen früh, noch im Bett spüre ich meine linke Kniekehle. Sie ist ein bisschen geschwollen. Allerdings hatte ich das auch schon und beunruhigt mich nicht sehr. Trotzdem überlege ich mir, eine Pause zu machen.
Ich entscheide mich jedoch dagegen, ziehe mich an, frühstücke und bezahle. Als ich ins Zimmer zurückgehe, um zu packen, fühlt sich die Kniekehle aber wirklich nicht sehr gut an und ich spüre auch das Fussgelenk ein ein wenig, das ich zwei/drei Mal ein bisschen gestaucht habe.
Da der Wetterbericht auch nicht gerade gut ist, beschliesse ich spontan, doch noch eine weitere Nacht hierzubleiben.
Wie gut, dass ich meinem Bauch und nicht dem Kopf gefolgt bin: Es giesst den ganzen Tag in Strömen. Dazu ist es windig und kalt, ca 8 Grad. Es wäre auf jeden Fall ein nasser, ungemütlicher Tag geworden, zumal ich gestern bei dem leichten Regen feststellen musste, dass irgendwo Wasser in meine Pelerine dringt und zwar ausgerechnet oben, wo sie auf dem Rucksack aufliegt.
Ich nutze die Zeit um meinen Blog zu aktualisieren. Heute Vormittag ist das Internet besser und ich kann meine Texte und Bilder ein bisschen schneller hochladen.
Im Übrigen pflege ich mich und ruhe mich aus, schaue ab und zu aus dem Fenster und bedanke mich bei meinem Knie, das mich zurückgehalten hat, in dieses Sauwetter hinauszugehen 😉
Im Moment, wo ich das schreibe pfeift der Wind um’s Haus….
Heute sieht es so aus, aber es kommt noch schlimmer …
30. April – Von Chasseradès nach Abbaye N-D des Neiges
Heute ziehe ich guten Mutes los. Mein Knie fühlt sich gut an und mein Rucksack ist leichter als auch schon. Erstens habe ich meine Vorräte fast aufgefuttert, ich muss unbedingt noch einkaufen, morgen ist 1. Mai. Zweitens trage ich die meisten Klamotten, die ich dabei habe am Leib, da es nur 3 Grad ist, aber wenigstens bis Mittag trocken. Gestern soll es ja teilweise fast geschneit haben. Ich bin sicher, auf dem Lozère hat es geschneit. Ich bin grad noch rechtzeitig darübergekommen.
Die Strecke heute ist nichts besonderes. Die Etappeneinteilung ist nicht immer optimal von den Unterkunftsmöglichkeiten her. Entweder man macht kurze oder sehr lange Etappen. Fast 30 km ist mir aber zu weit, da die Gegend ja immer noch sehr hügelig/bergig ist. Ich wollte ein kleines bisschen abkürzen und in einer gîtes dazwischen übernachten. Die macht aber erst am 4. Mai auf.
In La Bastide-Puylaurant wollte ich mich im Touristenbüro erkundigen, wie es mit Übernachtungsmöglichkeiten steht, wenn ich jetzt vom Stevenson Weg abbiege und Richtung Loire-Quelle wandere. Die Dame konnte mir nicht viel sagen, denn das ist ein anderes Gebiet. Wir sind gerade noch im Lozère Gebiet und mein Weg würde durch Ardèche Gebiet gehen. Deshalb hat sie davon keine Prospekte (wir sind aber nur max. ein paar hundert Meter von der Grenze weg) Das kommt mir vor wie in Italien: das ist nicht mein Job, davon weiss ich nichts. Ich beschliesse deshalb, auf dem Stevensonweg zu bleiben, denn ich habe keine Lust, ohne Bett zu übernachten in dieser Kälte.
Seit heute weiss ich, was Bancomat heisst: distributeur. Warum ich das weiss? Weil es in dieser Gegend keinen gibt und mir langsam die Kohle ausgeht. Ich werde sie ein bisschen strecken müssen, denn es gibt erst in Langogne wieder einen distributeur. Das ist in drei Tagen….
Weil das mit der Abkürzung und dazwischen Übernachten nicht klappt (so wäre ich einen Tag früher zum distributeur gekommen), wandere ich zur Abbay. Da es unterwegs zu kalt gewesen ist, um Pausen zu machen, bin ich schon um 13.30 da und habe mich auf ein warmes Zimmer gefreut. Haste aber nur gedacht. Die Herberge macht erst um 17h auf, bei schlechtem Wetter um 15h. Zum Glück kommt die Sonne noch ein bisschen, so kann ich einigermassen warm sitzen und essen. Es wird aber immer kälter. Ab 14h kann man im Kloster einen Flim schauen zur Geschichte des Klosters, das lohnt sich nur schon, weil es da drin ein bisschen wärmer ist. Der Film reisst mich nicht vom Hocker.
Nachher geht es in den Klosterladen, da drin ist es wunderbar warm und es gibt gute Bücher. Ich kann jedoch nichts kaufen, weil ich es ja nachher schleppen muss. Ist vielleicht ganz gut…
Nach 15h schaue ich bei der Herberge vorbei, denn das Wetter ist zwar nicht so schlecht, aber saukalt. Fehlalarm. Es gibt da noch einen Schuppen mit so einer Art Aufenthaltsraum, leider auch sehr kalt. Ich erfriere fast, bis es so weit ist, dass sie aufmachen. Jetzt bin ich am Auftauen.
Die Türen der Zimmer klemmen, und wenn jemand die Tür öffnet oder schliesst, dröhnt das ganze Haus. Auch wenn jemand den Wasserhahn aufdreht, kriegen das alle mit. Aber Hauptsache warm!!
Ich wandere ja auf dem Stevensonweg in die „verkehrte“ Richtung, von Süd nach Nord, lege so mehr Höhenmeter zurück und ich begegne vielen Leuten. Heute besonders, denn es ist ja ein langes Wochenende. So gut wie alle haben gestern pausiert.
Hier in der Abbay kann man soviel bezahlen, resp. spenden, wie man will. Es wird erwartet, dass man nach dem Essen beim Abwasch hilft. Es war eine gute Truppe und ich habe mich gut unterhalten. Ich staune selber darüber, dass ich gut mit den Leuten reden kann. Nachher haben wir noch ein unbekanntes Kartenspiel gespielt, mit irgendwelchen seltsamen Karten. Es war witzig.
1. Mai – Von Abbay N. D. des Neige nach Cheylard-l’Évêque
Diese Strecke ist 28 km lang. Ich habe die Etappe so gewählt, weil die gîte sehr gut sein soll, aber auch weil ich mit zwei längeren Etappen eine Nacht spare. Dazu reicht mein Bargeld gerade noch, denn in den gîtes kann man nicht mit Karte bezahlen. In Langogne sollte es dann wieder Geld geben…
Von Laveyrune nach Luc kürze ich ab, der Wanderweg macht nämlich einen riesigen Bogen. So spart man sich wahrscheinlich ca 3km. Es regnet und ist kalt, ziemlich ungemütlich. Zum Wandern sind die Temperaturen schon ok, ich habe mehrere Schichten an. Das Problem ist, dass man keine Pausen machen kann. Alles ist nass, man kann nirgends hinsitzen und ausserdem friert man dabei sowieso. Das finde ich schon ziemllich anstrengend, denn nach einer guten Pause, geht doch alles viel besser.
In Luc gehe ich in die alte Kirche. Hier mache ich eine ausgiebige Rast. Ich schätze, dass ich gut die Hälfte hinter mir habe.
Nachher geht’s hoch zur Burgruine von Luc und weiter durch Wald und Wiesen. Die Wiesen sind übersät mit Osterglocken, es ist wunderschön. Es ist überhaupt ein schöner Abschnitt, Föhren, Fichten, Buchen und Birken, Hügel und Täler wechseln sich ab und eben überall die Osterglocken. Am Nachmittag kommt sogar die Sonne wieder ein bisschen hervor und alles sieht gleich freundlicher aus. Die einen Dörfer, durch die ich gekommen bin, sahen schrecklich trostlos aus. Hier in Cheylard gibt es aber ein paar wunderschöne alte Häuser und die Leute haben Blumen in den Gärten, sieht einfach grad viel besser aus.
Das Essen in dieser gîte ist wirklich ausgezeichnet!
2. Mai – Von Cheylard-l’Évêque nach Pradelles
In der gîte sind ziemlich viele Leute und es ist ein internationales Trüppchen. Nebst den Franzosen, die die Mehrheit stellen, gibt es noch Deutsche, Amerikaner, Australier und eine Schweizerin 😉
Beim Frühstück sitze ich wieder bei den Australiern und wir lästern ein bisschen über das französische Essen, insbesondere das Frühstück. Die Amerikaner setzen sich auch noch zu uns und stimmen uns zu.
Es ist uns aufgefallen, dass es selten Salat oder Gemüse gibt, jedenfalls in den gîtes. Klar ist das von der Vorratshaltung her einfacher, aber es gibt ja auch Gemüse, die sich gut halten. Meistens musste ich mich aber in der letzten Woche mit Reis und Fleisch oder Teigwaren und Fleisch zufrieden geben. Da ich normalerweise von Gemüse, Salat und Früchten lebe, fehlt mir schon ein bisschen etwas, während ich Fleisch nicht so mag. Meistens gibt es entweder Poulet oder stark verkochtes Fleisch.
Kate, die Australierin hat ausserdem Zöliakie. Sie meint, wenn Sie auch noch Vegetarierin wäre, wäre es in Frankreich die Hölle. Da könnte Sie gar nichts essen.
Zum Frühstück gibt es eigentlich immer nur Baguette, Butter und drei bis vier verschiedene Konfitüren. Ein bisschen Flocken ist schon Luxus, auch in Hotels, und das sind meistens süsse Sachen Kellogs und Co, aber kein Joghurt oder Milch, da muss man fragen. Käse oder Fleisch habe ich noch nie erlebt.
Mit so einem Frühstück kann man ja nicht wandern, da hat man nach einer Stunde schon wieder einen Mordshunger.
Kate bringt es auf den Punkt, als sie sagt (sie hat spezielles Brot): Ich weiss gar nicht, ob ich das essen soll, da habe ich ja nach einer halben Stunde einen Sugarcrash. Nichts essen wäre wahrscheinlich besser.
Da hat sie vollkommen recht. Ich habe es ausprobiert. Ohne Frühstück komme ich wesentlich weiter als mit Weissmehl und Zucker….
Wie auch immer, diese gîte ist um Klassen besser als alle andern, was das Essen angeht, und es gab sogar ein bisschen Salat und Gemüse. Auch das Frühstück ist reichhaltiger, wenn auch vorwiegend Weissmehl und Zucker. Es gibt beispielsweise auch Apfelmusportionen und Flocken. Ich habe angefangen, meinen eigenen Zmorge mitzubringen. Ich habe auch diese Apfelmusportionen und Petits Suisses gekauft und schnipple noch ein bisschen Früchte hinein.
Ich habe ca 22km vor mir. In Langogne muss ich Geld abheben, möchte aber weiter bis Pradelles. Das soll viel schöner sein, habe ich gehört.
Ich wandere ja, wie gesagt, in die Gegenrichtung. Das hat den Vorteil, dass mir unterwegs viele Leute begegnen und ich abends in der gîte Tipps bekomme. So bin ich auch zur heutigen Unterkunft gekommen, weil man da so gut isst.
Es hat natürlich auch Nachteile. Die anderen treffen sich manchmal mehrmals in den gîtes, tauschen sich aus und unterhalten sich oder wandern auch mal eine Etappe zusammen. Die Amerikanerin meint beim Frühstück, es sei schade, dass wir uns nicht mehr treffen. So ist es. Anderseits treffe ich auch immer wieder neue Leute, ist auch schön.
Das ist das Gute an den gîtes, man trifft Leute und isst zusammen. In den Hotels sitzt jeder für sich.
Die Gegend ist wieder wunderschön, wie gestern. Hügel und Täler wechseln sich ab und Wiesen, Sümpfe und Wälder. Und es hat noch viel mehr Osterglocken. Es ist wirklich fantastisch, wenn ganze Wiesen gelb sind.
Es gibt hier auch wieder mehr schöne alte Steinhäuser.
Eigentlich soll es heute laut Wetterbericht wieder etwas wärmer werden. Leider bläst aber fast auf dem ganzen Weg ein kalter Gegenwind. Da es trocken ist, trage ich die Pelerine nicht, die ja auch noch den Wind abhält, sodass ich ihm ausgesetzt bin. Zudem wandere ich heute den grösseren Teil abwärts bis Langogne und werde so nie richtig warm. Drum frieren mir fast die Chlüppli ab. Das heisst, dass ich wieder praktisch keine Pausen mache. In Langogne gehe ich spontan in ein Café zum Aufwärmen und bestelle einen kleinen Salat. Ich kriege dann allerdings einen grossen mit Melonen und Rohschinken.
Zum Schluss folgt der Aufstieg nach Pradelles. Das ist wirklich ein ganz schönes Städtchen mit vielen alten Steinhäusern. Es sind auch einige zu verkaufen, das reizt mich gerade… 😉
Kate hat mir ein kleines günstiges Hotel empfohlen, da bin ich jetzt und habe sogar Gemüse und Salat bekommen zum Menu (nicht viel, aber immerhin) 🙂
3. Mai – Von Pradelles nach Le Bouchet-St-Nicolas
Der Wetterbericht sagt wieder Temperaturen unter 10 Grad voraus. Gestern habe ich mich von der „guten“ Vorhersage verleiten lassen, die langen Unterschläuche wegzulassen und habe den ganzen Tag gefroren. Heute ziehe ich sie lieber wieder an, ich kann immer noch in die Büsche, um sie wieder auszuziehen, wenn mir zu warm ist.
Manchmal, wenn es bergauf geht und ich gerade an einer windstillen Stelle bin, denke ich: jetzt habe ich wieder zu viel angezogen. Aber ich weiss genau, wenn ich über die nächste Kuppe oder um die nächste Kurve komme, bin ich froh um jede Schicht, die ich anhabe.
Nachdem es am Sonntag aus Kübeln gegossen hat und die Temperaturen gefallen sind, habe ich kurzerhand mein Pyjama (mein einziges langarm Shirt und die lange seiden-merino Unterhose) zur Unterwäsche degradiert und spaziere seitdem in meinem Pyjama durch die Gegend: hat sich voll bewährt.
Obwohl ich heute fast ständig einen starken und kalten Gegenwind habe, friere ich nicht, ausser zeitweise an den Fingern. Der Wind drückt mich manchmal fast vom Weg und einmal muss ich mich in einer lange Steigung zwischen Feldern hindurch gegen den starken Wind stemmen. Auch wenn es mir nicht so vorkommt, bin ich doch auf gut 1000m und keine Berge schützen vor dem Nordwestwind.
Einmal begegnet mir ein junger Mann und fragt, ob es noch weit sei, bis zum nächsten Ort. Er friert jämmerlich und leidet sichtlich, aber er muss noch eine Stunde durchhalten…
Immerhin haben wir Aussicht auf ein warmes Haus. Es gibt Menschen, die das nicht haben und den ganzen Winter frieren. Nicht auszudenken…
Ich begegne immer wieder Leuten. Trotz des kalten Wetters sind einige unterwegs. Ich staune immer wieder über ihre Reaktion auf die Tatsache, dass ich verkehrt laufe. Manche bleiben stehen und fragen, ob ich den Stevensonweg anders herum laufe, und wenn ich es bestätige, finden sie das seltsam und ganz toll. Ich weiss immer noch nicht, warum das so seltsam und toll ist.
So ein Aussteigertyp mit einem ururalten Wohnwagen hinter einem noch ururälteren VW-Bus hat mich auch gefragt und er hat gemeint, normalerweise gingen die Leute ja in die andere Richtung. Da habe ich gesagt, ich sei eben nicht normal. Das fand er dann ganz supertoll und fragte, wer denn definiere, was normal sei. Tja, das kann man sich fragen. Er gehört ja auch nicht zu den normalen…
Aber eigentlich erklären wir ja einfach das für normal, was die meisten machen. (Deshalb ist es ja auch normal, dass wir vergiftete Sachen essen, aber nicht normal, Bio zu essen, was mich immer wieder erstaunt)
Meiner Meinung nach, fängt man die grösseren und vor allem andere Fische, wenn man nicht im gleichen Teich fischt, wie alle anderen und mir gefällt das. Was widerum nicht heissen soll, dass ich extra Sachen mache um anders zu sein, sondern einfach, weil es mir Spass macht. In vielen Dingen schwimme ich genauso mit dem Strom, wie die meisten.
Wenn man dagegen schwimmt, hat das meistens einen einfachen Grund. In diesem Falle, mache ich das ja nur so, weil ich einfach Steffi und Chris besuchen wollte und da war das halt einfacher zu planen. Ausserdem will ich ja im Juni meine Cousine in England besuchen und hatte dann die Idee, ich könnte nach dem Stevensonweg einfach weiterlaufen. Deshalb von Alès nach Calais.
Unterdessen ist ja längst klar, dass dazu die Zeit nicht reicht. Ich habe Ende Mai in Paris abgemacht. Von Puy aus bis Orléans sind es noch ca 620 km und dazu habe ich noch drei Wochen Zeit. Das heisst, ich müsste täglich 30 km laufen. Das schaffe ich nicht, ist aber auch egal, ich werde irgendwie rechtzeitig in Paris sein, nachher an die Küste fahren, dort noch ein bisschen wandern und dann nach England übersetzen…
Während mehr als der Hälfte des heutigen Weges habe ich eine wunderbare Aussicht nach Süden und Westen. Gaanz weit hinten sehe ich ein Kuppe mit Schnee und bilde mir ein, es sei der Mont Lozère und bin ganz stolz, dass ich es soweit geschafft habe… 😀
Heute bin ich zu meiner langersehnten Reise gestartet.
Bis Zürich hatte es kaum Leute im Zug, aber nachher im TGV war’s ziemlich voll. Wahrscheinlich eine Folge des Streiks, da die Züge nicht jeden Tag verkehren.
Von Belfort aus war wirklich alles bis auf den letzten Platz belegt. Es war eine lange Reise, da ich mich kaum bewegen konnte. Immerhin hat alles geklappt bis Nîmes.
Der Zug nach Alès fiel jedoch aus, sodass ich einen Bus nehmen musste. Aus einer dreiviertel Stunde wurden fast zwei Stunden Wartezeit. Bevor ich eine Ministadtbesichtigung machte, hiess es natürlich meine Gastgeberin informieren, die mich vom Bahnhof abholen wollte.
Mein erstes Telefonat auf französisch! Ich konnte ja nie französisch sprechen (schreiben geht ja noch), aber ich muss sagen, seit ich am finnisch Lernen bin, scheint mir französisch kinderleicht 😉 Nicht dass ich es gut könnte, aber ich brabble einfach drauflos. Allerdings kommt mir ständig das italienisch dazwischen, sì però und perché und überhaupt….
Meine Gastgeberin Océane hat mich abgeholt und ich habe mich mit ihr unterhalten 🙂
Nun freue ich mich auf eine ruhige Nacht.
21. April von Alès bis St Jean-du-Gard
Heute morgen bin ich bei strahlendem Sonnenschein erwacht. Das erste, was ich hörte, war ein Kuckuck. Wenn das kein gutes Omen ist!
Océane muss nach Anduze zur Arbeit. Sie hat vorgeschlagen, mich ein Stück mitzunehmen. Dann könnte ich von dort auf einer anderen Route nach St. Jean-du-Gard wandern.
Ich hatte mir schon Gedanken gemacht über meine erste Etappe, die wohl happig sein soll: weit, steil, auf und ab mit vielen Höhenmetern und ich bin noch nicht eingelaufen und schleppe einen ungewohnt schweren Rucksack. Also alles ein bisschen viel für den ersten Tag, deshalb habe ich das Angebot dankend angenommen.
Nachträglich gesehen war das ein weiser Entscheid. Tatsächlich machte mir die Hitze (25-27Grad) ziemlich zu schaffen, gab es doch bis jetzt keine Gelegenheit, sich daran zu gewöhnen. Es hatte allerdings auch einen Nachteil. Diese Route hatte ich ja nicht geplant und ich musste mich auf meine ungenaue Karte und die Signalisation verlassen, was mich prompt ca einen km gekostet hat, weil ich eine Abzweigung verpasst habe.
Die Route führte durch ein wunderschönes Tal, mal am Fluss, mal in der Höhe auf sehr steinigen unebenen Wegen. Viele Schmetterlinge flatterten um mich herum. Fast hätte ich ein Hugenottenmuseum besucht, doch leider war es fast Mittagszeit und kam deshalb nicht mehr in Frage.
Nach dem Duschen genoss ich es, OHNE Rucksack durch St. Jean-du-Gard zu spazieren und gut zu essen 🙂
Ehrlich gesagt bin ich jetzt ziemlich auf den Felgen 😉
22. April von St Jean-du-Gard bis St Etiennes Vallée française
Wieder ein wunderschöner Tag, der aber schon bald unter einem schlechten Stern zu stehen schien.
Ich hatte eine Abzweigung zu einem kleinen Pfad am Fluss verpasst und wanderte an der Strasse. Da es auch hier Wanderwegmarkierungen hatte, merkte ich es nicht, kraxelte schon bald den steilen Hang hoch, immer den Zeichen folgend. Erst oben bemerkte ich meinen Fehler, weil der Wanderweg in die „falsche“ Richtung ging.
Ich musste umkehren und merkte zu allem Überfluss, dass ich meine schöne Silberuhr verloren hatte. Noch hoffte ich, dass ich sie auf dem Wegstück, das ich zurückgehen musste, finden würde, was aber leider nicht der Fall war. Sollte ich nun den ganzen Weg zurückgehen? Ich entschied mich dagegen, obwohl mich die Uhr reute. Ich ging weiter und überlegte noch lange hin- und her, was ich tun könnte.
Der Weg führte über einen Berg und weit oben machte ich Pause. Dabei entdeckte ich dass die Uhr beim Herunterfallen am Tragegurt des Rucksacks hängengeblieben war!! :-))) Ich bin dankbar, dass sie nicht verloren gegangen ist. Sie begleitet mich schon seit meinem 20. Geburtstag, also eine ganze Weile!
Heute musste ich einige Höhenmeter überwinden und mehr als einmal habe ich eine Abzweigung verpasst. Die Gegend ist schön: steile Hügel und wunderschöne Flusstäler wechseln sich ab. Jetzt bin ich in St. Etiennes Vallée française, einem kleinen Dörfchen, in einer Herberge im Viererzimmer. Ich bin aber der einzige Gast 🙂
Es ist noch nicht viel los hier. Die sind alle erst daran, sich für die Saison vorzubereiten. So auch das einzige Restaurant. Die Leute sitzen zwar schon im Garten und trinken etwas, es wird aber noch nicht gekocht. Der Wirt erbarmt sich meiner und bereitet mir eine Mahlzeit, mit dem, was er halt hat: Pommes, Omelette mit Pilzen 🙁 (grosszügig) ein Stück Käse, ein bissche unreife Melone, ein Stück Rohschinken, ein Viertel Ananas und ein Schälchen Erdbeeren mit einer Tonne Zucker drauf. Schade um die Beeren. Es war ja nicht gerade mein Menu, aber besser als nichts. Die Pommes waren echt gut und da ich schon seit ewigen Zeiten keine mehr gegessen habe, habe ich sie einfach genossen.
Morgen gibt es eine kurze Etappe, nur 9km, dann gibt’s Urlaub bei Steffi und Chris. Die nächsten Tage habe ich kein Internet.
23. April von St Etiennes Vallée française bis St Germain-de-Calberte
Heute Morgen bin ich extra zum Gemeindehaus gegangen, um Internet zu haben und mich mit dem nicht funktionierenden Blog herumzuschlagen.
Ich konnte einfach nichts speichern. Texte und Fotos verschwanden einfach wieder. So jatte ich mir das aber gar nicht vorgestellt! Auf dem Handy ging nichts, aber zum Glück auf dem Tablet. Das Problem ist nur, dass die Fotos auf dem Handy sind…
Die Wanderung war kurz, zuerst am Fluss und dann den Wald hoch. Da gibt’s ein paar schöne alte Häuser, mas genannt (spricht man aus wie man’s schreibt)
Schon bald war ich bei Steffi und Chris. Auch sie haben ein wunderschönes altes Haus aus Schiefer, auch das Dach ist mit Schiefer gedeckt. Sie haben es schön eingerichtet.
Wir verbringen einen gemütlichen Nachmittag und Abend.
24. April Pause – St Germain-de-Calberte
Mit Vogelgezwitscher erwachen; gemütlich, ausgiebig frühstücken; ein Spaziergang zu einem Aussichtspunkt; faulenzen; ins Dorf spazieren; im neu eröffneten Restaurant essen.
Die Etappe, die ich theoretisch heute gemacht hätte, lasse ich aus. Morgen kommt Steffi mit und wir wollen bis Florac wandern, weil am Donnerstag Markt ist.
25. April von Cassagnas nach Florac
Chris bringt uns nach Cassagnas, von wo aus wir die ca 17 km nach Florac unter die Füsse nehmen.
In der ersten Hälfte wandern wir auf einem alten, ausgedienten Eisenbahntrassé entlang des Flusses Mimente. Der Fluss ist atemberaubend schön. Mal rauscht er über die Steine, mal gibt es tiefe, grün oder türkis schimmernde Becken, die zum Schwimmen einladen, aber leider nicht erreichbar sind (wäre wohl sowieso viel zu kalt…)
Am Wegesrand grünt und blüht es. Wir sehen unter anderem Orchideen und viele Narzissen.
Auf der Strecke gibt es auch mehrere Tunnel. Vor dem ersten schwarzen Loch rüsten wir uns: Steffi demontiert ihre Sonnenbrille und zieht die Jacke an und ich zücke die Taschenlampe. Kaum betreten wir die Düsternis, sehen wir schon um die Kurve den Lichtschimmer des anderen Endes. Wir müssen laut lachen, die ganze Aufregung für nichts!
Plötzlich raschelt es neben uns am Wegesrand: eine kleine unscheinbare Schlange. Leider sind wir zu langsam um sie zu fotografieren.
Gegen Mittag überqueren wir den Fluss und wandern durch den Wald hinauf. Eine Kolonne von Prozessionsspinnerraupen kriecht auf dem Weg. Jede Raupe ist ein paar cm lang, die gesamte Länge ca 1.5 m.
Kurz vor Florac steigen wir noch zu einem Fluss hinunter. Für uns ist es aber zu kalt zum Baden.
Florac ist ein hübsches Städtchen. Dahinter türmen sich die Felsen, auf denen die Hochebene, die Causse liegt.
Florac / Die Fassaden unten links sind nur gemalt 🙂
26. April von Florac nach Le Pont-de-Monvert
Diese Etappe ist fast 30km lang. Deshalb bringen Steffi und Chris mich ein Stück weit mit dem Auto und wandern noch eine gute halbe Stunde mit mir durch den lichten Wald und dann auf der Krete. Von hier aus hat man einen tollen Blick auf die Berge und die Felswände und die Hochebene oberhalb von Florac. Wir sehen auch Geier. Zwei fliegen relativ nah über uns vorbei, weiter weg sehen wir mehrere kreisen.
Auf dem Col du Bougès (1400m) hat man einen fantastischen Ausblick über die Berge im Süden, die immer heller werden und schliesslich im Dunst verschwinden. Ich beschliesse, hier meine Mittagspause zu verbringen, um das Panorama zu geniessen. Ich muss nur einen windgeschützten Platz finden, denn der Wind ist kalt. Hinter einem Steinhaufen finde ich ein warmes Plätzchen.
Nun geht’s auf der anderen Seite wieder hinunter, zuerst durch den Wald, später über steinübersäte Wiesen. Zum Teil sind die Steine auf die Seite geschafft und zu Mäuerchen oder Haufen aufgeschichtet, um freie Weiden zu schaffen. Auf der anderen Talseite sind alle Hügel mit riesigen Steinbrocken übersät. Noch weiter ist der Mont Lozère zu sehen, wo noch vereinzelte Schneefelder liegen. Da werde ich morgen sein.
Hier gleiten wieder zwei Geier über mir vorbei und auf dem Abstieg nach Le Pont-de-Montvert huscht eine riesige, leuchtend grüne Eidechse über den Weg. Eine viel kleinere liegt weiter unten auf einem Stein und sonnt sich. Es gelingt mir sogar, sie zu fotografieren.
Das Handy ist ja praktisch und handlich und macht sehr gute Fotos, der Nachteil ist aber, dass der Bildschirm so sehr glänzt und spiegelt, dass man so gut wie gar nichts sieht, das heisst, meistens fotografiere ich fast blind. Erstaunlicherweise kriege ich meistens das auf’s Bild, was ich will.
Le Pont-de-Monvert ist ein hübsches Dorf an einem rauschenden Fluss. Ich esse in einem Café an der Sonne, obwohl es schon recht kühl ist.
Eigentlich habe ich in einem Hotel reserviert. AmTelefon war es schon teurer als in der Broschüre angegeben und als ich ankomme, ist es gleich nochmals teurer. Deshalb lasse ich es bleiben und übernachte nun wieder in einer gîte. Ich habe ein ganzes Häuschen für mich allein und habe nicht einmal die Hälfte ausgegeben 🙂 Hier gibt es sogar eine Badewanne und ich kann in aller Ruhe ein warmes Bad geniessen.