18. Mai – Von Notre Dame de l’Hermitage nach Chabreloche

Heute ist ein gemütlicher Wandertag, es geht mehr ab- als aufwärts, das Wetter ist gut, die Vögel zwitschern, die Landschaft wunderschön – was will man noch mehr?

Es wird immer heisser, bis ich am Schluss tüchtig schwitze. In Chabreloche ist dann leider das Hotel schon voll. In meinem guide steht nichts von einer gîte, aber ich weiss von meinem jungen Pilgerfreund, dass man im Gemeindehaus fragen kann, die haben einen Raum, wo man schlafen kann.

Ich kriege auch problemlos den Schlüssel. Es hat drei Klappbetten, ein WC mit Lavabo und das ist es dann. Keine Decken, ich werde frieren, da ich nur einen Seidenschlafsack habe. Ich stelle das Bett neben die Heizung und drehe sie auf. Nun muss ich halt einiges anziehen und die Jacke über mich legen. Wird schon gehen…

19. Mai – Von Chabreloche nach Lavoine

Die Nacht ist gar nicht so schlecht verlaufen. Ich bin zwar mal lange wach gewesen, aber gefroren habe ich nicht gross.

Ich mache mir Gedanken, weil meine deutsche blau sim Karte nicht mehr funktioniert, es heisst immer: nicht im Netz registriert. Das verstehe ich nicht, denn ich bin ja registriert und habe nun schon vier Wochen damit telefoniert. Nun kann ich nicht einmal die blau-hotline anrufen, keine sms verschicken und empfangen und wenn ich auf die Nummer anrufe kommt gleich die Combox.

Das Ganze ist ein bisschen blöd, weil ich heute unbedingt reservieren sollte, statt mehr, werden die gîtes immer rarer. Ich versuche es mit dem schweizer Handy, aber offenbar ist die Nummer falsch. Ich beschliesse, einfach loszulaufen und darauf zu vertrauen, dass es schon irgendwie klappen wird.

Es ist wunderschön, ich steige über 600m hinauf. Nach etwa einem Viertel des Aufstiegs komme ich in den Wald und laufe nun etliche Stunden darin.

Ich begegne einer Frau, die anhält. Ich sei die erste Wanderin, die ihnen begegne seit Orléans (also während zwei bis drei Wochen). Ihr Mann komme auch noch. Sie fragt mich, ob ich nach Lavoine wolle und ob ich reserviert hätte. Ich sagte, ich hätte ein Problem mit dem einen Handy und die Nummer, die ich hätte, stimme wohl nicht. Sie sagte, die gîte sei total ausgebucht übers Wochenende.

Sie versuchen es mit den Nummern, die sie haben, erreichen aber auch niemanden. Erst auf eine sms gibt jemand Antwort, bringt aber auch nichts. Ich sage, ich gehe einfach weiter und vertraue darauf, dass ich schon irgendwo unterkomme. Sie geben mir noch Tipps, wo ich überall fragen könne. Auf dem weiteren Weg sei es auch sehr schwierig, Unterkünfte zu finden, ganz besonders über dieses lange Wochenende. Am 1. Juli seien sie wieder zurück in Orléans und ich solle mich unbedingt melden, falls ich da vorbeikomme.
Die Leute sind mega lieb und wir verabschieden uns herzlich und mit den besten Wünschen. Ich solle doch eine sms schreiben heute Abend, damit sie wissen, ob ich untergekommen bin.

Ich habe gestern in Chabreloche eingekauft, da ich davon ausgehe, dass ich die nächsten Tage keinen offenen Laden finden werde. Heute morgen beim Packen denke ich: jetzt hast du es wieder einmal total übertrieben. Schliesslich muss ich alles schleppen. Aber nachdem, was die beiden gesagt haben, muss ich tatsächlich damit rechnen, dass ich auch einmal das Abendessen aus meinen Vorräten werde bestreiten müssen und bin doch froh, dass ich genug dabei habe. Obwohl der Rucksack sehr schwer ist und ich sehr lange seehr steil bergauf gehen muss, geht es jedoch problemlos.

Als ich bei der gîte ankomme, sie ist ca 2km oberhalb des Dorfes beim Langlaufzentrum, stellt sich heraus, dass sie das ganze Wochenende an eine Gruppe vermietet ist.
Ich rufe trotzdem eine der Nummern an (mit meinem swisscom prepaid, kostet ein Vermögen ;-)), die da angegeben sind, um mich zu erkundigen, wo ich schlafen könne. Der Mann sagt, er schaue mal und ruft mich bald zurück. Ich solle ins Dorf kommen und da warte ein junger Mann auf mich.

Ich mache mich auf den Weg und bald klingelt mein Handy: der junge Mann. Er erklärt mir, wo ich hin soll. Als ich komme ist er gerade daran, ein Haus für mich bereitzumachen. Ich sage, das sei ja aber hoffentlich nicht sein Zimmer. Nein, es sei das Haus seines Grossvaters, der vor vier Monaten ins Altersheim musste. Im Moment stehe es leer und ich könne darin schlafen. Dafür verlangt er gleichviel wie in der gîte: 13 Euro. In der gîte hätte ich aber keine Bettwäsche bekommen.

Er fragt, ob ich genug zu essen hätte, oder ob ich ins Restaurant wolle. Wenn es geht, würde ich gerne ins Restaurant, sonst esse ich immer das gleiche…
Er ruft an und sagt mir nachher, ich müsse das Kistchen mitnehmen, das Restaurant sei voll, aber sie würden mir etwas bereit machen.

Es stellt sich heraus, dass die eine grosse, geschlossene Gesellschaft haben, trotzdem machen sie mir ein Menu bereit, das volle Programm: einen Tomatensalat, Hauptgang, Käse und Dessert. Bei uns würde das niemand machen. Alle sind total herzlich und es stresst sie überhaupt nicht. Dafür verlangen sie dann 12 Euro!

Das sind wunderbare Erfahrungen, die diesen Weg so besonders machen!

20. Mai – Von Lavoine nach Chargueraud (Châtel-Montagne)

Am Morgen ist es saukalt im Haus. Auch wenn es tagsüber heiss sein kann, sobald die Sonne weg ist, ist es richtig kalt.

Heute muss ich wieder über einen Berg wandern. Zuerst führt der Weg zu einem markanten Felsen und ich nehme mir die Zeit, ihn zu besteigen. Die Aussicht ist wundervoll.

Nachher gehts weiter auf den Berg hinauf und dann lange auf der Krete durch den Wald. Das ist eine Windrädertour. Der Weg führt von einem Windrad zum nächsten, 8 Stück. Diese riesigen Dinger sind schon faszinierend….

Dann gehts durch Wiesen, an Hecken entlang und ich sehe auf einen schönen See hinunter. Ich hätte gerade Lust zum Schwimmen, ist aber wahrscheinlich kalt, schätze ich.

Als ich in Chargueraud ankomme findet gerade ein Flohmarkt statt. Im ganzen Dorf sind die Stände verteilt. Ich frage nach einer gîte oder einem Zimmer. Die meisten haben keine Ahnung. Jemand schickt mich 800m die Strasse hinauf. Aus einer Ausfahrt kommt ein Auto mit zwei Männern, ich frage sie. Ja, weiter vorne gäbe es eine gîte, ob ich mitfahren wolle. Das mache ich. Bei der gîte stellt sich heraus, dass sie voll ist und Zimmer vermieten sie keine mehr.

Die beiden Männer bringen mich in ein anderes Dorf in entgegengesetzter Richtung zu einer Frau bei der ich ein Bett mieten kann! Der Fahrer bietet mir sogar an, mich morgen früh wieder auf den GR3 zu bringen. Es stellt sich aber heraus, dass das nicnt nötig ist, es gibt einen schönen Wanderweg, der mich dahinbringt.

Es ist so schön, immer kommt im richtigen Moment Hilfe! Wenn ich gestern oder heute Morgen in der gîte angerufen hätte, weiss ich nicht, was ich gemacht hätte. Ich hätte irgendwie umgeplant, denn das Dorf, in dem ich schliesslich geschlafen habe, war grad nicht mehr auf meiner Karte, ich wusste also nicht, dass es existiert und ich hätte sowieso nicht gewusst, ob es da eine Übernachtungsmöglichkeit gibt. Ich hätte also eine ultrakurze oder eine 30km Etappe hingelegt. Hätte mir beides nicht gepasst. Drum beschliesse ich, es auch morgen daraufankommen zu lassen….

 

21. Mai – Von Châtel-Montagne nach Droiturier

Der Weg, der mich wieder zum GR3 bringen soll, ist auch ein gekennzeichneter Wanderweg, irgendeine Rundwanderung. Es gibt hier unglaublich viele Wanderrouten.

Ich muss ganz in ein Tal runter und auf der anderen Seite wieder hinauf. Da soll es einen Pfad geben, auf dem man eine Kurve der Strasse abschneidet. Es gibt ein Tor und man kommt auf eine Kuhweide. Ich wandere auf dem Weg und konsultiere meinen freundlichen blauen Punkt. Wenn das stimmt, was der mir sagt, weiche ich beträchtlich vom Pfad auf der Karte ab. Mmh, ich korrigiere ein bisschen, aber irgendwie scheint das nicht zu stimmen. Am Ende gehe ich an einem Zaun entlang den Berg hinauf und muss oben wieder ein Stück zurückgehen. Die Kühe bringen sich in Sicherheit und galoppieren alle davon. Ist mir auch recht, wenn ich nicht mitten durch die Herde laufen muss.

Da oben ist ein Mann daran, sein Haus zu renovieren, er sagt mir, gleich um die Ecke, gebe es einen Durchgang. Ich sei nicht die einzige, die hier falsch gelaufen sei.
Leider kriege ich den Zaun unten nicht auf und reisse einen Triangel in meine Hose. Links sehe ich den Weg, auf dem ich hätte kommen müssen. Keine Ahnung, wo ich den verpasst habe…

Um die Ecke kommt eine Frau und begrüsst mich, eine Holländerin. Sie wohnen da und renovieren das Haus. Sie lädt mich ein, etwas zu trinken und wir plaudern ein bisschen. Offenbar landen viele Wanderer auf dieser Kuhweide und laufen noch länger in die Irre, ohne blauen Punkt 😉
Die Frau ist ganz begeistert von meiner Wanderung, sie möchte auch sowas machen. Ich schenke ihr meine Stevensonweg-Karte, sie gibt mir einen Bioapfel und selbstgemachtes glutenfreies Früchtebrot mit auf den Weg. Wieder eine schöne Begegnung!

Ich wandere weiter über die Hügel und da die Pause ein bisschen lang war entscheide ich mich für die Abkürzung, die meine Gastgeberin sowieso empfohlen hat.

Es ist wirklich eine schöne Gegend, alles ist ein bisschen weicher und runder als vorher in den Bergen. Vogelgezwitscher begleitet mich und es gibt viele schöne Blumen. Die Wiesen sind schon hoch, es ist bald Zeit zum Heuen.

Beim späten Mittagessen beginnt es zu donnern und schwarze Wolken ziehen auf. Es ist eine wunderschöne Stimmung. Der Wind wird immer stärker und bald fallen grosse Tropfen. Zum Glück bin ich gerade noch bei den letzten Häusern und kann unter dem Vordach unterstehen. Nach einer halben Stunde hört es schon wieder auf und bald scheint wieder die Sonne.

In Droiturier frage ich den ersten, der mir begegnet nach einer Unterkunft. Laut meinen Unterlagen soll es hier Zimmer geben. Er bestätigt das und erklärt mir den Weg.
Ich sehe nirgends ein Schild und nachdem ich das letzte Haus hinter mir gelassen habe, kehre ich um und läute. Ein Mann öffnet, ich frage nach einem Zimmer. Sie machen das nicht mehr, seine Frau ist nicht mehr da, und etwas anderes gibt es nicht im Dorf. Die nächste Unterkunft gibt es nach weiteren 11km, keine erfreuliche Aussicht, aber durchaus machbar. Der Mann überlegt hin und her, schliesslich sagt er, wenn ich wolle, könne ich in dem Wagen im Garten schlafen, den haben sie auch immer vermietet, nebst zwei Zimmern. Er habe aber natürlich nichts gemacht nach dem Winter, er müsse das Wasser anstellen usw.
Ich bin natürlich froh, wenn ich überhaupt etwas kriege. Im Bad liegen ein paar tote Fliegen, der Mann entschuldigt sich. Ich sage zu ihm, ich hätte schon in recht schmuddeligen gîtes geschlafen, da seien ein bisschen Staub und ein paar tote Fliegen das geringste Problem.
Er sagt, ich hätte Glück gehabt, er und seine Freundin wollten gerade zu einem Spaziergang aufbrechen. Fünf Minuten später wäre niemand mehr dagewesen.

Es ist zwar ein gewisses Risiko, nicht zu reservieren, aber es lässt auch viel Raum für Überraschungen und ich hätte alle die Engel, die immer im richtigem Moment auftauchen und alles möglich machen, nicht getroffen :-))

Der Wagen ist nett, es steht ein altes Doppelbett drin und ein klappbares Kajütenbett. Das Lavabo ist aus Glas. Es braucht fast ein bisschen Überwindung, den Wasserhahn aufzudrehen.
Ich warte extra mit Duschen, in der Hoffnung, dass ich warmes Wasser haben werde. Der Besitzer ist nämlich nicht sicher, ob der Boiler noch funktioniert, weil er ihn zwar im Herbst geleert, aber vergessen hat, ihn auszuschalten. Ich habe Glück und kann warm duschen!


Ein Gewitter zieht auf.

 

22. Mai – Von Droiturier nach St Léon

Heute stehen mir 27km bevor bis zum nächsten Bett. Schade, hier auf der Terasse meines Wagens in der Morgensonne zu frühstücken gefällt mir gut. Ich hätte es gerne noch ein bisschen länger genossen. Ich muss aber unbedingt in einen Ort, in dem ich einkaufen kann, ich habe nämlich gestern zum Znacht von meinen Vorräten gefuttert und es wird gerade noch heute für den Zmittag reichen. Meine Gastgeber haben mir gestern noch einen grünen Salat angeboten, den ich genüsslich verspiesen habe. Das war, glaube ich, etwa der dritte Salat in den gut vier Wochen…

Die Gegend ist wunderschön. Es gibt viele Kuhweiden, aber auch Felder, auf denen Korn wächst. Dazwischen gibt es viele Hecken und Bäume. Die Bäche dürfen noch fliessen, wie sie wollen und mäandern mal in kurzen, engen, mal in grossen, weiten Schleifen durch das Tal.

Der Weg führt öfters an den Hecken entlang, manchmal sogar in den Hecken, aber leider ist heute der weitaus grösste Teil asphaltiert. Es sind ganz kleine Strassen, die die Höfe und kleinen Dörfer verbinden. Es kommt maximal ein Auto pro Stunde vorbei, von da her also gar kein Problem. Ich versuche, wenn immer möglich, neben der Strasse zu laufen, aber das geht leider nicht immer.

Vor vier Tagen war ich noch in den Bergen, jetzt bin ich schon viel weiter unten, zwischen ca 300m und 500m. Es ist sehr hügelig und manchmal auch steil. Anstatt über einen oder zwei Berge, geht es jetzt über sieben Hügel, also ständiges auf und ab, sodass man immer noch einige Höhenmeter macht.

Die Vögel zwitschern, die Grillen zirpen wie verrückt und in den kleinen Seelein, an denen ich ab und zu vorbeikomme, quaken die Frösche.

Nach gut vier Stunden und 15.6km bin ich in Bert. Man erinnere sich, das wäre die nächste Unterkunft gewesen, wenn ich nicht in diesem Wagen hätte übernachten können. Wenn ich das noch hätte machen müssen – prost Nägeli! Allerdings stand da auf dem Wegweiser 11km, das wäre ja noch gegangen.

Auf die Angaben auf den Wegweisern kann man sich absolut nicht verlassen, die stimmen eigentlich selten überein. In Bert gibt es einen Wegweiser nach St. Léon, 14.5km, nach vier Kilometern steht 10.5, klingt gut. Nach weiteren 800m heisst es 11km und nach den nächsten 6km sind es noch 9,5km, nach 500m noch 5km….

Am Nachmittag passiert mir etwas Blödes. Ich komme über einen schrecklichen Bauernhof an eine Strasse, geradeaus ein Weg. Ich finde keine Markierung, hm, also Handy konsultieren. Der blaue Punkt ist abseits des Weges, als ob ich fast rechtwinklig davon abgebogen wäre. Also zurück, obwohl ich ziemlich sicher bin, dass ich den Zeichen gefolgt bin. Ich bin kaum 20m zurückgelaufen, sehe ich eine Markierung. Also bin ich doch auf dem richtigen Weg. Vielleicht wurde ja die Route wieder einmal geändert. Also wieder rechtsumkehrt, aber auch diesmal finde ich nichts an der Kreuzung. Nun gehe ich einfach anhand des Handys wieder Richtung GR3 und St. Léon. Ich komme jetzt aber von einer anderen Seite, als ich geplant hatte. So habe ich sicher zwei oder drei Kilometer mehr gemacht, also über 30km 🙁

Weil es so spät ist, habe ich mich schon mal telefonisch angemeldet. Hier gibt es nämlich eine gîte der Gemeinde und die arbeiten ja nicht ewig. Ich kriege eine Telefonnummer, wo ich mich melden kann, wenn ich da bin. Klappt alles bestens.

Die Frau fragt, ob ich zu essen hätte. Ich sage, nein, ob es ein Restaurant gäbe. Sie sagt, hier gebe es nichts. Einen Laden? Der macht gleich zu. Also schnell noch rein, aber das ist kein gewöhnlicher Laden, sondern einer mit Spezialitäten aus der Gegend, also Wurst, Käse, Mehl, Öl, Wein, Bier, Hasen in Gläsern und solche Sachen. Damit kann ich nicht viel anfangen. Ich kaufe dann Joghurt, Käse und noch Eier, und finde Ratatouille im Glas. Das kaufe ich mir, muss ich nur noch aufwärmen und ist sehr gut.

Das sieht böse aus für die nächsten Tage. Ich muss lange Etappen machen und froh sein, wenn ich unterkomme, Restaurants und Läden sind äusserst rar. Ich habe gedacht, jetzt komme ich wieder mehr in die Zivilisation, aber es wird immer weniger…

23. Mai – Von St. Léon nach Diou

Das sind knapp 20 km. Weil ich nicht mehr schlafen kann, studiere ich die Karten und Notizen. In Diou soll es einen Laden geben, der aber ausgerechnet am Mittwoch Nachmittag zu ist. Heute IST Mittwoch. Ich beschliesse früh zu starten und weiter als Diou zu wandern, denn morgen ist eine 30 km Etappe angesagt UND ich müsste noch einen Umweg über Bourbon-Lancy machen, weil ich wirklich dringend einkaufen muss. So könnte ich die morgige Etappe verkürzen. In Saint-Aubin-sur-Loire gibt es jemanden, der Zimmer anbietet. Das wäre ideal.

Also bin ich um 8h auf dem Weg. Irgendwann sehe ich auf einem Wegweiser, dass es nur noch 9km bis Diou sein sollen und ich denke, wenn ich jetzt ein bisschen Gas gebe, bin ich vor ein Uhr da und es besteht eine winzige Chance, dass der Laden noch offen ist. Meistens schliessen sie um 12.30h.

Ich bin schnell unterwegs. Es wird immer flacher, aber auch weniger spannend. Die Landschaft ist immer noch schön, es gibt viele Bäche und Hecken, von Menschen gepflanzt. Manchmal hat es rechts und links der Strasse eine 2m hohe Hecke, so dass man nicht viel sieht von der Umgebung. Gab es vorher noch ab und zu ein schnuckeliges Dorf, werden sie zusehends hässlicher. Die alten Häuser sind in einem desolaten Zustand und die neuen geschleckt. Kein erfreulicher Anblick.

Auch die Gärten gefallen mir im Allgemeinen nicht. Es gibt zwar nicht mehr so viele, die als Müllhalden genutzt werden, aber sie sind kahl. Im besten Fall sind sie gepflegt, aber auf eine Art, die ich gar nicht mag. Geschleckter Rasen, sonst nicht viel, vielleicht noch eine Azalee oder ein paar Koniferen. Es gibt viele neue Häuser mit solchen Gärten.

Irgendwann merke ich, dass ich es vielleicht sogar vor 12.30 h schaffen kann und ich fahre meine Beine aus. Um 12.25 bin ich da und sehe, dass die epicerie um 12.15 h schliesst. Oh nein! Aber immerhin ist sie heute Nachmittag nicht geschlossen. Ich gehe zur Tür und sie öffnet sich. Drinnen ist eine Frau, sie schaut mich an, sagt aber nichts. Dann zieht sie ein Rollo vor das Kühlregal. Ich frage: oh, schliessen Sie gerade? Sie antwortet, eigentlich ist der Laden schon zu, aber ich gebe Ihnen 5 Min.

Ich kaufe ein und beim Bezahlen sage ich, sie sei ein Engel. Sie meint, sie sehe, dass ich wandere und sie wisse, dass es schwierig sei, unterwegs einzukaufen. Nun sei sie zwar 5 Min länger dagewesen, aber dafür sei sie zufrieden. So schön!

Als ich aus dem Laden komme regnet es! Und ich wollte nun eine schöne lange Pause machen nach diesem Gewaltmarsch. An einem geschützten Platz packe ich meine Einkäufe ein. Als es nicht mehr regnet wandere ich ganz langsam los und suche einen guten Ort für meine Mittagspause. Ich hatte die Vorstellung am Flussufer auf einer schönen Wiese zu sitzen (nach fast zwei Wochen bin ich das erste Mal wieder an der Loire!)
Aber daraus wird wieder einmal nichts, es gibt keine Möglichkeit zum Ufer hinunter zu gehen. Irgendwann mache ich meine Pause, weil ich sie einfach brauche, egal wo, und wandere nachher noch die 5 km nach St. Aubin-sur-Loire.

Hier stellt sich heraus, dass alle Unterkünfte besetzt sind. In einem Café sind zwei junge Frauen, die im Internet für mich suchen. Schliesslich finden sie etwas. Es ist gut 10 Autominuten entfernt und zwar wieder zurück und durch Diou. Warum habe ich mich denn so beeilt heute Morgen?
Eine der Frauen fährt mich hin. Kaum sitzen wir im Auto, giesst es aus Kübeln, so dass wir kaum noch die Strasse sehen, die bald unter Wasser steht. Gott sei Dank bin ich nicht zu Fuss unterwegs.

Ein Mann öffnet und zeigt mir mein Zimmer, ich frage, ob ich da essen könne, allerding esse ich glutenfrei. Er sagt, das sei kein Problem, seine Partnerin esse auch glutenfrei. Na sowas. Auch meine allererste Gastgeberin in Alès hat gesundheitliche Probleme und hat gemerkt, dass es besser ist, auf Gluten zu verzichten.

 

24. Mai – Von St Aubin-sur-Loire nach Maltat

Nach einem ausgezeichneten Frühstück mit Beeren und Cracker, fährt Tuija mich wieder nach St. Aubin, so dass ich da starten kann, wo ich gestern aufgehört habe. Sie muss sowieso in diese Richtung.

Am Anfang wandere ich auf einem Weg, der auch Veloweg ist. Links und rechts stehen Bäume mit weissen Blüten, die in Trauben herunterhängen. Jedenfalls gestern noch. Nach diesem wahnsinnigen Regen gestern bedecken die Blütenblätter als matschige, glitschige Masse den Weg. Zweimal rutsche ich fast aus. Ein Grund mehr, den Asphalt zu meiden und im Gras zu laufen.

Hier ist die Route wieder einmal geändert worden, aber ehrlich gesagt, auch nach langem darüber Nachdenken, verstehe ich die Markierung nicht. Ich bin dann falsch gelaufen, weil ich der Sache nicht getraut habe und beschliesse dann, einfach nach meinem Handy mit der alten Wegführung zu laufen.

In einer Hecke hängen Raupen an einem seidenen Faden und versuchen, daran hinaufzuklettern. Das sieht witzig aus, weil man im ersten Moment nur die Raupen in der Luft schweben sieht.

Es ist fürchterlich heiss. Zum Glück kann ich oft im Schatten wandern. Es ist schon verrückt: vor anderthalb Wochen habe ich mich frierend durch das Schneegestöber gekämpft und jetzt röste ich hier in der Sonne.

Seit Tagen habe ich keine Wanderer mehr gesehen. Die beiden aus Orléans, die ich am Samstag zwischen Chabreloche und Lavoine gesehen habe, waren die letzten. Heute komme ich an der Abzweigung zum GR13 vorbei. Von daher kommen die meisten Pilger vom Norden her. Das heisst, ich werde von jetzt an gar niemanden mehr sehen, der auf der Route wandert. Ich sehe auch sonst tagsüber fast keine Menschen.

In Maltat, meinem heutigen Ziel gibt’s wieder einmal nichts, keine Unterkunft, kein Restaurant, nichts. Es ist auch schwierig, jemanden zu finden, um zu fragen. Schliesslich stellt sich heraus, dass ich etwa dreieinhalb Kilometer die Strasse entlangwandern muss, da gibt es Gastzimmer. Dieses Stück gibt mir den Rest, aber ich werde belohnt mit einem wirklich schönen sauberen Zimmer mit einem richtig guten Bad.

Es ist nämlich kaum zu glauben, in welch desolatem, schrecklichem Zustand die sanitären Anlagen im Allgemeinen sind. Will man den Wasserhahn aufdrehen, kommt der ganze Hahn, schlecht und hässlich gefugt, die Spülung funktioniert nicht und ich habe kaum ein Bad gefunden, ohne Schimmel. Offenbar kümmert sich einfach niemand um die Sachen, sie werden einfach nicht gepflegt. Es ist wirklich schlimm. Es geht nicht um Luxus und es müssen auch keine neuen Bäder und Armaturen sein, aber gepflegt und in funktionierendem Zustand, erwarte ich eigentlich schon, schliesslich bezahlt man ja dafür, wenn auch in den gîtes nicht viel. Bei den Zimmern wird aber manchmal schon abkassiert, aber offensichtlich nichts investiert.

Wenn man alleine ist, bezahlt man natürlich immer mehr. In den gîtes bezahlt jeder gleichviel für sein Bett, bei den Zimmern zahle ich oft einfach das Zimmer für zwei. Bei den einen ist es ein bisschen günstiger alleine. Zu zweit könnte man jedenfalls viel günstiger unterkommen.

Meine Gastgeberin bringt mir auch eine Karte und Prospekte mit Unterkünften und Restaurants. Sie sagt, von jetzt an gebe es wieder mehr Möglichkeiten, auch zum Einkaufen. Da bin ich froh, denn so kann ich tageweise einkaufen und muss nicht so viel schleppen. Ausserdem wird es bei diesen Temperaturen zunehmend schwieriger, Lebensmittel ein paar Tage lang mitzutragen. Heute ist mir fast der Käse davongelaufen…

18 bis 24 Mai 2018 – Woche 5 – Von Notre Dame nach Maltat