Gestern Abend hat Fernando seine Frau vom Bahnhof Brescia abgeholt und ich lerne sie heute kennen. Eine ganz süsse, liebe Frau. Beim Abschied gibt sie mir noch Früchte mit. Die muss ich zwar mitschleppen, aber so gute und frische Früchte werde ich lange nicht mehr bekommen.
Praktisch alle Früchte und Gemüse, die Federico mir vorgesetzt hat, sind frisch aus seinem Garten. BIO, wie er betont. Das, was es in Geschäften unter Bio zu kaufen gebe, sei nicht bio, denn es werde zwar nicht gespritzt, dafür mischten sie irgendwelches Zeug unter die Erde. Er wisse das von Bekannten, die für den Biomarkt anbauen. Das sei ein Bschiss.
Federico hat eine Nachricht bekommen, dass die Strasse zum grossen Stausee hinauf geschlossen sei wegen eines Felssturzes. Vorgestern bin ich da noch gewandert und Federico ist durchgefahren! Zum Glück kam das ganze Zeug in der Nacht runter, denn heute ist Samstag, da wollen sicher einige Leute hinauffahren zum Wandern.
Nun bringt mich Federico nach Praso, wo wir uns verabschieden. Danke, Federico, für die guten Gespräche, das ausgezeichnete Essen und für die Fahrerei!
Noch ein Engel. Danke Federico!
Heute ist nur eine kurze Wanderung angesagt, eigentlich bis Bondo, aber weil es da nichts zum Übernachten gibt, gehe ich ein bisschen weiter nach Breguzzo. Das ist sowieso besser, denn die Route von morgen führt hier in der Nähe durch, sodass die morgige Wanderung leicht kürzer wird. Das kann nicht schaden, denn sie soll gut 6 Stunden dauern und führt wieder über einen Pass.
In meinem Büchlein steht, da die heutige Wanderung ja nur kurz sei, habe man dafür Zeit, auf dem Weg ein paar Sachen anzuschauen: eine Festung, Kirchen und einen österreichischen Friedhof aus dem grossen Krieg (1. Weltkrieg)
Die Festung streiche ich gleich aus dem Programm, denn ich sehe unterwegs einen Anschlag mit den Öffnungszeiten: Juli und August und im Sept die ersten beiden Wochenenden. Wie so oft in Italien sind die Sehenswürdigkeiten nur während der Ferienzeit der Italiener geöffnet, was natürlich ein Witz ist, denn jeder Tourist, der es richten kann, geht eben genau nicht in den Schulferien irgendwohin. Ich hatte erwartet, dass es hier im Norden nicht so sein würde, mit den Österreichern und Schweizern als Nachbarn, da ja gerade die Schweizer Ende September und im Oktober Ferien haben.
Ich glaube der Tourismus in Italien könnte einen gewaltigen Schub bekommen, wenn alles mindestens das ganze Sommerhalbjahr geöffnet wäre. Ich war mal Ende Mai/Anfang Juni in den Sibillini und Ascoli Picena unterwegs und hatte gedacht, da sei es ein Leichtes, Schlafmöglichkeiten zu finden, da noch nicht Hochsaison sei. Weit gefehlt, es war extrem schwierig, da alles geschlossen war! Wenn man immer zu hat, muss man zwar nicht viel arbeiten, aber man verdient halt auch nichts….
Mit den Kirchen klappt’s auch nur zum Teil, da die einen auch geschlossen sind, etwas, was ich mir von Italien nicht gewöhnt bin.
Der Weg ist einfach, aber was jetzt wieder dazukommt ist der Verkehrslärm. Im Daonetal war’s sooo ruhig und hier dringt der endlose Lärm hinauf in die Höhe, wo ich laufe.
Später geht es ins Tal hinunter und ich laufe lange einer Mauer entlang, wo sich viele Eidechsen sonnen. Ständig raschelt es neben mir, wenn sie im Laub oder in Mauerritzen verschwinden.
Auf der anderen Talseite führt der Weg an einem See entlang, bis ich dann Ende Bondo zu dem österreichischen Militärfriedhof komme. Er fällt grad auf, ist ein bisschen pompös, aber es berührt halt schon, wenn man bedenkt, wieviele Menschen in diesem sinnlosen Krieg gelitten haben und gestorben sind. Immer reden wir davon, dass wir aus der Geschichte lernen, aber immer noch wiederholt sich alles, wieder und wieder…
Dann wandere ich Richtung Breguzzo und weil ich nicht an der Hauptstrasse laufen will, mache ich einen kleinen Umweg. Und das ist die Überraschung des Tages: ich komme durch eine kleine, wunderschöne Schlucht mit einem rauschenden Bach und Brücken und Stegen!