Auf dem Mont Lozère
27. April – Von Le Pont-de-Monvert über den Mont Lozère nach Bleymard
Heute gehe ich etwas früher los. Ich habe einen laaangen Aufstieg auf den Mont Lozère (1699m) vor mir. Über gut 11km geht es 800m hoch. In ca 3 1/2 Stunden bin ich oben. Am Anfang ist es steinig, wie gestern. Dann kommen Hänge mit Ginster, der leider noch nicht blüht. Plötzlich sehe ich ein Tier, das ziemlich weit weg ist. Im ersten Moment, denke ich, es sei ein Reh, aber es scheint mir zu plump. Auch der Gang stimmt irgendwie nicht. Vielleicht ein Fuchs? Ist aber eher zu gross….
Nachher geht es lange durch Föhrenwald. Die Föhren werden immer kleiner und die ersten übriggebliebenen Schneefelder tauchen auf. Die Kuppe ist fast kahl, Gras und Erika. Ein paar kleine Osterglocken und Minikrokusse kämpfen gegen den Wind, der stark und kalt ist.
Oben begegne ich zum ersten Mal einer Gruppe, die mit Eseln unterwegs ist. Die Leute sitzen alle hinter einem Steinhaufen zum Schutz gegen den Wind.
Die Aussicht da oben ist fantastisch. Man kann sogar die Alpen sehen und den Mont Blanc, allerdings ist es recht dunstig.
Beim Abstieg auf der anderen Seite sehe ich ein paarmal eine Lerche. Nicht, dass ich eine Vogelkennerin wäre, aber ich vermute es. Die Vögel steigen aus den Erikabüscheln fast senkrecht auf, flattern wie verrückt und zwitschern und pfeifen und scheinen manchmal in der Luft zu „stehen“.
Bis jetzt habe ich ja wirklich Glück mit dem Wetter. Vorallem heute bin ich froh drum, weil ich so die Sicht geniessen kann. Morgen soll es schlechter werden und vielleicht sogar regnen.
So langsam gewöhnen sich meine Muskeln an die Bewegung und ich finde bessere Möglichkeiten, wie ich den Rucksack bequemer tragen kann. Es läuft immer besser 🙂
In Bleymard finde ich eine richtig gute gîte und gehe gut essen.
Von dem Berg dahinten, Col du Bougès, bin ich gestern gekommen.
Zuoberst, ganz weit weg, ein Schneefeld auf dem Lozère – da will ich hin…
28. April – Von Bleymard nach Chasseradès
Nach einem guten Frühstück in der gîte marschiere ich guten Mutes los. Es ist etwa die gleiche Distanz wie gestern, geht aber weniger hoch hinauf. Allerdings dazwischen wieder weit hinunter, sodass ich wahrscheinlich ähnlich viele Höhenmeter hinter mich bringen werde.
Heute ist das Wetter nicht so gut. Bald regnet es sogar ein bisschen und ich muss meine Pelerine hervorkramen. Heute kommt mir auch der Rucksack wieder sehr schwer vor. Ich habe allerdings auch eingekauft und da man oft nicht die kleinen Mengen bekommt, die ich eigentlich möchte, wird es schnell sehr viel. Bei diesem Gewicht macht ein Kilo mehr schon sehr viel aus.
Die Landschaft ist ähnlich, wie bei uns in den Voralpen, einzig, dass es recht viele Birken hat. Ich sehe und höre auch ab und zu wieder Lerchen. Was mich auch immer wieder freut ist, dass ich jeden Tag den Kuckuck höre. Ich weiss nicht, wann ich in der Schweiz zuletzt einen gehört habe.
Bei Chasseradès, meinem Ziel, gibt es Wiesen, die voller Osterglocken sind, ein sonniger Anblick!
Die Temperatur lädt nicht zu langen Pausen ein. Jedesmal friere ich nachher und muss tüchtig ausziehen, um wieder warm zu kriegen. Deshalb bin ich auch ziemlich früh am Ziel. Ich könnte noch ein paar Kilometer weiterwandern, aber die nächste Unterkunft ist erst nach ca 12km. Das ist mir zu weit, also mache ich früh Schluss und gönne meinen fleissigen Füssen eine Pause.
29. April – Unfreiwillige Pause
Am morgen früh, noch im Bett spüre ich meine linke Kniekehle. Sie ist ein bisschen geschwollen. Allerdings hatte ich das auch schon und beunruhigt mich nicht sehr. Trotzdem überlege ich mir, eine Pause zu machen.
Ich entscheide mich jedoch dagegen, ziehe mich an, frühstücke und bezahle. Als ich ins Zimmer zurückgehe, um zu packen, fühlt sich die Kniekehle aber wirklich nicht sehr gut an und ich spüre auch das Fussgelenk ein ein wenig, das ich zwei/drei Mal ein bisschen gestaucht habe.
Da der Wetterbericht auch nicht gerade gut ist, beschliesse ich spontan, doch noch eine weitere Nacht hierzubleiben.
Wie gut, dass ich meinem Bauch und nicht dem Kopf gefolgt bin: Es giesst den ganzen Tag in Strömen. Dazu ist es windig und kalt, ca 8 Grad. Es wäre auf jeden Fall ein nasser, ungemütlicher Tag geworden, zumal ich gestern bei dem leichten Regen feststellen musste, dass irgendwo Wasser in meine Pelerine dringt und zwar ausgerechnet oben, wo sie auf dem Rucksack aufliegt.
Ich nutze die Zeit um meinen Blog zu aktualisieren. Heute Vormittag ist das Internet besser und ich kann meine Texte und Bilder ein bisschen schneller hochladen.
Im Übrigen pflege ich mich und ruhe mich aus, schaue ab und zu aus dem Fenster und bedanke mich bei meinem Knie, das mich zurückgehalten hat, in dieses Sauwetter hinauszugehen 😉
Im Moment, wo ich das schreibe pfeift der Wind um’s Haus….
Heute sieht es so aus, aber es kommt noch schlimmer …
30. April – Von Chasseradès nach Abbaye N-D des Neiges
Heute ziehe ich guten Mutes los. Mein Knie fühlt sich gut an und mein Rucksack ist leichter als auch schon. Erstens habe ich meine Vorräte fast aufgefuttert, ich muss unbedingt noch einkaufen, morgen ist 1. Mai. Zweitens trage ich die meisten Klamotten, die ich dabei habe am Leib, da es nur 3 Grad ist, aber wenigstens bis Mittag trocken. Gestern soll es ja teilweise fast geschneit haben. Ich bin sicher, auf dem Lozère hat es geschneit. Ich bin grad noch rechtzeitig darübergekommen.
Die Strecke heute ist nichts besonderes. Die Etappeneinteilung ist nicht immer optimal von den Unterkunftsmöglichkeiten her. Entweder man macht kurze oder sehr lange Etappen. Fast 30 km ist mir aber zu weit, da die Gegend ja immer noch sehr hügelig/bergig ist. Ich wollte ein kleines bisschen abkürzen und in einer gîtes dazwischen übernachten. Die macht aber erst am 4. Mai auf.
In La Bastide-Puylaurant wollte ich mich im Touristenbüro erkundigen, wie es mit Übernachtungsmöglichkeiten steht, wenn ich jetzt vom Stevenson Weg abbiege und Richtung Loire-Quelle wandere. Die Dame konnte mir nicht viel sagen, denn das ist ein anderes Gebiet. Wir sind gerade noch im Lozère Gebiet und mein Weg würde durch Ardèche Gebiet gehen. Deshalb hat sie davon keine Prospekte (wir sind aber nur max. ein paar hundert Meter von der Grenze weg) Das kommt mir vor wie in Italien: das ist nicht mein Job, davon weiss ich nichts. Ich beschliesse deshalb, auf dem Stevensonweg zu bleiben, denn ich habe keine Lust, ohne Bett zu übernachten in dieser Kälte.
Seit heute weiss ich, was Bancomat heisst: distributeur. Warum ich das weiss? Weil es in dieser Gegend keinen gibt und mir langsam die Kohle ausgeht. Ich werde sie ein bisschen strecken müssen, denn es gibt erst in Langogne wieder einen distributeur. Das ist in drei Tagen….
Weil das mit der Abkürzung und dazwischen Übernachten nicht klappt (so wäre ich einen Tag früher zum distributeur gekommen), wandere ich zur Abbay. Da es unterwegs zu kalt gewesen ist, um Pausen zu machen, bin ich schon um 13.30 da und habe mich auf ein warmes Zimmer gefreut. Haste aber nur gedacht. Die Herberge macht erst um 17h auf, bei schlechtem Wetter um 15h. Zum Glück kommt die Sonne noch ein bisschen, so kann ich einigermassen warm sitzen und essen. Es wird aber immer kälter. Ab 14h kann man im Kloster einen Flim schauen zur Geschichte des Klosters, das lohnt sich nur schon, weil es da drin ein bisschen wärmer ist. Der Film reisst mich nicht vom Hocker.
Nachher geht es in den Klosterladen, da drin ist es wunderbar warm und es gibt gute Bücher. Ich kann jedoch nichts kaufen, weil ich es ja nachher schleppen muss. Ist vielleicht ganz gut…
Nach 15h schaue ich bei der Herberge vorbei, denn das Wetter ist zwar nicht so schlecht, aber saukalt. Fehlalarm. Es gibt da noch einen Schuppen mit so einer Art Aufenthaltsraum, leider auch sehr kalt. Ich erfriere fast, bis es so weit ist, dass sie aufmachen. Jetzt bin ich am Auftauen.
Die Türen der Zimmer klemmen, und wenn jemand die Tür öffnet oder schliesst, dröhnt das ganze Haus. Auch wenn jemand den Wasserhahn aufdreht, kriegen das alle mit. Aber Hauptsache warm!!
Ich wandere ja auf dem Stevensonweg in die „verkehrte“ Richtung, von Süd nach Nord, lege so mehr Höhenmeter zurück und ich begegne vielen Leuten. Heute besonders, denn es ist ja ein langes Wochenende. So gut wie alle haben gestern pausiert.
Hier in der Abbay kann man soviel bezahlen, resp. spenden, wie man will. Es wird erwartet, dass man nach dem Essen beim Abwasch hilft. Es war eine gute Truppe und ich habe mich gut unterhalten. Ich staune selber darüber, dass ich gut mit den Leuten reden kann. Nachher haben wir noch ein unbekanntes Kartenspiel gespielt, mit irgendwelchen seltsamen Karten. Es war witzig.
1. Mai – Von Abbay N. D. des Neige nach Cheylard-l’Évêque
Diese Strecke ist 28 km lang. Ich habe die Etappe so gewählt, weil die gîte sehr gut sein soll, aber auch weil ich mit zwei längeren Etappen eine Nacht spare. Dazu reicht mein Bargeld gerade noch, denn in den gîtes kann man nicht mit Karte bezahlen. In Langogne sollte es dann wieder Geld geben…
Von Laveyrune nach Luc kürze ich ab, der Wanderweg macht nämlich einen riesigen Bogen. So spart man sich wahrscheinlich ca 3km. Es regnet und ist kalt, ziemlich ungemütlich. Zum Wandern sind die Temperaturen schon ok, ich habe mehrere Schichten an. Das Problem ist, dass man keine Pausen machen kann. Alles ist nass, man kann nirgends hinsitzen und ausserdem friert man dabei sowieso. Das finde ich schon ziemllich anstrengend, denn nach einer guten Pause, geht doch alles viel besser.
In Luc gehe ich in die alte Kirche. Hier mache ich eine ausgiebige Rast. Ich schätze, dass ich gut die Hälfte hinter mir habe.
Nachher geht’s hoch zur Burgruine von Luc und weiter durch Wald und Wiesen. Die Wiesen sind übersät mit Osterglocken, es ist wunderschön. Es ist überhaupt ein schöner Abschnitt, Föhren, Fichten, Buchen und Birken, Hügel und Täler wechseln sich ab und eben überall die Osterglocken. Am Nachmittag kommt sogar die Sonne wieder ein bisschen hervor und alles sieht gleich freundlicher aus. Die einen Dörfer, durch die ich gekommen bin, sahen schrecklich trostlos aus. Hier in Cheylard gibt es aber ein paar wunderschöne alte Häuser und die Leute haben Blumen in den Gärten, sieht einfach grad viel besser aus.
Das Essen in dieser gîte ist wirklich ausgezeichnet!
2. Mai – Von Cheylard-l’Évêque nach Pradelles
In der gîte sind ziemlich viele Leute und es ist ein internationales Trüppchen. Nebst den Franzosen, die die Mehrheit stellen, gibt es noch Deutsche, Amerikaner, Australier und eine Schweizerin 😉
Beim Frühstück sitze ich wieder bei den Australiern und wir lästern ein bisschen über das französische Essen, insbesondere das Frühstück. Die Amerikaner setzen sich auch noch zu uns und stimmen uns zu.
Es ist uns aufgefallen, dass es selten Salat oder Gemüse gibt, jedenfalls in den gîtes. Klar ist das von der Vorratshaltung her einfacher, aber es gibt ja auch Gemüse, die sich gut halten. Meistens musste ich mich aber in der letzten Woche mit Reis und Fleisch oder Teigwaren und Fleisch zufrieden geben. Da ich normalerweise von Gemüse, Salat und Früchten lebe, fehlt mir schon ein bisschen etwas, während ich Fleisch nicht so mag. Meistens gibt es entweder Poulet oder stark verkochtes Fleisch.
Kate, die Australierin hat ausserdem Zöliakie. Sie meint, wenn Sie auch noch Vegetarierin wäre, wäre es in Frankreich die Hölle. Da könnte Sie gar nichts essen.
Zum Frühstück gibt es eigentlich immer nur Baguette, Butter und drei bis vier verschiedene Konfitüren. Ein bisschen Flocken ist schon Luxus, auch in Hotels, und das sind meistens süsse Sachen Kellogs und Co, aber kein Joghurt oder Milch, da muss man fragen. Käse oder Fleisch habe ich noch nie erlebt.
Mit so einem Frühstück kann man ja nicht wandern, da hat man nach einer Stunde schon wieder einen Mordshunger.
Kate bringt es auf den Punkt, als sie sagt (sie hat spezielles Brot): Ich weiss gar nicht, ob ich das essen soll, da habe ich ja nach einer halben Stunde einen Sugarcrash. Nichts essen wäre wahrscheinlich besser.
Da hat sie vollkommen recht. Ich habe es ausprobiert. Ohne Frühstück komme ich wesentlich weiter als mit Weissmehl und Zucker….
Wie auch immer, diese gîte ist um Klassen besser als alle andern, was das Essen angeht, und es gab sogar ein bisschen Salat und Gemüse. Auch das Frühstück ist reichhaltiger, wenn auch vorwiegend Weissmehl und Zucker. Es gibt beispielsweise auch Apfelmusportionen und Flocken. Ich habe angefangen, meinen eigenen Zmorge mitzubringen. Ich habe auch diese Apfelmusportionen und Petits Suisses gekauft und schnipple noch ein bisschen Früchte hinein.
Ich habe ca 22km vor mir. In Langogne muss ich Geld abheben, möchte aber weiter bis Pradelles. Das soll viel schöner sein, habe ich gehört.
Ich wandere ja, wie gesagt, in die Gegenrichtung. Das hat den Vorteil, dass mir unterwegs viele Leute begegnen und ich abends in der gîte Tipps bekomme. So bin ich auch zur heutigen Unterkunft gekommen, weil man da so gut isst.
Es hat natürlich auch Nachteile. Die anderen treffen sich manchmal mehrmals in den gîtes, tauschen sich aus und unterhalten sich oder wandern auch mal eine Etappe zusammen. Die Amerikanerin meint beim Frühstück, es sei schade, dass wir uns nicht mehr treffen. So ist es. Anderseits treffe ich auch immer wieder neue Leute, ist auch schön.
Das ist das Gute an den gîtes, man trifft Leute und isst zusammen. In den Hotels sitzt jeder für sich.
Die Gegend ist wieder wunderschön, wie gestern. Hügel und Täler wechseln sich ab und Wiesen, Sümpfe und Wälder. Und es hat noch viel mehr Osterglocken. Es ist wirklich fantastisch, wenn ganze Wiesen gelb sind.
Es gibt hier auch wieder mehr schöne alte Steinhäuser.
Eigentlich soll es heute laut Wetterbericht wieder etwas wärmer werden. Leider bläst aber fast auf dem ganzen Weg ein kalter Gegenwind. Da es trocken ist, trage ich die Pelerine nicht, die ja auch noch den Wind abhält, sodass ich ihm ausgesetzt bin. Zudem wandere ich heute den grösseren Teil abwärts bis Langogne und werde so nie richtig warm. Drum frieren mir fast die Chlüppli ab. Das heisst, dass ich wieder praktisch keine Pausen mache. In Langogne gehe ich spontan in ein Café zum Aufwärmen und bestelle einen kleinen Salat. Ich kriege dann allerdings einen grossen mit Melonen und Rohschinken.
Zum Schluss folgt der Aufstieg nach Pradelles. Das ist wirklich ein ganz schönes Städtchen mit vielen alten Steinhäusern. Es sind auch einige zu verkaufen, das reizt mich gerade… 😉
Kate hat mir ein kleines günstiges Hotel empfohlen, da bin ich jetzt und habe sogar Gemüse und Salat bekommen zum Menu (nicht viel, aber immerhin) 🙂
3. Mai – Von Pradelles nach Le Bouchet-St-Nicolas
Der Wetterbericht sagt wieder Temperaturen unter 10 Grad voraus. Gestern habe ich mich von der „guten“ Vorhersage verleiten lassen, die langen Unterschläuche wegzulassen und habe den ganzen Tag gefroren. Heute ziehe ich sie lieber wieder an, ich kann immer noch in die Büsche, um sie wieder auszuziehen, wenn mir zu warm ist.
Manchmal, wenn es bergauf geht und ich gerade an einer windstillen Stelle bin, denke ich: jetzt habe ich wieder zu viel angezogen. Aber ich weiss genau, wenn ich über die nächste Kuppe oder um die nächste Kurve komme, bin ich froh um jede Schicht, die ich anhabe.
Nachdem es am Sonntag aus Kübeln gegossen hat und die Temperaturen gefallen sind, habe ich kurzerhand mein Pyjama (mein einziges langarm Shirt und die lange seiden-merino Unterhose) zur Unterwäsche degradiert und spaziere seitdem in meinem Pyjama durch die Gegend: hat sich voll bewährt.
Obwohl ich heute fast ständig einen starken und kalten Gegenwind habe, friere ich nicht, ausser zeitweise an den Fingern. Der Wind drückt mich manchmal fast vom Weg und einmal muss ich mich in einer lange Steigung zwischen Feldern hindurch gegen den starken Wind stemmen. Auch wenn es mir nicht so vorkommt, bin ich doch auf gut 1000m und keine Berge schützen vor dem Nordwestwind.
Einmal begegnet mir ein junger Mann und fragt, ob es noch weit sei, bis zum nächsten Ort. Er friert jämmerlich und leidet sichtlich, aber er muss noch eine Stunde durchhalten…
Immerhin haben wir Aussicht auf ein warmes Haus. Es gibt Menschen, die das nicht haben und den ganzen Winter frieren. Nicht auszudenken…
Ich begegne immer wieder Leuten. Trotz des kalten Wetters sind einige unterwegs. Ich staune immer wieder über ihre Reaktion auf die Tatsache, dass ich verkehrt laufe. Manche bleiben stehen und fragen, ob ich den Stevensonweg anders herum laufe, und wenn ich es bestätige, finden sie das seltsam und ganz toll. Ich weiss immer noch nicht, warum das so seltsam und toll ist.
So ein Aussteigertyp mit einem ururalten Wohnwagen hinter einem noch ururälteren VW-Bus hat mich auch gefragt und er hat gemeint, normalerweise gingen die Leute ja in die andere Richtung. Da habe ich gesagt, ich sei eben nicht normal. Das fand er dann ganz supertoll und fragte, wer denn definiere, was normal sei. Tja, das kann man sich fragen. Er gehört ja auch nicht zu den normalen…
Aber eigentlich erklären wir ja einfach das für normal, was die meisten machen. (Deshalb ist es ja auch normal, dass wir vergiftete Sachen essen, aber nicht normal, Bio zu essen, was mich immer wieder erstaunt)
Meiner Meinung nach, fängt man die grösseren und vor allem andere Fische, wenn man nicht im gleichen Teich fischt, wie alle anderen und mir gefällt das. Was widerum nicht heissen soll, dass ich extra Sachen mache um anders zu sein, sondern einfach, weil es mir Spass macht. In vielen Dingen schwimme ich genauso mit dem Strom, wie die meisten.
Wenn man dagegen schwimmt, hat das meistens einen einfachen Grund. In diesem Falle, mache ich das ja nur so, weil ich einfach Steffi und Chris besuchen wollte und da war das halt einfacher zu planen. Ausserdem will ich ja im Juni meine Cousine in England besuchen und hatte dann die Idee, ich könnte nach dem Stevensonweg einfach weiterlaufen. Deshalb von Alès nach Calais.
Unterdessen ist ja längst klar, dass dazu die Zeit nicht reicht. Ich habe Ende Mai in Paris abgemacht. Von Puy aus bis Orléans sind es noch ca 620 km und dazu habe ich noch drei Wochen Zeit. Das heisst, ich müsste täglich 30 km laufen. Das schaffe ich nicht, ist aber auch egal, ich werde irgendwie rechtzeitig in Paris sein, nachher an die Küste fahren, dort noch ein bisschen wandern und dann nach England übersetzen…
Während mehr als der Hälfte des heutigen Weges habe ich eine wunderbare Aussicht nach Süden und Westen. Gaanz weit hinten sehe ich ein Kuppe mit Schnee und bilde mir ein, es sei der Mont Lozère und bin ganz stolz, dass ich es soweit geschafft habe… 😀