Wunderwandern – Mein Weg von Alès nach Calais

20. April – Aufbruch

Heute bin ich zu meiner langersehnten Reise gestartet.

Bis Zürich hatte es kaum Leute im Zug, aber nachher im TGV war’s ziemlich voll. Wahrscheinlich eine Folge des Streiks, da die Züge nicht jeden Tag verkehren.

Von Belfort aus war wirklich alles bis auf den letzten Platz belegt. Es war eine lange Reise, da ich mich kaum bewegen konnte. Immerhin hat alles geklappt bis Nîmes.

Der Zug nach Alès fiel jedoch aus, sodass ich einen Bus nehmen musste. Aus einer dreiviertel Stunde wurden fast zwei Stunden Wartezeit. Bevor ich eine Ministadtbesichtigung machte, hiess es natürlich meine Gastgeberin informieren, die mich vom Bahnhof abholen wollte.

Mein erstes Telefonat auf französisch! Ich konnte ja nie französisch sprechen (schreiben geht ja noch), aber ich muss sagen, seit ich am finnisch Lernen bin, scheint mir französisch kinderleicht 😉 Nicht dass ich es gut könnte, aber ich brabble einfach drauflos. Allerdings kommt mir ständig das italienisch dazwischen, sì però und perché und überhaupt….

Meine Gastgeberin Océane hat mich abgeholt und ich habe mich mit ihr unterhalten 🙂

Nun freue ich mich auf eine ruhige Nacht.

 

21. April von Alès bis St Jean-du-Gard

 

Heute morgen bin ich bei strahlendem Sonnenschein erwacht. Das erste, was ich hörte, war ein Kuckuck. Wenn das kein gutes Omen ist!

Océane muss nach Anduze zur Arbeit. Sie hat vorgeschlagen, mich ein Stück mitzunehmen. Dann könnte ich von dort auf einer anderen Route nach St. Jean-du-Gard wandern.

Ich hatte mir schon Gedanken gemacht über meine erste Etappe, die wohl happig sein soll: weit, steil, auf und ab mit vielen Höhenmetern und ich bin noch nicht eingelaufen und schleppe einen ungewohnt schweren Rucksack. Also alles ein bisschen viel für den ersten Tag, deshalb habe ich das Angebot dankend angenommen.

Nachträglich gesehen war das ein weiser Entscheid. Tatsächlich machte mir die Hitze (25-27Grad) ziemlich zu schaffen, gab es doch bis jetzt keine Gelegenheit, sich daran zu gewöhnen. Es hatte allerdings auch einen Nachteil. Diese Route hatte ich ja nicht geplant und ich musste mich auf meine ungenaue Karte und die Signalisation verlassen, was mich prompt ca einen km gekostet hat, weil ich eine Abzweigung verpasst habe.

Die Route führte durch ein wunderschönes Tal, mal am Fluss, mal in der Höhe auf sehr steinigen unebenen Wegen. Viele Schmetterlinge flatterten um mich herum. Fast hätte ich ein Hugenottenmuseum besucht, doch leider war es fast Mittagszeit und kam deshalb nicht mehr in Frage.

Nach dem Duschen genoss ich es, OHNE Rucksack durch St. Jean-du-Gard zu spazieren und gut zu essen 🙂

Ehrlich gesagt bin ich jetzt ziemlich auf den Felgen 😉

 

22. April von St Jean-du-Gard bis St Etiennes Vallée française

 

Wieder ein wunderschöner Tag, der aber schon bald unter einem schlechten Stern zu stehen schien.

Ich hatte eine Abzweigung zu einem kleinen Pfad am Fluss verpasst und wanderte an der Strasse. Da es auch hier Wanderwegmarkierungen hatte, merkte ich es nicht, kraxelte schon bald den steilen Hang hoch, immer den Zeichen folgend. Erst oben bemerkte ich meinen Fehler, weil der Wanderweg in die „falsche“ Richtung ging.

Ich musste umkehren und merkte zu allem Überfluss, dass ich meine schöne Silberuhr verloren hatte. Noch hoffte ich, dass ich sie auf dem Wegstück, das ich zurückgehen musste, finden würde, was aber leider nicht der Fall war. Sollte ich nun den ganzen Weg zurückgehen? Ich entschied mich dagegen, obwohl mich die Uhr reute. Ich ging weiter und überlegte noch lange hin- und her, was ich tun könnte.

Der Weg führte über einen Berg und weit oben machte ich Pause. Dabei entdeckte ich dass die Uhr beim Herunterfallen am Tragegurt des Rucksacks hängengeblieben war!! :-))) Ich bin dankbar, dass sie nicht verloren gegangen ist. Sie begleitet mich schon seit meinem 20. Geburtstag, also eine ganze Weile!

Heute musste ich einige Höhenmeter überwinden und mehr als einmal habe ich eine Abzweigung verpasst. Die Gegend ist schön: steile Hügel und wunderschöne Flusstäler wechseln sich ab. Jetzt bin ich in St. Etiennes Vallée française, einem kleinen Dörfchen, in einer Herberge im Viererzimmer. Ich bin aber der einzige Gast 🙂

Es ist noch nicht viel los hier. Die sind alle erst daran, sich für die Saison vorzubereiten. So auch das einzige Restaurant. Die Leute sitzen zwar schon im Garten und trinken etwas, es wird aber noch nicht gekocht. Der Wirt erbarmt sich meiner und bereitet mir eine Mahlzeit, mit dem, was er halt hat: Pommes, Omelette mit Pilzen 🙁 (grosszügig) ein Stück Käse, ein bissche unreife Melone, ein Stück Rohschinken, ein Viertel Ananas und ein Schälchen Erdbeeren mit einer Tonne Zucker drauf. Schade um die Beeren. Es war ja nicht gerade mein Menu, aber besser als nichts. Die Pommes waren echt gut und da ich schon seit ewigen Zeiten keine mehr gegessen habe, habe ich sie einfach genossen.

Morgen gibt es eine kurze Etappe, nur 9km, dann gibt’s Urlaub bei Steffi und Chris. Die nächsten Tage habe ich kein Internet.

 

23. April von St Etiennes Vallée française bis St Germain-de-Calberte

 

Heute Morgen bin ich extra zum Gemeindehaus gegangen, um Internet zu haben und mich mit dem nicht funktionierenden Blog herumzuschlagen.

Ich konnte einfach nichts speichern. Texte und Fotos verschwanden einfach wieder. So jatte ich mir das aber gar nicht vorgestellt! Auf dem Handy ging nichts, aber zum Glück auf dem Tablet. Das Problem ist nur, dass die Fotos auf dem Handy sind…

Die Wanderung war kurz, zuerst am Fluss und dann den Wald hoch. Da gibt’s ein paar schöne alte Häuser, mas genannt (spricht man aus wie man’s schreibt)

Schon bald war ich bei Steffi und Chris. Auch sie haben ein wunderschönes altes Haus aus Schiefer, auch das Dach ist mit Schiefer gedeckt. Sie haben es schön eingerichtet.

Wir verbringen einen gemütlichen Nachmittag und Abend.

24. April Pause – St Germain-de-Calberte

Mit Vogelgezwitscher erwachen; gemütlich, ausgiebig frühstücken; ein Spaziergang zu einem Aussichtspunkt; faulenzen; ins Dorf spazieren; im neu eröffneten Restaurant essen.

Die Etappe, die ich theoretisch heute gemacht hätte, lasse ich aus. Morgen kommt Steffi mit und wir wollen bis Florac wandern, weil am Donnerstag Markt ist.

 

25. April von Cassagnas nach Florac

Chris bringt uns nach Cassagnas, von wo aus wir die ca 17 km nach Florac unter die Füsse nehmen.
In der ersten Hälfte wandern wir auf einem alten, ausgedienten Eisenbahntrassé entlang des Flusses Mimente. Der Fluss ist atemberaubend schön. Mal rauscht er über die Steine, mal gibt es tiefe, grün oder türkis schimmernde Becken, die zum Schwimmen einladen, aber leider nicht erreichbar sind (wäre wohl sowieso viel zu kalt…)

Am Wegesrand grünt und blüht es. Wir sehen unter anderem Orchideen und viele Narzissen.

Auf der Strecke gibt es auch mehrere Tunnel. Vor dem ersten schwarzen Loch rüsten wir uns: Steffi demontiert ihre Sonnenbrille und zieht die Jacke an und ich zücke die Taschenlampe. Kaum betreten wir die Düsternis, sehen wir schon um die Kurve den Lichtschimmer des anderen Endes. Wir müssen laut lachen, die ganze Aufregung für nichts!

Plötzlich raschelt es neben uns am Wegesrand: eine kleine unscheinbare Schlange. Leider sind wir zu langsam um sie zu fotografieren.

Gegen Mittag überqueren wir den Fluss und wandern durch den Wald hinauf. Eine Kolonne von Prozessionsspinnerraupen kriecht auf dem Weg. Jede Raupe ist ein paar cm lang, die gesamte Länge ca 1.5 m.

Kurz vor Florac steigen wir noch zu einem Fluss hinunter. Für uns ist es aber zu kalt zum Baden.

Florac ist ein hübsches Städtchen. Dahinter türmen sich die Felsen, auf denen die Hochebene, die Causse liegt.


Florac / Die Fassaden unten links sind nur gemalt 🙂

 

26. April von Florac nach Le Pont-de-Monvert

 

Diese Etappe ist fast 30km lang. Deshalb bringen Steffi und Chris mich ein Stück weit mit dem Auto und wandern noch eine gute halbe Stunde mit mir durch den lichten Wald und dann auf der Krete. Von hier aus hat man einen tollen Blick auf die Berge und die Felswände und die Hochebene oberhalb von Florac. Wir sehen auch Geier. Zwei fliegen relativ nah über uns vorbei, weiter weg sehen wir mehrere kreisen.

Auf dem Col du Bougès (1400m) hat man einen fantastischen Ausblick über die Berge im Süden, die immer heller werden und schliesslich im Dunst verschwinden. Ich beschliesse, hier meine Mittagspause zu verbringen, um das Panorama zu geniessen. Ich muss nur einen windgeschützten Platz finden, denn der Wind ist kalt. Hinter einem Steinhaufen finde ich ein warmes Plätzchen.

Nun geht’s auf der anderen Seite wieder hinunter, zuerst durch den Wald, später über steinübersäte Wiesen. Zum Teil sind die Steine auf die Seite geschafft und zu Mäuerchen oder Haufen aufgeschichtet, um freie Weiden zu schaffen. Auf der anderen Talseite sind alle Hügel mit riesigen Steinbrocken übersät. Noch weiter ist der Mont Lozère zu sehen, wo noch vereinzelte Schneefelder liegen. Da werde ich morgen sein.

Hier gleiten wieder zwei Geier über mir vorbei und auf dem Abstieg nach Le Pont-de-Montvert huscht eine riesige, leuchtend grüne Eidechse über den Weg. Eine viel kleinere liegt weiter unten auf einem Stein und sonnt sich. Es gelingt mir sogar, sie zu fotografieren.
Das Handy ist ja praktisch und handlich und macht sehr gute Fotos, der Nachteil ist aber, dass der Bildschirm so sehr glänzt und spiegelt, dass man so gut wie gar nichts sieht, das heisst, meistens fotografiere ich fast blind. Erstaunlicherweise kriege ich meistens das auf’s Bild, was ich will.

Le Pont-de-Monvert ist ein hübsches Dorf an einem rauschenden Fluss. Ich esse in einem Café an der Sonne, obwohl es schon recht kühl ist.
Eigentlich habe ich in einem Hotel reserviert. AmTelefon war es schon teurer als in der Broschüre angegeben und als ich ankomme, ist es gleich nochmals teurer. Deshalb lasse ich es bleiben und übernachte nun wieder in einer gîte. Ich habe ein ganzes Häuschen für mich allein und habe nicht einmal die Hälfte ausgegeben 🙂 Hier gibt es sogar eine Badewanne und ich kann in aller Ruhe ein warmes Bad geniessen.


Le Pont-de-Montvert

20 bis 26 Apr 2018 – Woche 1 – Von Alès bis nach Pont-de-Montvert