11. Mai – Von Retournac nach Valprivas

Ich habe gestern Abend tatsächlich noch eine Beiz gefunden. Eine Bar, sieht von aussen schrecklich aus, war aber meines Wissens der einzige Ort, wo man an diesem Abend etwas essen konnte. Sie war innen ganz nett und ich habe sogar gut gegessen.

Mit dem wifi hat es nicht so gut geklappt. Ich konnte zwar wieder einen Tag auf die Website stellen, aber es war so mühsam, dass ich es aufgegeben habe. Da, wo ich Texte einsetzen kann, steht: dies ist ein Absatz, schreiben Sie Ihren Text…blablabla. Das muss ich jeweils löschen und meinen Text reinkopieren. Wenn dann aber mit dem Speichern etwas nicht klappt, steht auf meiner Website: dies ist ein Absatz….. wie bescheuert ist denn das?!?

Diese Nacht habe ich 10 Stunden geschlafen und dachte am Morgen, dass ich wohl schon ein bisschen krank war, und dass es eigentlich besser wäre, noch einen Tag zu bleiben. Dazu hatte ich aber gar keine Lust. Ich dachte, vielleicht könnte ich aus den 18km zwei ganz kurze Etappen machen, aber es gibt keine gîtes dazwischen. Da, wo ich ein Bett reservieren möchte, nimmt nie jemand ab, es kommt immer eine Automatenstimme, die ich nicht verstehe.

Ich möchte sowieso noch zur Toiristeninfo und fragen, ob sie noch weitere Führer für die Loiretour haben. Aber die haben hier überall nur genau das Material für ihre Gegend und sonst von Tuten und Blasen keine Ahnung.
Um die gîte für heute zu reservieren, musste die Frau mehr als eine halbe Stunde rumtelefonieren, bis sie jemanden am Draht hatte, der Bescheid wusste. Heute sei eben eine Brücke, meinte sie. Da habe ich gesagt, an solchen Tagen, müssten die doch erst recht da sein und offen haben, schliesslich gäbe es viele Leute, die dann Ferien machen und wandern wollten. Ja, bei ihnen sei das eben nicht so. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Wenn man Geld verdienen will, muss man dann aufmachen, wenn die Leute kommen und nicht dann, wenn gähnende Leere herrscht. Aber so gibt es halt weniger Arbeit….

Manchmal frage ich mich schon, wo ich hier eigentlich bin. In Europa? Ich meine, es muss ja nicht immer überall so geschmiert laufen, wie in der Schweiz oder in Deutschland, aber dass hier manchmal so ein himmeltrauriges Niveau herrscht, erstaunt mich dann doch ein bisschen….

Mein topoguide ist von 2016, also noch relativ neu, aber offensichtlich gehen gîtes und Hotels auf und zu am Laufmeter. Die Leute machen häufig eine gîte auf, weil sie dann für die Renovation Geld kriegen vom Staat, nach ein/zwei Jahren machen sie wieder zu.

Ich habe unterwegs ein paar gîtes gesehen, die nicht im Führer sind. So kann man einfach nicht planen. Ich kann es ja nicht einfach daraufankommen lassen und wenn ich dann eine gîte brauche, hat es keine. Die im Internet zu finden (falls ich überhaupt eine Verbindung habe), ist schwierig, wenn man die Gegend nicht genau kennt.

Natürlich starte ich sehr spät nach dieser ganzen Übung. Ich habe 18km vor mir. Ich starte auf 500m gehe dann langsam auf 700m, steil hinunter auf 500m, über einen Fluss, steil hinauf auf 800m, wieder hinunter auf 500m, wieder Fluss und am Schluss wieder auf 820m. Das heisst, am Schluss werde ich gleichviele Höhenmeter gemacht haben wie über den Mont Lozère, einfach steiler und noch mit ein paar ebenso steilen Abstiegen dazwischen.

Es ist eine sehr schöne Strecke. Ausser am Anfang sieht und hört man nichts von Strassen. Es gibt ein paar wirklich wunderschöne alte Steinhäuser, toll renoviert. Am ersten Fluss stehen zwei schöne, die würde ich mir auch gefallen lassen, auch die Lage ist der Hammer.

Nachher kommt der erste steile Aufstieg. Ich bin froh, dass ich hier hinauf muss und nicht hinunter. Das hier ist eher ein Bachbett als ein Weg. Felsig und mit Steinbrocken übersät. Oben hat es ein kleines Dorf und schon geht’s wieder bergab. Plötzlich ist eine Abzweigung signalisiert, wo’s eigentlich keine hat, und zwar nicht mit den üblichen Markierungen, sondern mit rot-weissen Plastikbändern. Die habe ich schon öfters gesehen. Sie sind immer im Einsatz, wenn es Änderungen oder Umleitungen gibt.

Ich zögere, sehe aber auf der Strasse keine weiteren Markierungen. Auf der Karte ist zu sehen, dass die Strasse eine grossen Bogen macht, das heisst, es sieht eher so aus, dass man auf der Strasse drei Seiten eines Vierecks abläuft, und der markierte Pfad die Route sozusagen auf der vierten Seite abkürzt. Also versuche ich es. Es hängt ca alle 20 m ein Bändel, sieht gut aus, bis es dann plötzlich wieder aufwärts geht und für meinen Geschmack zu weit links. Hhmm, was tun? Wieder zurück? Stinkt mir, also weiter. Auf der Karte ist dieser Weg gar nicht eingezeichnet, darum weiss ich auch nicht, wohin er geht. Er ist so gut markiert, dass es mir vorkommt, wie im Märchen, wo man so in die Räuberhöhle oder zum Hexenhaus gelockt wird. Bin ja mal gespannt, wie mein Hexenhaus aussehen wird, obwohl ich es mir schon denken kann, wenn ich die Karte anschaue…

Und richtig, bald bin ich unten am Fluss, aber es gibt keine Brücke! Na bravo! Bändel hängen plötzlich auch keine mehr. Überquere ich jetzt den Fluss, da, wo ein Karrenweg hinein und auf der anderen Seite wieder hinausgeht? Oder folge ich dem Weg weiter? Im Zweifelsfalle geradeaus. Ich merke mir aber die Stelle, weil ich denke, da komme ich über den Fluss. Ausserdem hat es auf der anderen Seite, laut meiner Karte, zwei Wege, die hinaufführen zur Strasse.

Nachdem ich ein Stück weitergegangen bin, sehe ich, dass ich da sicher nicht über den Fluss komme. Ich breche meinen Versuch ganz schnell wieder ab und wandere zurück. Da bemerke ich, dass es schon noch mehr Bändel hat, aber die führen ganz steil wieder hinauf. Ich frage mich, wohin? Wieder ins Dorf? Da will ich nicht hin. Vielleicht weiter oben über den Fluss? Keine Ahnung. Das ist mir zu unsicher und ich beschliesse, den Fluss zu überqueren. Ich suche eine passierbare Stelle und einen guten Stock, ziehe Schuhe und Socken aus, binde die Bändel zusammen, hänge mir die Schuhe um den Hals und kremple die Hosenbeine hoch. Und los geht’s!
Ich hoffe bloss, dass es mich nicht umhaut. Erstens weiss man nicht, ob man das heil übersteht (und wahrscheinlich habe ich hier unten ja keinen Empfang zum telefonieren) und zweitens sind dann alle meine Sachen nass und ich schleppe das ganze Wasser nachher den Berg hoch. 🙁

Ich schaffe es mit einem kleinen Stolperer am Schluss. Ich finde sogar den kleinen Pfad, der wirklich eine Abkürzung ist und folge ihm. Verlaufen kann ich mich nicht: unten ist der Fluss, oben die Strasse, solange ich aufwärts gehe, ist alles gut. Da ich ja meistens optimistisch bin, kommt es mir gar nicht in den Sinn, dass der Pfad auch irgendwo überwachsen sein könnte. Aber alles klappt bestens und bald bin ich am Ziel und in der gîte, die sogar sauber ist. Einziger Makel: kein warmes Wasser!

 

12. Mai – Von Valprivas nach Estivareilles

Heute habe ich lausig geschlafen, ich war hellwach und es hat mich überall gejuckt. Manchmal habe ich das Gefühl in diesen gîtes habe es Viecher. Ist ja nicht abwegig und die einen sind wirklich nicht sehr sauber. Da muss man dann grosszügig darüber hinwegsehen. Ich sehe aber nie irgendwelche Viecher, es juckt nur, aber das passiert natürlich schon, wenn man nur daran denkt, ist also kein Beweis…

Ich bin ziemlich spät aufgebrochen, da ich ein eher leichtes Programm habe. Die Strecke ist knapp 18km lang, aber ohne grossartige Steigungen. Ich bewege mich zwischen 800m und knapp 1000m durch Wälder und an Wiesen und Feldern entlang. Immer wieder hat man eine tolle Aussicht. Von der Kirche von Leignecq könnte man theoretisch sogar den Mont Blanc sehen, wenn es denn klar wäre. Ist es aber nicht. Am Morgen schwitze ich noch in der Sonne, am Nachmittag macht es zu, dann wird es immer schnell kühler.

Seit ich von Retournac aufgebrochen bin, sehe ich kaum Wanderer, und wenn, tragen sie einen kleinen Tagesrucksack. Nur heute ist mir ein Mann begegnet, der auch eine längere Tour macht. Bin gespannt, wie das dann ist, wenn ich über die Berge wandere. Es wird wieder bis auf ca 1500m gehen Anfang Woche.


Im Hintergrund Leignecq


Estivareilles

13. Mai – Von Estivareilles nach Saint-Anthème

Oh, nein! Es schneit!! Das ist ja ziemlich unnötig. Ich habe aber schon ein Hotelzimmer reserviert, drum mache ich mich auf die Socken. 20km im Schnee.

Ich habe mich fast zu warm angezogen. Es ist windstill, schneit ganz nass und es liegt etwas Schnee. Die Birken sind ganz gebeugt und versperren oft den Weg und es gibt jede Menge riesiger Pfützen. Manchmal muss ich von Insel zu Insel hüpfen oder von einem Ufer zum andern.

Bei Montarcher verzichte ich darauf, den Kirchenhügel zu erklimmen. Von da aus kann man bei guter Sicht wieder einmal den Mont Blanc sehen. Aber heute wird man den Mont nicht sehen, sondern nur blanc, da kann ich mir das sparen.

Langsam könnte ich eine Pause brauchen, ich bin müde und hungrig. Bei dieser Nässe gibt es jedoch keine Möglichkeit, auszuruhen und ich esse meine Notration Nüsse (die gehen mir auch langsam aus).

In Ferréol suche ich einen trockenen, windgeschützten Unterschlupf und verdrücke meinen Zmittag. Nachher habe ich richtig kalt und muss gegen den immer stärker werdenden Wind kämpfen. Meine Pelerine ist vorne weiss, statt rot und dicht ist sie auch nicht :-(( Zum Glück sind die Jacke und die Regenhose wasserdicht.

Ich muss von der GR3 weg ins Tal hinunter, weil das die einzige Möglichkeit ist, ein Bett zu bekommen. Ich wollte auch schon für morgen Abend reservieren und habe in die gîte telefoniert. Man hat mir freundlich erklärt, dass man da nicht übernachten kann…

Das ist manchmal etwas frustrierend auf dieser Strecke. Es ist so schwierig, Unterkünfte zu kriegen. Auf den guide kann man sich schlicht nicht verlassen. Jetzt muss ich alles umplanen. Morgen wieder auf die Route hinaufzugehen, nur um abends wieder runterzulaufen zum Schlafen, finde ich sinnlos. Deshalb werde ich mir einen anderen Weg suchen und erst von der nächsten Herberge aus wieder hinaufgehen.

14. Mai – Saint-Anthème

Heute morgen versuche ich, die nächste Unterkunft nach meiner neuen Planung zu erreichen. Es kommt nur ein Automat. Soweit ich verstehe, haben sie am Montag geschlossen, na super, heute IST Montag. Heisst das nun, das Restaurant ist zu und man kann übernachten oder heisst das, ganz zu? Meine Wirtin weiss keinen Rat. Ich habe keinen Bock, fast 20km durch Regen und Kälte zu wandern, um am Ende vor verschlossener Türe zu stehen. Ausserdem muss ich noch einkaufen für die nächsten paar Tage, da hier die letzte Gelegenheit ist. Laut meiner Wirtin ist aber das Dorf am Montag tot, mit anderen Worten, alles zu. Wieder eine Zwangspause!

Immer, wenn das „Schicksal“ mir eine Zwangspause verordnet, ist das Wetter grässlich, Regen und Kälte. Deshalb habe ich keinen Grund, mich zu beklagen, sondern im Gegenteil, ich bin dankbar für diese verschlossenen Türen. Heute hätte ich wieder ohne Pause laufen müssen und das ist doch recht anstrengend.

Die Wirtin gewährt mir einen Sonderpreis und ist sehr hilfsbereit. Sie zeigt mir ein paar Möglichkeiten für kleinere Ausflüge. Da es allerdings wirklich den ganzen Tag regnet, beschränke ich mich auf einen Dorfrundgang nach dem Mittag. Es ist 3 Grad „warm“.

Nachher versuche ich, einen Mittagsschlaf zu machen, aber bald kommen neue Gäste in mein Nebenzimmer. Da es eine Durchgangstüre hat, ist es, als ob sie sich in meinem Zimmer unterhalten würden, und wenn sie die Schubladen der Kommode öffnen oder schliessen, klingt es, als ob sie gleich ummöblieren würden (was in den kleinen Zimmern gar nicht möglich ist).

Ich arbeite an meinem Blog und lade weitere Karten herunter für die nächsten Etappen. Bei dem langsamen Internet bin ich also durchaus beschäftigt 😉

Meine Nachbarn stellen sich als unerträglich heraus. Vorallem die Frau hat nicht nur eine Chifelstimme, sie ist auch furchtbar laut und putzt ihren Mann dauernd runter. Der arme Kerl hat wohl noch nie etwas richtig gemacht. Sie streiten dauernd über irgendwelche Kleinigkeiten, und selbst wenn er telefoniert päpt sie ununterbrochen drein. Om – ich werde froh sein, wenn ich wieder alleine bin und meine Ruhe habe….

15. Mai – Von St. Anthème nach Sichard

Die Hotelbesitzerin ist ungemein hilfsbereit. Sie versucht immer wieder, die Unterkunft auf Col des Soupeyres zu erreichen. Schliesslich gelingt es ihr. Die gîte ist auch heute geschlossen. Me…, direkt nach Col du Béal zu wandern, ist einfach zu weit. Vielleicht könnte ich ein Taxi nehmen nach Col des Soupeyres? Die Wirtin meint, das sei kompliziert, aber sie könne mich dahinfahren. Also in der Herberge Col du Béal anfragen, ob ich heute da schlafen kann. Nein, geschlossen, die haben 20cm Schnee.

Nun denke ich, ich verdufte aus dieser Gegend. Geht auch nicht, es gibt keinen Bus und nichts, ich könnte höchstens meinen Daumen rausstrecken und hoffen, dass mich jemand mitnimmt. Ich bin gestrandet!

Da ruft einer zurück aus einer anderen Unterkunft, das wäre vielleicht die Lösung, aber morgen muss ich doch nach Col du Béal und die haben ja zu. Meine Gastgeberin gibt nicht auf und ruft dort nochmals an, ob ich wenigstens morgen dort übernachten könnte. Bis dahin sei der Schnee ja wohl geschmolzen, da es ja wärmer werden soll. Schliesslich willigt der Mann ein. Er wird extra für mich raufkommen um 17h.

Also kann ich heute Richtung Sichard wandern, was eine sehr leichte Tour ist, nur ca 11km und alles auf Strassen. Hier verschätzt sich komoot zum ersten Mal gründlich. Ich brauche nur gut 2 Stunden und nicht 3, obwohl ich gemütlich wandere.

Es ist ein bisschen wie im Appenzellerland: über die Hügel verstreute Höfe, nur fehlen die zackigen Berge im Hintergund und die Häuser sind aus Stein und nicht aus Holz.

Die gîte, in der ich gelandet bin, ist der Hammer: Wunderbare Lage hoch oben am Hang, sehr schönes, geschmackvoll eingerichtetes Haus, alles öko und bio. Es gibt ein paar Zimmer im Haus und zwei Jurten. Ich bekomme ein Zimmer und bin vorläufig der einzige Gast.

16. Mai – Von Sichard zum Col du Béal

Nach zwei Kilometern bin ich wieder auf dem GR3. Die heutige Route geht über die Berge, ich wandere zwischen 1250m und 1600m.

Das Wetter ist wesentlich besser als die Tage davor, schon bald ziehe ich meine Jacke aus. Es ist eine wunderschöne Strecke und es gibt wieder Osterglocken und Veilchen, Erika und viele Heidelbeerbüsche. Leider ist ja noch nicht Beerensaison, sonst würde ich mich da durchschnabulieren 🙂
Ich höre wieder einen Kuckuck und muss schmunzeln: er scheint heiser zu sein. Der zweite Teil seines Rufes kommt ziemlich kratzig heraus.

Schade ist nur, dass man nicht sehr weit sieht, weil es so dunstig ist und auch immer wieder Wolken kommen und gehen. Bald sieht es so aus, als würde ich weiter vorne in den Nebel kommen, aber glücklicherweise löst er sich immer wieder auf.

Plötzlich höre ich wieder eine Lerche. Ich habe schon vor einer Weile gedacht, das sei ein Ort für Lerchen. Mit der Zeit werden es immer mehr. Von allen Seiten zwitschert es. Auch Osterglocken gibt es immer mehr. Zuerst waren es Büschel und die meisten waren schon verwelkt, aber je höher ich komme, desto mehr hat es, die frisch blühen. Die Hügel sind gelb getüpfelt so weit das Auge reicht.

Es windet ziemlich und ich habe natürlich wieder Gegenwind. Es ist aber zum Glück nicht kalt. An einem geschützten Platz esse ich meinen Zmittag, ich geniesse Sonne und Wärme. Plötzlich kommt von oben ein Wanderer, ein junger Mann aus Belgien. Er pilgert von zu Hause nach Compostela. Einer der Jakobswege verläuft hier auf dem GR3. Wir reden lange miteinander. Es ist ein schönes, berührendes Gespräch. Er ist ein Stück weit mit anderen unterwegs, das heisst tagsüber wandert jeder alleine, aber abends treffen sie sich immer in den Unterkünften. Auch schön!

Er hat einen Führer für den Jakobsweg, keine Karten, aber genaue Beschreibungen, was es in den Ortschaften so hat, Unterkünfte, Restaurants, Geschäfte usw. Ich mache ein paar Fotos davon für meinen Weg nach Chabreloche und er erzählt mir, wo es besonders schön war.

Am Schluss der Wanderung wird es frisch und ich bin ziemlich müde. Es kommt jemand extra rauf, um für mich die gîte zu öffnen und mir ein Nachtessen zu machen. Aber es ist ziemlich kalt hier. Ich werde mir wohl ein paar extra Decken schnappen und bald ins Bett kriechen.

17. Mai, vom Col du Béal zum Kloster Notre Dame de l’Hermitage

Am Morgen sehe ich nur weiss, dicker Nebel. Wieder keine Chance die Aussicht zu geniessen, schade. Deshalb spare ich mir die Besteigung des Aussichtshügels und marschiere los. Am Anfang ist es kalt und ich habe natürlich wieder Gegenwind.

Es hat Gras, Erika, Heidelbeerbüsche. So weit ich sehen kann, ist es sehr schön hier oben. Ab und zu wird es heller und ich hoffe, die Sonne komme durch, aber sie schafft es nicht.

Auf dem Col de la Loge muss ich die Fortsetzung des Weges suchen. Laut Karte muss ich zweimal links abbiegen, also fast wieder in die Richtung zurück, aus der ich gekommen bin, aber der Weg ist überall abgekreuzt, das Zeichen, dass es hier NICHT richtig ist. Ich frage ein paar Männer, die hier arbeiten, aber sie haben keine Ahnung. Also gehe ich hinauf zum Restaurant. Eine nette Dame erklärt mir, wo’s lang geht. Offenbar wurde die Route vor zwei Jahren geändert, weil der Weg über Privatland ging und die Besitzer das nicht mehr wollten. Also musste eine neue Route gesucht und markiert werden. Ich musste gerade in die entgegengesetzte Richtung gehen, als auf der Karte eingezeichnet. Ich habe ja den Weg aus dem Internet auf meine App übertragen und es ist nicht das erste Mal, dass der Weg anders verläuft, als ich eingetragen hatte. Ist also nicht sehr aktuell.

Hier ist praktisch alles Land in privaten Händen, so scheint es mir und es ist immer eingezäunt und mit zahllosen Schildern „propriété privée“ umgeben. Ich verstehe ja, dass man das Land einzäunt, wenn man Tiere darauf hält oder vielleicht zum Schutz vor Wildschweinen, aber es wimmelt auch immer von Schildern: Privatbesitz, betreten verboten, Durchgang verboten. Es ist schon ein bisschen bemühend. Oft ist es auch schwierig für die Mittagspause ein Plätzchen etwas abseits zu finden, weil links und rechts des Weges ein Stacheldrahtzaun steht.

Dass man den Leuten nicht durch den Garten trampelt, sollte selbstverständlich sein und dass man dem Bauern nicht das schon hohe Gras niedertreten sollte, ist auch klar, aber es tut doch niemandem weh, wenn ein Wanderer unter den Apfelbäumen sein Picknick und seine Siesta hält. Aber nicht hier. Das ist schade. Ich habe oft am Wegrand gegessen mangels Alternative. Da praktisch niemand unterwegs ist, ist es nicht so schlimm, aber auch ein bisschen unnötig.

Nach dem Col de la Loge wird das Wetter ein bisschen besser, ein paar Mal bricht sogar die Sonne durch. Jetzt bin ich im Kloster und muss mich erst mal auf die Suche nach Klo und Dusche machen. Sie haben sie gut versteckt, obwohl sie ganz neu sind, aber – was nicht das erste Mal ist – bei den Klos gibt es keine Lavabos. Das finde ich schon ein bisschen seltsam.

11 bis 17 Mai 2018 – Woche 4 – Von Retournac bis zum Kloster Notre Dame de l’Hermitage